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Umrechnen in Inch und Pound reicht nicht aus

Teil 1: Vorschriften und Standards für deutsche Maschinen
Umrechnen in Inch und Pound reicht nicht aus

Umrechnen in Inch und Pound reicht nicht aus
Der Industrieanzeiger-Autor Hans Andreas Fein ist selbständiger Marketing- und Strategieberater in Stuttgart. Er berät speziell deutsche und amerikanische Unternehmen der Investitionsgüter-Branche.
ISO 9001 und neuerdings QS 9000 wird heute auch in den USA von dem Lieferanten erwartet. Und darüber hinaus gelten für den Verkauf von Werkzeugen, Maschinen, Geräten oder Komponenten ebenfalls strenge Sicherheitsstandards – doch nicht nach CE, VDE oder DIN: Hier heißen die Kürzel UL, ANSI oder beispielsweise OSHA.

What is the outer diameter of this tube? – Wie groß ist der Außendurchmesser dieses Rohres?“ Der amerikanische Engineering Manager und sein Team hatten spürbares Interesse an der Handling-Vorrichtung gefunden. „32 Millimeter“, antwortete der Verkaufsleiter aus Deutschland und sah Unverständnis in den Gesichtern seiner Gesprächspartner. „32 Millimeter – what is that in inch?“ – „Das sind etwa – Moment, …“ Er suchte nach seinem Taschenrechner, und nach einigem Hin und Her gelang ihm schließlich auch die Umrechnung, doch irgendwie war in dem Gespräch danach der Faden gerissen.

