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Transponder schlägt Barcode nicht immer

Logistikbranche muss sich auf Parallelbetrieb einstellen
Transponder schlägt Barcode nicht immer

Die Begeisterung über die Möglichkeiten der Hochfrequenz-Identifikation (RFID) kennt derzeit keine Grenzen. Doch die Branche muss sich vorerst auf einen Parallelbetrieb von Transponder und Barcode einstellen.

Thomas Preuß ist Journalist in Stuttgart

Die Intralogistik sei in vielen Unternehmen „die letzte Reservefläche mit Kostensenkungspotenzial“, sagte Dr. Hans-Peter Schmohl zur Taufe dieses neuen Logistik-Begriffes – er steht für den innerbetrieblichen Materialfluss – im Sommer in Hannover. Anlass war für den Vorsitzenden des Fachverbandes Fördertechnik und Logistik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA), Frankfurt/M., die erste Pressekonferenz zur Cemat – der Weltleitmesse eben dieser Intralogistik. Die aus der Hannover Messe herausgelöste Cemat wird erstmals im Oktober 2005 in Hannover stattfinden. Und, so folgerte Schmohl, wegen dieses Potenzials werde der Markt für Intralogistik in den nächsten Jahren stärker wachsen als die übrige Wirtschaft.
Viel dazu beitragen wird die RFID-Technik, die Identifikation von Objekten mittels Hochfrequenztechnologie. Deren Anwendungsmöglichkeiten sind kaum absehbar. Mit der Technologie lassen sich Teile über elektromagnetische Felder automatisch identifizieren und lokalisieren, wenn sie einen entsprechenden Mikrochip tragen, einen so genannten Transponder oder Tag. Das senkt die Kosten immens. Verbunden mit einem Lesegerät und entsprechender Software, entstehen Systeme, die derzeit in 1 s bis zu 100 Produkte selbst in geschlossenen Kartons eindeutig identifizieren können. In der Industrie wie im Handel werden Kontrollen beim Warenein- und -ausgang überflüssig und menschliche Fehler beim Handling ausgeschlossen.
Transponder gibt es als Münzen, in Glas- oder Plastikgehäusen, als Chipkarten oder Smartlabel. Am kostengünstigsten sind derzeit die Smartlabels, etwa 0,1 mm dünne Papier- oder Plastikfolien, auf denen Antenne und Chip untergebracht sind. Sie sind häufig auf der Rückseite Kleber-beschichtet, auf Endlosrollen verfügbar und dünn und flexibel genug, um sie auf Waren aller Art zu kleben.
Der Siegeszug scheint ausgemacht; uneins sind sich die Experten nur, ob der Weltmarkt für Transponderanwendungen in den nächsten fünf Jahren um den Faktor 3 oder 6 zulegen wird. Frost & Sullivan, Frankfurt/M. und New York, erwartet nach derzeit gut 1 Mrd. US-$ für 2008 über 7 Mrd. US-$. Thomas Wimmer, Geschäftsführer der Bundesvereinigung Logistik e. V. (BVL) in Bremen, prognostiziert den Transpondern jedenfalls eine „ähnlich breite Verwendung, wie sie der Barcode erreicht hat“.
Eine Wachablösung wird gleichwohl noch einige Zeit auf sich warten lassen, denn „der Barcode ist weit verbreitet, erreicht einen hohen Standardisierungsgrad – der den Transpondern noch fehlt – und eine hohe Akzeptanz“. Das sagt Dr. Martin Wölker, Geschäftsführer der Cognid Consulting GmbH in Dortmund. Wölker vertritt die These, dass sich Einsparpotenziale in der Logistik mit beiden Systemen erschließen lassen. Für RFID spreche die Pulkfähigkeit, die (Um-)Programmierfähigkeit – die beim Barcode nicht gegeben ist – und die Lesbarkeit durch verschiedene Materialien hindurch. „Für einige Anwendungen ist die Technik aber zu unwirtschaftlich“, gibt der Experte zu bedenken. Dabei gehe es nicht nur um die reinen Kosten des Transponders, sondern um das Investment in die Hardware, wie die Schreib-Lese-Einheit, die Antennen oder die Verkabelung. Auch die Systemintegration bedeute Aufwand wegen der Schnittstellenprogrammierung, der Anschaffung der entsprechenden Software oder der Abstimmung von Antennen und Leseeinheiten. Ferner müssten Mitarbeiter geschult sowie Zulassungs- und CE-Prüfkosten kalkuliert werden.
Die Diskussion um den „Ein-Cent-Transponder“ greift also zu kurz. Gleichwohl ist das Sparpotenzial beträchtlich: Auf dem Transponder lassen sich zusätzliche Informationen hinterlegen, die neben dem Produkt auch einzelne Warenstücke über individuelle Seriennummern identifizieren. Das erleichtert beispielsweise Rückholaktionen. Während sich Produkte bei RFID automatisch identifizieren lassen, müssen Barcodes mit Scannern in der Regel per Hand eingelesen werden. Im Lager und Versand entfallen Etikettierprozesse dank RFID. Typische manuelle Transportvorgänge – etwa mit Gabelstaplern – kommen ohne Scannen aus. Durch den Einsatz beschreibbarer Transponder lassen sich die Daten direkt am Objekt hinterlegen und auch weitere Merkmale wie etwa Temperaturverläufe aufzeichnen.
Doch RFID schlägt den Barcode nicht in allen Bereichen. So hat Siemens schon 1990 in der Automobilindustrie Transpondertechnologie in Kleinteilelägern eingesetzt. Tablare oder festcodierte Kästen wurden mit den Moby-Systemen des Siemens-Geschäftsbereichs Automation & Drives (A&D) ausgestattet. Dabei wurde jeweils der Ziellagerplatz des Tablars codiert. Derartige RFID-Anwendungen auf Ladungsträger- und Paketebene erreichen – bei umlaufenden Ladungsträgern in einem geschlossenen System – „die höchste Wirtschaftlichkeit“, wie Dr. Hans Christoph Dönges erklärt, Leiter IT-Systeme Distributionslogistik der Siemens Dematic AG, Geschäftsgebiet Material Handling Automation in Offenbach. „In den damaligen Systemen waren Durchsatzleistungen von über 3000 Ladungsträgern pro Stunde erreichbar“, sagt Dönges, „und zwar ohne aufwendige Materialflussrechner, deren Leistungsfähigkeiten zu dieser Zeit noch begrenzt waren.“ Danach seien jedoch leistungsfähigere Rechnersysteme entstanden, die auch weitere Anlagenteile integrieren konnten. „Zusammen mit dem noch relativ hohen Preis für Transponder und den nicht abgeschlossenen Normierungsbestrebungen“, erklärt der IT-Experte, „überwogen die Nachteile.“
Mittelfristig rechnet Hans Christoph Dönges mit einer Koexistenz von Barcode- und RFID-Technik. Die RFID-Produktlinie Moby sei ebenso leicht in eine Simatic-S7-SPS zu integrieren wie ein herkömmlicher Scanner, versichert Dönges. Auch Handgeräte, die gleichzeitig Tags und Barcodes lesen, seien im Handel verfügbar. „Ein Parallelbetrieb ist ohne weiteres möglich.“
Temperaturverläufe am Objekt lassen sich im Tag speichern
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