Beim vierten Aachener Kolloquium Werkzeugbau mit Zukunft erläuterten Experten aus Wissenschaft und Praxis, wie der deutsche Werkzeug- und Formenbau auch in Zukunft erfolgreich bleibt.
„Ich empfehle Ihnen dringend, über die Einzigartigkeit Ihres Unternehmens nachzudenken“, legte Prof. Günther Schuh den Teilnehmern des „Internationales Kolloquium Werkzeugbau mit Zukunft“, das zum vierten Mal in Aachen stattfand, ans Herz. Die Kunst bestehe darin, seine Stärken so auszubauen, dass die Preisdifferenz gegenüber billigeren Wettbewerbern vergrößert werden könne, ohne Marktanteile an die Konkurrenz zu verlieren, sagte der Wissenschaftler, der als Mitglied des Institutsdirektoriums des Fraunhofer-Institut für Produktionstechnologie (IPT) und des Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen Gastgeber war. Viele Werkzeug- und Formenbauer verschwenden zu viel Energie, um die letzte Minute im Prozess herauszukitzeln, statt sich andere Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten. Gerade im Bereich komplexer Werkzeuge hätten deutsche Betriebe noch immer einen Technologie-Vorsprung gegenüber der Billiglohn-Konkurrenz und durch vielfach langjährige Kundenbeziehungen einen strategischen Vorteil.
Angesichts massiver Überkapazitäten in der Branche zeigte sich Reiner Greiss, Fertigungsdirektor beim Kerpener Automobilzulieferer Visteon GmbH, besorgt um den deutschen Werkzeugbau: „Ich bin beeindruckt von der Qualität und Liefertreue tschechischer und ungarischer Anbieter. Auch in China arbeiten Profis, die verstehen, worauf es ankommt.“ Hubert Waltl, Leiter der Sparte Werkzeugbau der Audi AG, Ingolstadt, sieht im Schielen auf kurzfristigen monetären Erfolg aber auch Gefahren: „Wer nicht weiß, wie ein Betriebsmittel gebaut wird, der weiß auch nicht, wie das Teil gebaut wird.“ Deshalb sei der Werkzeugbau für die deutsche Industrie von elementarer Bedeutung und müsse technologisch erstklassig bleiben und es in Sachen Ausbildung wieder werden.
Auch Schuh warnte vor all zu großer China-Euphorie. Der Markt sei noch immer nicht frei, und wenn die chinesische Regierung einige Rahmenbedingungen ändere, könne er schlagartig zusammenbrechen. Der Wissenschaftler plädierte dafür, die Chancen zu nutzen, sich aber auch der Risiken bewusst zu sein. Eine weitere Gefahr für den deutschen Werkzeug- und Formenbau sieht er in den massiven Produktivitätssteigerungen bei den OEMs. Um das eigene Personal auszulasten, werden die Großunternehmen vieles wieder intern abwickeln.
Dennoch glaubt Schuh, dass die Chancen für den deutschen Werkzeug- und Formenbau überwiegen. In mehreren der insgesamt 21 Vorträgen aus Wissenschaft und Praxis kamen die großen Trends zum Ausdruck: Die Zukunft gehört dem industriellen Werkzeugbau mit modularisierter, standardisierter Prozess- und Produktstruktur sowie innovationsgetriebenen Werkzeugbau-Netzwerken, die ein variables Leistungsspektrum anbieten können, indem sie gezielt mit externen Spezialisten kooperieren. hw
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