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Titan – der Mercedes unter den Leichtmetallen

Titan bietet höchste Festigkeiten und Korrosionsbeständigkeit
Titan – der Mercedes unter den Leichtmetallen

Trotz des hohen Preises werden Titanlegierungen mit ihren herausragenden Eigenschaften immer häufiger eingesetzt. Ein neues Schmelzverfahren könnte die Herstellkosten künftig senken und das hochfeste Leichtmetall erschwinglicher machen.

Dr. Barbara Wantzen ist freie Fachjournalistin in Ulm

Titan ist neben Aluminium und Magnesium das dritte und gleichzeitig schwerste Leichtmetall. Obwohl es verhältnismäßig teuer ist, finden Rein-Titan und Titanlegierungen vielfältige Anwendung, ihr Marktanteil steigt stetig. Das klassische Einsatzgebiet für Titanlegierungen ist die Luft- und Raumfahrttechnik. Darüber hinaus wird der Werkstoff auch in der chemischen Industrie, im Maschinen- und Anlagenbau, in der Sportindustrie, Medizintechnik, Waffentechnik und der Uhren- und Schmuckindustrie eingesetzt. Vom Fahrzeugbau wegen des hohen Preises noch verschmäht, hat Titan jedoch im Rennsport einen festen Platz eingenommen. Sport- und Rennwagen werden beispielsweise mit Ventilen aus Titanlegierungen ausgestattet. Eine italienische Firma baut sogar ein ganzes Rennmotorrad aus Titan.
Die wichtigsten Vorzüge von Titan und seinen Legierungen sind die sehr hohe Korrosionsbeständigkeit, die hohe spezifische Festigkeit, das hohe elastische Energieaufnahmevermögen und die im Verhältnis zu Stahl um fast 50 % geringere Dichte. Außerdem sind diese Werkstoffe biokompatibel. Daher haben sie sich seit Jahren zur Herstellung von Dauerimplanaten wie künstlichen Hüftgelenken in der Medizintechnik aber auch als Implanate in der Zahnmedizin bewährt.
Rein-Titan eignet sich besonders für Anwendungen, bei denen sehr hohe Korrosionsbeständigkeit gefordert ist, etwa im chemischen Anlagenbau und in der Offshore-Industrie. Aber auch Brillengestelle und Uhren werden daraus gefertigt.
Den größeren Marktanteil haben jedoch Titanlegierungen. Sie lassen sich in vier Gruppen einteilen: die Alpha-, Near-Alpha-, Alpha+Beta- und die Beta-Legierungen, die gekennzeichnet sind durch die bei Raumtemperatur vorhandene Beta-Phase. Während die Beta-Phase eine kubisch-raumzentrierte Gitterstruktur besitzt, ist die Gitterstruktur der Alpha-Phase hexagonal. Dadurch unterscheiden sich die Eigenschaften der Legierungsgruppen und damit auch ihre Einsatzgebiete: Die reinen Alpha-Legierungen werden ähnlich wie Rein-Titan vor allem dort eingesetzt, wo ausschließlich gute Korrosionsbeständigkeit notwendig ist.
Dagegen zeigen die Near-Alpha-Legierungen mit etwa 5 Vol-% Beta-Phase zusätzlich gute Hochtemperatureigenschaften und ein gutes Kriechverhalten. Sie eignen sich daher für den Bau von Flugzeugturbinenkomponenten, deren Einsatztemperatur bis zu 600 °C reicht.
Die technisch und wirtschaftlich wichtigste Legierungsgruppe bilden jedoch die Alpha+Beta-Legierungen. Denn sie besitzen ein ausgewogenes Eigenschaftsprofil mit hohen Festigkeiten und zugleich guter Duktilität. Aus dieser Gruppe kommt auch die weltweit am meisten eingesetzte Titanlegierung Ti-Al6V4 mit einem Weltmarktanteil von 60 % aller Titanwerkstoffe. Aus ihr werden Golfschläger, Implanate, Ventile für Rennwagenmotoren und Komponenten für die Luft- und Raumfahrt hergestellt. Aber auch Verdichterräder für Turbolader mit Umfanggeschwindigkeiten von bis zu 600 m/s und Umgebungstemperaturen bis 300 °C lassen sich aus dieser Legierung gießen. Bei Motorbooten und Segeljachten spielt hier die ausgezeichnete Seewasserbeständigkeit eine weitere wichtige Rolle.
