Startseite » Allgemein »

Umrüsthäufigkeit steigt ums Vier- bis Fünffache

Automation macht Werkzeugmaschine zum Handlingsystem
Umrüsthäufigkeit steigt ums Vier- bis Fünffache

Schon die drastisch gestiegenen Spindeldrehzahlen und die Hartbearbeitung hatten die Spanntechnikhersteller kreativ gefordert. Die Gegenwart aber macht ihren Job zur Königsdisziplin: Sie schaffen es, Werkzeugmaschinen ohne jede Peripherie zu robotisieren.

Dipl.-Ing. Wolfgang Filì ist Journalist in Köln fachjournalist@fili.net

Der Trend war letztlich abzusehen. Dass die Automation aber derart schnell in der Spanntechnik Fuß fassen sollte, hat selbst Markus Berger überrascht. Vor allem die vergangenen fünf Jahre, so erklärt der Vertriebsleiter der Lauffener Spann- und Greiftechnikfabrik Schunk GmbH & Co. KG, hätten gewaltigen Schub bewirkt und die Schnittstelle zwischen Maschine und Werkstück von einer passiven zur aktiven Komponente gemacht.
Antreiber dazu sei wie bisher noch stets die Automobilbranche. Denn auch hier schrumpften die Stückzahlen erheblich, würden die Lose kleiner und nehme die Zahl der Teilevarianten zu – diese Verschiebung sei grundsätzlich nichts Neues. Was Berger aber erstaunt, ist, dass die durchschnittliche Umrüsthäufigkeit dabei allein seit der Jahrtausendwende um das Vier- bis Fünffache gestiegen ist und dies Dreh- wie Frästechnik gleichermaßen betrifft. Bei Schunk werden solche Kennzahlen pingelig erfasst. Herausforderung für die Spannmittelbauer, sei insoweit dazu beizutragen, dass die Maschinen der Kundschaft trotzdem wirtschaftlich unter Span blieben und Umrüstung auch in Blindschichten möglich sei. Quer durch Bergers Branche liegt mittlerweile eine Reihe praxistauglicher Lösungen dazu vor. So erlaubt das System V-Change der Düsseldorfer Forkardt GmbH (gegenüberliegender Kasten oben) den automatisierten Wechsel von Futterbacken in lediglich 5 s. Allein im Zeitvergleich zu konventionellen Futtern – die durchschnittliche Umrüstzeit liegt je nach Größe zwischen 5 und 10 min – bedeutet dies eine Einsparung um mehr als das 50-Fache. Dabei macht die Werkzeugmaschine dasjenige, was früher Arbeit von Hand oder Robotern war. Dies bedeutet unterm Strich: bedienerlosen Betrieb.
Das System ist ebenso simpel wie griffig angelegt: Für die Außen- und Innenspannung werden zwei identische Vorrichtungen aus einer Grundplatte mit sechs Bolzen sowie sechs seitlichen Positionierleisten benötigt. Jeweils drei Bolzen sind für die Außen- und Innenspannung zuständig. Bei den Aufsatzbacken – sie werden auf die Bolzen der Vorrichtung gesteckt – ist das Arretierungsloch durchbohrt. Bei vertikalen Drehmaschinen mit Werkstück-Transporteinrichtung ist diese eine Vorrichtung zunächst leer und wird so in der Ladestation positioniert. Dann senkt sich das Futter, so dass die Bolzen in die Aufsatzbacken einfädeln und der Arretierbolzen der Grundbacke eingedrückt wird. Das Futter öffnet oder schließt jetzt abhängig von Innen- oder Außenspannung. Sind die Aufsatzbacken frei, fährt das Futter zurück und die zweite Vorrichtung mit neuen Backen wird positioniert. Damit fixiert V-Change auch bei größeren Spannkräften auf 0,02 mm wiederholgenau.
Mit dem so genannten HSK-Greifer hat auch Schunk die Peripherie in die Werkzeugmaschine geholt. Ansatz für die Entwicklung war, dass die Achsen von Bearbeitungszentren während der Be- und Entladung still stehen, umgekehrt aber in der Zeit, in der die Späne fliegen, die Zuführautomatisierung ruht. Die Nutzzeiten der Komponenten laufen einander zuwider.
Als Lösung bietet Schunk Greifer mit Werkzeugschnittstellen an. Wie bei dem Forkardt-System ist das Prinzip auch hier eher einfach: Der Greifer mit Anschlussmöglichkeit für die Arbeitsspindel wird wie jedes andere Tool auch im Magazin der Werkzeugmaschine abgelegt. Zu Anfang eines Zyklus wird er auf die Arbeitsspindel eingewechselt. Dann verfährt das Bearbeitungszentrum mit den eigenen NC-Achsen zu einem Magazin, das auf dem Maschinentisch angebracht ist, und greift dort ein Rohteil. Dieses wird zum Maschinenschraubstock gefahren und gespannt. Anschließend wird der Greifer gegen den entsprechenden Fräser ausgewechselt. Es beginnt nun – wie auch ansonsten üblich – der Bearbeitungszyklus. Sind alle Arbeitsgänge erledigt, wird der Greifer wieder eingewechselt und das nunmehr fertige Werkstück zurück in das Magazin abgelegt. Dort wird ein neues Werkstück aufgenommen, gespannt und der Zyklus beginnt von vorne.
Die Vorgehensweise ist eng verwandt mit der systeminternen Be- und Entladetechnik vertikaler Pick-Up-Drehmaschinen. In beiden Fällen erübrigt sich der Maschinenumbau. Mögliche Antriebsmedien für den Greifer sind die axial aus der Spindel eingeblasene Druckluft oder – wie häufig vorhanden – Kühlschmiermittel bis 60 bar durch die Innenhochdruckkühlung.
Der HSK-Greifer ist als Zwei-Finger-Parallelgreifer PGN-plus sowie als Drei-Finger-Zentrischgreifer PZN-plus erhältlich. Die Standard-Baugrößen 64 bis 100 decken den Bereich von 0,35 bis 5 kg Werkstückgewicht ab und werden vorrangig mit HSK-, Capto- und KM-Schnittstelle angeboten. Wie Schunk-Vertriebsleiter Berger jedoch versichert, ist der Greifer aber auch mit allen anderen gängigen Maschinenschnittstellen lieferbar. Erstmals vorgestellt auf der Emo 2005, ist der HSK-Greifer mittlerweile an die 50 Mal installiert.
Weiterer Meilenstein der jüngeren Vergangenheit sind die Nullpunkt-Spannsysteme: Ende der 90er-Jahre auf den Markt gebracht, sind sie zwischenzeitlich vor allem in der Klein- und Mittelserienfertigung etabliert und orientieren unterschiedliche Spannvorrichtungen auf ein und denselben Referenzpunkt. Auch hier wird der Umrüstaufwand ebenso elegant wie wirtschaftlich vermindert. War vor fünf oder zehn Jahren noch knapp eine halbe Stunde nötig, um eine Fräsmaschine auf systemfremde Spannmittel umzurüsten, so reicht heute knapp eine Minute – der Rationalisierungsfaktor liegt bei 30.
Anders als bei V-Change und HSK-Greifer, stehen beim Nullpunkt-Spannen unterschiedliche Bauarten im Wettbewerb. Zwar gilt Markus Berger’s Haus hier als einer der Marktführer, jedoch treiben auch Hersteller wie die Fellbacher AMF GmbH+Co. KG die Entwicklung voran. Deren 2005 vorgestelltes neues Nullpunkt-Spannsystem ist automationsfähig und soll eine unbeaufsichtigte und prozesssichere Maschinenbestückung garantieren. Die Module des Systems lassen sich mit Mediendurchführung, Auflage- und Verriegelungskontrolle ausstatten.
Umrüstaufwand wird elegant heruntergefahren
Unterschiedlichste Bauarten von Nullpunkt-Spannsystemen

