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Urlaub von der Langzeiterkrankung?

Rechtsprechungsänderung zum Urlaubsrecht erhöht die Lohnfortzahlungsrisiken der Arbeitgeber
Urlaub von der Langzeiterkrankung?

Grundsätzlich ist der einem Arbeitnehmer zustehende Erholungsurlaub auf das Kalenderjahr befristet. Wird er nicht vollständig genommen, so erlischt er entschädigungslos am Jahresende oder – unter bestimmten Voraussetzungen – am Ende des Übertragungszeitraum, dies ist der 31.03. des Folgejahres. Das Erlöschen trat nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) selbst dann ein, wenn die (vollständige) Inanspruchnahme von Urlaub durch eine längere Erkrankung des Mitarbeiters verhindert wurde – der Urlaub war unwiederbringlich verloren. Dies ist nun anders. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 20.01.2009 und ihm folgend das BAG am 24.03. und 19.05.2009 entschieden, dass ein Arbeitnehmer seinen gesetzlichen Jahresurlaubsanspruch auch dann nicht verliert, wenn ihm wegen einer fortdauernden Arbeitsunfähigkeit kein Gehaltfortzahlungsanspruch mehr zusteht. Eine zeitliche Limitierung hat der EUGH nicht formuliert, sodass die Geltendmachung des Urlaubs erst an der 3-jährigen Verjährungsfrist scheitert.

Beispiel: Der Arbeitnehmer ist die gesamten Jahre 2009 und 2010 erkrankt. Seine Arbeitsfähigkeit erlangt er erst wieder am 01.04.2011. Bei konsequenter Anwendung der geänderten Rechtsprechung muss der Arbeitgeber ihm nun neben seinem aktuellen Urlaubsanspruch für das Jahr 2011 den gesamten gesetzlichen Resturlaub der Jahre 2009 und 2010 gewähren. Früher wäre der Urlaubsanspruch für 2009 am 31.03.2010 und der für 2010 am 31.03. 2011 erloschen.
Es wird zwar gemutmaßt, dass irgendwann eine weitere Vorlage an den EuGH erfolgen wird, um eine zeitliche Beschränkung des fortgeschriebenen Urlaubsanspruchs herbeizuführen. Bis es aber soweit ist, müssen die Arbeitgeber mit dem beschriebenen Risiko leben.
Was sind die Konsequenzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Was kann der Arbeitgeber tun, um die finanziellen Belastungen zu beschränken?
Die Entscheidungen des EuGH und des BAG bezogen sich ausschließlich auf das Fortbestehen des Anspruchs auf den gesetzlichen Mindesturlaub (24 Werktage bei 6-Tage-Woche, 20 Tage bei 5-Tage-Woche) trotz Krankheit. Diesen Anspruch darf der Arbeitgeber vertraglich nicht ausschließen. Möglicherweise wird von der Rechtsprechung aber die Regelung von sog. Ausschluss-/Verfallklauseln akzeptiert: Damit der Arbeitgeber nicht erst mit Eintritt der Verjährung Planungssicherheit erlangt, sollte er mit dem Arbeitnehmer bereits im Vertrag eine Frist von mindestens 3 Monaten vereinbaren, innerhalb der der Arbeitnehmer nach seiner Gesundung den Urlaub in Anspruch zu nehmen hat, da er anderenfalls erlischt.
Zumeist gewähren Arbeitgeber aber vertraglich ohnehin mehr Urlaubstage als das gesetzliche Mindestmaß, bspw. 28 oder 30 Arbeitstage. Für diesen zusätzlichen vertraglichen Mehrurlaub ist künftig eine Regelung geboten, wonach er auch dann am Ende des Übertragungszeitraums (31.03. des Folgejahres) entfällt, wenn er wegen Erkrankung nicht genommen werden konnte.
Auch für Arbeitnehmer kann sich die geänderte Rechtsprechung perspektivisch durchaus nachteilig auswirken. Diese müssen vermehrt mit krankheits-, also personenbedingten Kündigungen wegen der durch fortdauernde Krankheit bedingten finanziellen Mehrbelastung des Arbeitgebers rechnen.
Bei der Anpassung der Arbeitsverträge in dem beschriebenen Sinne sollte man sich zur Vermeidung teuerer Fehler ebenso wie bei der Prüfung kündigungsrechtlicher Konsequenzen im Falle längerer Erkrankungen unbedingt professionell durch im Arbeitsrecht spezialisierte Anwälte unterstützen lassen.
Dr. Christina Mitsch ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht in Berlin
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