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Verschwendung beseitigen – mühsam, aber lohnend

Rationalisierungspotenziale in der Montage nutzen
Verschwendung beseitigen – mühsam, aber lohnend

In fünf Jahren hat Festo Tooltechnic die Montageprozesse gestrafft. So gelang es, einen Vorrichtungswechsel von 24 auf 2 min zu verkürzen. Basis ist die Suche nach und das Reduzieren der vorhandenen Verschwendung. Produktionsleiter Thorsten Hartmann berichtet von seinen Erfahrungen.

Dr. Ing. Thorsten Hartmann ist Leiter Produktion und Einkauf bei der Festo Tooltechnic GmbH & Co. in Neidlingen

Die Festo Tooltechnic GmbH & Co., Neidlingen, steht als Hersteller innovativer Elektrowerkzeuge in einem hart umkämpften Markt. Um am Standort Deutschland als mittelständisches Unternehmen zu bestehen, sind effiziente Produktionsstrukturen und -methoden erforderlich. Bei dem gesamten Veränderungsprozess hin zu einer kostengünstigen Fabrik stand die Frage im Mittelpunkt: An welchen Stellen in unserer Fabrik entsteht Wertschöpfung? Nur dort finden Tätigkeiten statt, für die der Kunde bereit ist, auch Geld zu bezahlen. Und das sind nicht viele.
Beim Verschrauben zweier Bauteile mit zwei Schrauben liegt die Wertschöpfung nicht darin, die Schrauben in die Hand zu nehmen und zum Fügeort zu bringen. Die eigentliche Wertschöpfung sind nur jeweils die letzten Umdrehungen dieser zwei Schrauben. Die sorgen für eine feste Verbindung der Teile, und damit liegt eine Veränderung am Produkt vor. Fragt man den Kunden, ob er auch bereit ist, für einen Werkleiter zu bezahlen, wird er sagen: „Nein, wozu eigentlich; ich möchte doch ein Gerät kaufen.“ Man kann also vieles in Frage stellen, wenn man sich wirklich das Thema Wertschöpfung zu Herzen nimmt. Da sie selbst relativ schwierig zu erkennen ist, betrachten wir ihre Kehrseite: die Verschwendung.
Verschwendung sind alle Tätigkeiten, die keinerlei Wertzuwachs beinhalten, aber getan werden müssen – etwa der Transport von Material, das Holen oder Abzählen von Teilen, Aus- und Umpacken, Handhaben, Rüsten, Werkzeugwechsel, Inspektionstätigkeiten, Reparaturen. Ein ganz wichtiger Punkt sind auch schlecht vorbereitete und lange Besprechungen und – was in den meisten Fabriken stark Einzug gehalten hat – Dateneingabe, Datenverwaltung und Buchungstätigkeiten.
In Japan gibt es inzwischen Bemühungen, die Wertschöpfung im engeren Sinne zu messen. Diese führen zu ziemlich frustrierenden Ergebnissen, wenn Werte in der Größenordnung von 1 % herauskommen. Mehr Wertschöpfung existiert gar nicht. Der Rest ist Verschwendung. Allerdings muss zwischen nicht vermeidbarer und vermeidbarer Verschwendung differenziert werden.
Zu der nicht vermeidbaren Verschwendung zählen Dinge wie Transporte. Es ist nicht möglich, alle Teile an einem Punkt bereitzustellen, so dass sich jeder Transport vermeiden ließe.
Einen großen Anteil nimmt aber die vermeidbare Verschwendung ein. Gelingt es, sie zu unterlassen, sind massive Steigerungen der Produktivität möglich, bis hin zur Verdopplung. Es gibt Unternehmen, die ihre Stückmenge pro Mitarbeiter verdreifacht oder verfünffacht haben. Das gelingt nur, wenn man ganz anders an die Dinge herangeht, sich auf Neues einlässt und vor allem das kreative Potenzial der eigenen Mitarbeiter ausschöpft.
Grundsätzlich gibt es sieben Arten der Verschwendung. Diese können als Wegweiser dazu dienen, die eigene Produktion zu verbessern.
Die erste Variante ist die Verschwendung durch Überproduktion – also alles, was sich an Fertigwaren am Lager befindet und alles, was damit zusammenhängt, seien es die Lagerung, Bestandskosten oder Buchungstätigkeiten. Das war bei der Tooltechnic ein wesentlicher Kostentreiber.
Das nächste ist die Verschwendung durch Wartezeit, etwa das Warten auf laufende Maschinen; das Zuschauen, wie die Prozesse laufen sowie Liegezeiten zwischen Prozessschritten. Hier gibt es viele Möglichkeiten, durch Prozessreorganisation Wartezeiten zu vermeiden. Vieles lässt sich dadurch erreichen, dass die Mitarbeiter Maschinenzeiten für andere Tätigkeiten nutzen, etwa durch Beistellmaschinen oder Paralleloperationen. Speziell Reinigungsvorgänge bieten sich dabei an.