Im Maschinen- und Anlagenbau bietet sich ebenfalls ein breites Anwendungspotenzial für diese Legierung, insbesondere für Bauteile, die hoher dynamischer Beanspruchung ausgesetzt sind. Auch die Textilindustrie hat die Vorteile der Titanlegierung TiAl6V4 für sich entdeckt. In Webmaschinen erzielen Schiffchen aus dem Werkstoff deutlich höhere Standzeiten als die Varianten aus Stahl.
Die Beta-Legierungen, oder besser Near-Beta-Legierungen haben immer noch einen Alpha-Anteil von 50 % und zeichnen sich durch besonders hohe Fes-tigkeiten aus. Da jedoch die meisten stabilisierenden Elemente für die Beta-Phase sehr teuer sind, werden diese Legierungen nur in besonderen Fällen angewandt. Reine Beta-Legierungen sind bisher nur im Labormaßstab hergestellt worden.
Gewonnen wird Titan durch Reduktion aus den Titanerzen Rutil oder Ilmenit. Als Legierungselemente finden vor allem Aluminium, Vanadium, Zinn, Chrom und Zirkonium Anwendung.
Während die Gewinnungsmethoden aus dem Erz sich seit den Anfängen kaum verändert haben, hat eine amerikanische Firma mit dem „Electron-Beam Cold Hearth Melting” ein neues Schmelzverfahren entwickelt. Es kann dazu beitragen, dass die Preise für Titanwerkstoffe in Zukunft erheblich sinken. Denn zum einen können dabei größere Schrottmengen zugegeben werden, zum anderen lassen sich die so genannten Ingots mit einem Gewicht von bis zu 18 t produzieren. Sie sind damit doppelt so groß wie die auf herkömmlichen Anlagen erschmolzenen Ingots. Außerdem führt die neue Umschmelztechnik zu einem Gefüge mit guter Homogenität, so dass ein zweites Umschmelzen in vielen Fällen überflüssig wird.
Gamma-Titan-Aluminide
Neben diesen konventionellen Titanlegierungen haben in den letzten Jahren Gamma-Titan-Aluminide besondere Aufmerksamkeit gewonnen. Sie bilden einen Sonderfall, da sie fast 50 % Aluminium enthalten. Ihre Dichte ist dadurch mit 3,7 bis 4,0 g/cm³ geringer als die von konventionellen Titanlegierungen. Gleichzeitig zeichnen sie sich durch sehr gute mechanische Eigenschaften aus, insbesondere bei hohen Temperaturen. Im Temperaturbereich von 500 bis 850 °C besitzen sie auch gute Oxidatonsbeständigkeit. Die Gamma-Titan-Aluminide eignen sich daher besonders für bewegte Komponenten im Hochtemperaturbereich von Motoren und Turbinen. Beispiele dafür sind Turbinenschaufeln bei Luftfahrtantrieben und Pleuelstangen, Ventile oder Kolben in der Automobilindustrie, insbesondere im Motorsport. Durch ihren Einsatz lässt sich bis zu 40 % Gewicht einsparen. Damit erhöht sich auch der Wirkungsgrad und die Leistungsdichte der Motoren.
Faserverstärkte Titanverbundwerkstoffe
Ein anderer Weg zu neuen Hochtemperaturwerkstoffen führt über die Faserverstärkung von Titanlegierungen. Diese vor allem für den Triebwerksbau interessanten Werkstoffe werden zur Zeit entwickelt und machen sogar Gewichtseinsparungen von bis zu 70 % möglich. So hohe Gewichtseinsparungen sind notwendig, damit die Flugzeuge leiser werden, weniger Treibstoff verbrauchen und weniger Schadstoffe ausstoßen, gleichzeitig aber an Leistungsfähigkeit und Schnelligkeit zunehmen. Die anvisierte Gewichtseinsparung erfordert eine völlig neue Konzeption der Triebwerke und leichte, aber hochfeste Werkstoffe mit sehr guten mechanischen Eigenschaften. Titanlegierungen, die mit Siliziumkarbid-Langfasern verstärkt werden, erfüllen diese Anforderungen. Abgekürzt werden sie TMC genannt für Titanium Matrix Composites.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) hat ein spezielles Herstellverfahren für TMC entwickelt, das nicht nur zu wesentlich besseren mechanischen Bauteil-Eigenschaften führt, sondern sich besonders für die automatisierte Produktion eignet. Es ermöglicht damit eine wirtschaftliche Serienfertigung der Teile. Dazu werden die Siliziumkarbidfasern zunächst mit der entsprechenden Titan-legierung durch Magnetron-Sputtern beschichtet und anschließend gewickelt und heißisostatisch gepresst.
Industrieanzeiger
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