Denn dieser Einschnitt in einem Verkaufsgespräch signalisiert amerikanischen Kunden in der Regel, dass ein ausländisches Produkt bisher noch nicht auf US-Verhältnisse zugeschnitten ist.
Gewohnt an Inch und Pound, mahnen den Amerikaner Maßangaben in Meter und Zentimeter zur Vorsicht. Das Umrechnen fängt er erst gar nicht an, denn jeder Fehler könnte sich auf das Arbeitsergebnis auswirken. Deshalb sollten technische Angaben beim Verkauf in den USA von vornherein auf Inch und Pound umgerechnet werden, und zwar schon vor Antritt einer Reise.
Der zweite große Prüfstein für die Tauglichkeit ist dann die Frage nach den Approbationen wie zum Beispiel „UL“ oder nach „NEMA“-Standards. Zweifellos, der Einstieg in den US-Markt erfordert eine Menge an Pionierarbeit im Bereich Marketing, Distribution oder Finanzen – und häufig wird dabei die Einhaltung von amerikanischen Normen und Vorschriften erst in zweiter Linie bedacht. Was CE, TÜV oder VDE verlangen, reicht in den USA aber nicht aus oder wenigstens nicht in derselben Form. Auch mag so mancher Technische Leiter darüber erleichtert sein, dass UL oder andere amerikanische Zulassungen gar nicht gesetzlich vorgeschrieben sind.
Doch die Einhaltung von Standards und Prüfung von neuen Produkten für den US-Markt sind aus anderen Gründen zwingend: Gerade Neueinsteiger kämpfen mit dem Handicap, dass ihr Firmen- oder Markenname in den USA meist unbekannt ist.
Und Produkte aus Europa werden zunächst immer mit gewissen Vorbehalten behandelt, nicht nur aufgrund des metrischen Systems, oft sind es auch die logistischen Risiken bei Lieferungen über den Atlantik, die beim US-Kunden zu Bedenken führen. Da kann der Nachweis einer UL- oder CSA-Approbation und die Beachtung der NEMA- oder ANSI-Standards, quasi als Vorleistung, wertvolles Vertrauen schaffen. Mit diesem Faustpfand wird die Frage „Does your equipment have an UL-mark and do you meet the NEMA standards?“ nicht mehr zum Stolperstein beim Kundengespräch.
Ungewohnt ist für Deutsche, dass es verschiedene Zertifizierungsinstitutionen in Nordamerika gibt, die zum Teil im Wettbewerb zueinander stehen und potenzielle Kunden mit Vorschlägen für einen effizienten Prüfungsprozeß geradezu umwerben. Selbst cost sharing mit anderen Projekten sind für bestimmte Teilprozesse einer Prüfung kein Tabu. Kundenorientierung und Pragmatismus dieser Stellen sind für uns manchmal richtig erfrischend.
Die führende unabhängige Organisation für Sicherheitsprüfungen in den Vereinigten Staaten ist UL – die Underwriters Laboratories, Inc. – und ihr kanadisches Pendant heißt CSA (Canadian Standard Association). Underwriters Laboratories wurde schon im Jahre 1884 durch einen Elektrotechnik-Inspektor gegründet, der im „Palast der Elektrizität“ der Columbia-Ausstellung in Chicago eine Fehlverkabelung untersucht hatte.
Seit seiner Gründung vor über 115 Jahren spielt UL eine Schlüsselrolle für technische Sicherheit in den USA, und das UL-Zeichen hat nach wie vor die höchste Verbreitung und die größte Akzeptanz in den USA. UL ist eine unabhängige Nonprofit-Organisation und untersucht Werkstoffe, Teile, Produkte, Ausrüstungen, Konstruktionen, Methoden und Systeme auf Gesundheits- und Lebensgefährdung oder auf Risiken der Sachbeschädigung.
Mit dem UL-Zeichen auf einem Produkt zeigen Hersteller, Händler oder Importeure die Über-einstimmung mit den anzuwendenden USA-Sicherheits-Standards. Industrie, Handel, regionale und lokale Regierungsstellen in den USA erkennen UL und seine Standards an.
Standards und Zulassungen müssen beachtet werden
Und 80 % der bisher veröffentlichten 800 UL-Standards wurden auch als National Standards der USA übernommen. Doch ist UL beileibe nicht die einzige bedeutende Institution auf diesem Gebiet. Zu den wichtigsten Institutionen zählen ANSI, OSHA, NIST, NIOSH und NEMA (siehe Kasten auf dieser Seite).
Darüber hinaus gibt es noch zahlreiche weitere Branchenverbände, die Informations- und Datenblätter herausgeben (zum Beispiel für Produktionstechnik, Roboter oder Werkzeuge), sowie besondere Empfehlungen von einzelnen staatlichen und lokalen Sicherheitsbehörden wie den Labor Inspektoren. Die meisten elektrotechnischen Produkte sollten auf dem US-Markt mit UL-Labels und entsprechenden Sicherheitshinweisen ausgestattet sein. Ebenso wie das Produkt muss natürlich auch das Beiwerk auf den Prüfstand: Informations-Broschüren und vor allem die Sicherheitshinweise, Warnschilder und Bedienungsanleitungen. Sie sollten allesamt auf amerikanische Verhältnisse angepasst werden. Es genügt in diesem Fall nicht, unser metrisches System in inches auszudrücken oder die elektrische Ausrüstung von 220 V auf 110 V zu transformieren.
Zur Vorsorge gegen Arbeitsunfälle müssen alle Informationen auf die überwiegend angelernten Kräfte in der amerikanischen Produktion zugeschnitten sein. Formulierungen sind nur in der Umgangssprache der Anwender klar und verständlich, und in zusätzlichen grafischen Darstellungen auch schnell genug zu erfassen. Eine unkomplizierte und pragmatische Anleitung, die ausdrücklich auf Gefahren und Risiken hinweist oder davor warnt, ist das absolute Muss. Mit diesen Mitteln wird die wichtige Botschaft für den Anwender besser und sicherer transportiert, als die in Deutschland verbreitete, eher technische Literatur, die meist für geschulte und erfahrene Fachkräfte geschrieben ist.
Häufig scheuen sich deutsche Unternehmen vor den hohen Kosten oder vor den aufwendigen Prüfabläufen einer UL-Zulassung. Doch um diese Hürde sollte man sich nicht drücken. Denn „ohne“ wird die Anfangsphase weitaus schwieriger und der Mangel kann auch später noch, zum Beispiel im Falle einer Produkthaftungsklage, fatale Konsequenzen haben! Die Beachtung von Zulassungen und Standards sind ganz einfach die Voraussetzung für einen glatten Markteinstieg und sollten vor dem aktiven Verkaufsbeginn geklärt oder abgearbeitet sein.
Dann kann die Frage nach dem Außendurchmesser nämlich das gewünschte Signal sein, um im Verkaufsgespräch die US-Offensive einzuleiten: „The tube has 1,28 inches and meets American standards. And, we do have UL approval too.“
Unabhängige Sicherheitsprüfungen (UL)
UL bietet drei unterschiedliche Zulassungskategorien an:
„UL-listed“ für Endprodukte, die anhand eines Musterproduktes auf die nationalen Sicherheitsstandards und Gefahren getestet bzw. zugelassen werden.
„UL-classified“ für Produkte, die anhand bestimmter Vorschriften nach speziellen Eigenschaften, speziellen Gefahren oder spezifischen Umweltbedingungen untersucht wurden.
„UL-recognized“ eine vereinfachte Prüfung für Teile oder Komponenten, die in ein komplettes Produkt oder System mit UL-Listung oder UL-Klassifizierung eingebaut werden.
US-Normungsinstitute
ANSI (American National Standards Institute) ist eine Nonprofit-Organisation und auch keine „Government Enforcement Agency“. ANSI erteilt keine Genehmigungen und erstellt keine Regeln oder Bestimmungen, sondern gibt oft in Zusammenarbeit mit Branchenorganisationen Standards auf freiwilliger Basis als Empfehlungen an Unternehmen.
OSHA (Occupational Safety & Health Administration) führt vorwiegend bei solchen Unternehmen regelmäßig Untersuchungen durch, die gefährliche und extrem gesundheitsgefährdende Güter herstellen, wie zum Beispiel Sprengstoffe oder Asbest. In diesen Firmen und deren Produktionsstätten wird geprüft, ob alle Sicherheitsstandards erfüllt werden.
Das National Institute of Standards and Technology (NIST) wurde ursprünglich vom Kongress im Jahr 1901 als National Bureau of Standards (NBS) gegründet. Es unterstützt Industrie, Handel, wissenschaftliche Einrichtungen und Regierungsbehörden durch die Entwicklung fortschrittlicher Prüfungsverfahren und der Festlegung von Standards. NIST gehört zur Technologie-Behörde des Department of Commerce (Wirtschaftsministerium).
Das National Institute of Occupational Safety and Health (NIOSH) gibt Vorschriften und Anleitungen zur Arbeitssicherheit und zur Unfallverhütung heraus.
NEMA, die National Electrical Manufacturers Association, ist Forum und Triebkraft für elektrotechnische Standards. Die NEMA übernimmt zum Teil auch Verbandsfunktionen ähnlich dem ZVEI und hat selbst Arbeitshilfen wie Marktdaten oder Karten zur Gebietsaufteilung (NEMA Regions) in ihrem Angebot.
Die Serien-Teile
Teil 2: Matrix-Distribution als Zauberformel für USA; erscheint in IA 41 am 9.10.
Teil 3: Global Selling heißt Kunden-Märkte statt Länder-Märkte; erscheint in IA 42/43 am 16.10.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
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