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Verbundwerkstoff aus Komponenten berechnen

Finite Elemente: Dreidimensionale Werkstoffmodelle
Verbundwerkstoff aus Komponenten berechnen

Immer größere Bedeutung erlangen die Verbundwerkstoffe verschiedenster Materialarten. Durch Kombination lassen sich die Vorteile einzelner Komponenten nützen und „maßgeschneiderte” Werkstoffe kreieren.

Dr. Bernd Mlekusch ist Mitarbeiter der APR GmbH aus Leoben/A

Verbundwerkstoffe zeigen in ihrer Anwendung ein viel komplexeres Verhalten als isotrope Materialien. Durch die Orientierung und Beschaffenheit der Verstärkungspartikel und -stoffe ergeben sich richtungsabhängige Eigenschaften. Eine Berücksichtigung dieser speziellen Eigenschaften ist für die Bauteilauslegung unerlässlich und für reale Geometrien nur mittels der FE-Methode möglich. Nur in Ausnahmefällen sind sämtliche für FEM-Berechnungen notwendigen Kennwerte aus Messungen bekannt. Jede Veränderung des Aufbaus bedingt zudem eine Veränderung der Kennwerte.
Durch die Richtungsabhängigkeit steigt auch die Anzahl der Beschreibungsparameter für das Material. So sind beispielsweise für eine thermoelastische Problemstellung und für die sehr häufig vorzufindende Materialsymmetrie der Orthotropie neun unabhängige elastische Kenngrößen und drei thermische Ausdehnungskoeffizienten notwendig. Sollen diese in Werkstoffprüfungsversuchen bestimmt werden, ist eine gleich große Anzahl von Messungen durchzuführen. Jede Veränderung im Aufbau und in der Orientierung bedingt neuerliche Versuche. Selten sind alle für eine Berechnung notwendigen Kennwerte vorhanden. Die Aussagekraft der FE-Analyse hängt jedoch unmittelbar von der Güte der Eingabedaten ab (GG-Law – „Garbage in, Garbage out”).
Eine Lösung für die Bereitstellung der Kennwerte bieten mikromechanische Modelle. Sie ermöglichen die Bestimmung der Verbundwerte aufgrund der Eigenschaften einzelner Komponenten und in Abhängigkeit von Parametern, welche die Verteilung und Gestalt der Verstärkungsstoffe festlegen.
Das in Micromec umgesetzte Modell ermöglicht die Berechnung vieler dreidimensionaler Werkstoffkennwerte. Diese umfassen die elastischen Kennwerte, die thermischen Ausdehnungen und die Wärmeleitfähigkeiten. Die Software ist ein Produkt der APE GmbH aus Leoben/A und wird von der MSC Software Partner Solutions GmbH, Marburg, vertrieben. Theoretische Grundlage des Modells bildet die Mean-Field-Theorie nach Mori-Tanaka. Als Eingabeparameter werden die Kennwerte der Komponenten, die Faserorientierung und die Gestalt der Partikel benötigt. Bezüglich der Grundkomponeten gelten folgende Voraussetzungen: Die Matrix muss isotrop sein, die Verstärkungsstoffe können isotrop oder transversal-isotrop sein. Die Vorgabe der Faserorientierung sieht folgende Möglichkeiten vor:
– für Langfasern die Eingabe der Orientierungswinkel
– Verwendung elliptischer Verteilungsfunktionen (planar oder räumlich)
– direkte Eingabe eines Orientierungstensors vierter Ordnung
Die Gestalt der Verstärkungspartikel wird über ihr Längen-Durchmesserverhältnis bestimmt, auch die Vorgabe von Längenverteilungen ist möglich. Es lassen sich somit Langfasern, Kurzfasern, Kugeln und plättchenförmige Verstärkungs- und Füllstoffe abbilden. Die Art der Verstärkungsstoffe, ihre Orientierung und Gestalt sind frei miteinander kombinierbar.
Standardmäßig berechnet das Programm die Verbundkennwerte mit der Mean-Field-Theorie, weiterhin ist auch eine Bestimmung der thermoelastischen Eigenschaften mittels dreidimensionaler Laminattheorie möglich. Letztere sollte bei Langfaserverbundstrukturen, zum Beispiel gewickelten Bauteilen, verwendet werden. Das Programm besitzt Funktionen, die das Drehen des Koordinatensystems gestatten. Im Falle von gemessenen Orientierungen ermöglicht es bei Kurzfasern die Bestimmung aller Hauptachsen. Als Ergebnis erhält der Anwender die thermoelastischen Verbundkennwerte sowie die Wärmeleitfähigkeit vollständig dreidimensional: E-Module, Schubmodule und Querkontraktionszahlen, thermische Ausdehnungen und Wärmeleitfähigkeiten in den drei Raumrichtungen. Um die Materialdaten einfach in der FE-Methode nutzen zu können, ist eine direkte Schnittstelle zu MSC.Nastran for Windows (*.lib) vorhanden. Die Ergebnisse können graphisch dargestellt werden. Mit Hilfe von Micromec lassen sich die Kennwerte für Verbundsysteme schnell und einfach berechnen, um in der Folge in FEM-Analysen weitere Verwendung zu finden. Dabei bleibt das Anwendungsgebiet nicht auf bereits existente Systeme beschränkt, auch neuartige Stukturen lassen sich abbilden.
Kurzfaserverstärkte Ventilplatten für Kompressoren sind zum Beispiel hoch statisch und dynamisch belastete Bauteile. Die Herstellung erfolgt im Spritzgussprozess, wobei als Ausgangsprodukt kreisrunde Scheiben erzeugt und nachträglich entsprechende Funktionsschlitze eingefräst werden. Aufgrund der hohen Anforderungen werden ausschließlich kurzfaserverstärkte Thermoplaste verwendet. Die durchgeführten FE-Analysen umfassen die Berechnung der prozessbedingten Eigenspannungen, die sich aufgrund der Anisotropie einstellen, außerdem die daraus resultierenden möglichen Instabilitätsformen und dynamische Impact-Analysen.
Eine genaue Materialkennwertermittlung ist nur mit Mikromechanik möglich. Die Bauteilgeometrie rechtfertigt die Voraussetzung von Symmetrie entlang des Umfangs. Mittels der Erstellung von Schliffen und eines Bildanalysesystems wird an ausgewählten Stellen die Faserorientierung vermessen. In Dickenrichtung erfolgt eine Diskretisierung des Bauteils in acht Schichten. Für jede Schicht werden die thermo-elastischen Kennwerte mit Hilfe der Mikromechanik berechnet. Man erkennt hohe Spannungskonzentrationen im Bereich der Radien. Die Regionen maximaler Spannungen fallen mit Stellen von Riss-Initiierungen zusammen. Damit können bisher nicht zuordenbare Schadensfälle erklärt werden. Wenn zudem die Eigenspannungen ein bestimmtes Niveau überschreiten, tritt eine Instabilitätsform auf. Diese ist an realen Platten zu beobachten und wird durch die FE-Simulation bestätigt.
Industrieanzeiger
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