In Kürze

468539

Automatisierter Backenwechsel
Das Schnellwechselsystem V-Change der Forkardt GmbH, Erkrath, spannt außen und innen über zwei einfache Vorrichtungen. Bei Vertikaldrehmaschinen mit Werkstücktransport werden die Backen damit automatisch gewechselt. fi

In Kürze

468540

Positionsflexibler Spanner
Statt aufwändiger Vorrichtungen hat jetzt ein Satz hydraulischer Spannelemente die Werkstücke im Griff. Laut Hersteller Römheld GmbH, Hilchenbach, spart die Lösung gerade bei kleinen Losen Kosten. Spannelemente, und -pumpe werden direkt auf dem Maschinentisch befestigt. fi

In Kürze

468541

Wenig träge und blitzsauber
Staub, Späne und Schmutz beeinträchtigen die Funktion von Spannmitteln beträchtlich. Die Systeme konnten wegen der Radienverschiebung von Kegel und Spannkopf bislang nie völlig abgedichtet werden. Bei dem Spannfutter TOPlus der Hainbuch GmbH, Marbach, liegen alle Flächen jedoch sauber an und lassen Fremdkörpern keine Chance. Der Kern des Futters besteht aus Mineralguss. Dadurch hat es bessere Dämpfungseigenschaften und weniger träge Masse.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de