Sehr wichtig ist die Verschwendung durch Transport, die sich überall findet. Stellen Sie sich in Ihre Fabrik und schauen Sie, welche Systematik verwendet wird.
Dann gibt es Verschwendung durch den Arbeitsprozess, beispielsweise zu teure Maschinen, die für diesen Prozessschritt überdimensioniert sind. Insbesondere das Thema Rüsten ist ein heißer Kandidat. Rüsten ist die Wurzel allen Übels, wenn es um das Thema Lieferfähigkeit und Liefersicherheit geht.
Ein weiterer Punkt ist die Verschwendung durch hohe Bestände zwischen den Prozessschritten, das heißt all das, was man selbst produziert und an den nächsten Prozessschritt schickt und was man von seinen Lieferanten einkauft.
Der nächste Aspekt ist die Verschwendung durch Bewegung, beispielsweise Greifwege, Laufwege, Teile suchen oder holen, Informationen einholen. Das lässt sich etwa durch kurze Greifwege und Vorrichtungen mit minimalen Abmessungen reduzieren.
Schließlich gibt es die Verschwendung durch Produktionsfehler, die sich in Ausschuss und Nacharbeit zeigen. Wesentlich ist die Konsequenz bei der Fehlerbeseitigung. Letztlich sind null Fehler das Maß aller Dinge. Dies ist leider nicht in allen Köpfen verankert.
Insbesondere die erste Verschwendungsart, nämlich die durch Überproduktion, wird nachfolgend näher beleuchtet. Wenn man diese Form der Verschwendung hat – und es existieren nur wenige Unternehmen, die sie nicht haben – dann liegen auch alle anderen Verschwendungsarten in größerem Umfang vor.
Überproduktion bedeutet, dass man Waren und Dienstleistungen herstellt, für die es im Moment am Markt keinen Bedarf gibt. Man erkennt sie ganz einfach daran, dass es beispielsweise ein Fertigwarenlager gibt. Wenn die Ware darin auch noch verstaubt, liegt auf jeden Fall ein Problem vor. Darüber hinaus erkennen Sie diese Verschwendungsart daran, dass Verschrottungsaktionen zuviel produzierter Teile nötig sind. Alles bedingt dadurch, dass bestimmte Mengen zum falschen Zeitpunkt bestellt und hergestellt wurden.
Die Folgen: Man blockiert Kapazitäten, die viel dringender für andere Teile benötigt werden. Man verbraucht Geld, ohne entsprechende Erlöse zu erhalten sowie Platz und Behälter. Zu hohe Bestände verhindern, dass sich die Produktion weiter optimiert, dass sie flexibler und besser wird. Mit den Beständen können nämlich die gesamten Unzulänglichkeiten verdeckt werden. Senkt man die Bestände radikal – und wir haben die Fertigwarenbestände um 70 % abgebaut – dann finden sich auf einmal sehr viele Abläufe und Prozesse, die nicht in Ordnung sind. Das fängt an bei Maschinen, die nicht so verfügbar sind, wie man sich das vorstellt. Weiter geht es beim Personal, das nicht die entsprechende Qualifikation hat. Es gibt nicht genügend Springer und insgesamt nicht die entsprechende Flexibilität im Personalbereich. Dann werden falsche und zu unflexible Produktions-Einrichtungen sichtbar, und vor allem: Die Rüstzeiten sind zu lang – das werden Sie auf jeden Fall finden. All diese Punkte werden überdeckt, kompensiert und verschleiert, wenn die Bestände ausreichend groß sind.
Um die vorhandenen Verschwendungen anzugehen, ist der schnellste Weg – nicht der einfachste –, die Bestände Stück für Stück zu senken, beispielsweise durch die Vorgabe von Bestandszielen. Und schon liegen alle Probleme und Unzulänglichkeiten auf der Hand. Die wesentlichen Schritte bestehen darin, die Prozesse vor Ort zu beobachten und die Rüstzeiten per SMED-Methode (Single minute exchange of die), bei der internes und externes Rüsten getrennt werden, zu reduzieren. Zudem sollte die Prozesssicherheit per TPM verbessert und eine Verbrauchssteuerung eingeführt werden.
Bei Festo Tooltechnic wurde das Reduzieren von Verschwendung zu einem wesentlichen Gestaltungsmerkmal erhoben. Um dieses Ziel zu erreichen, steht das permanente Verbessern durch eigenständige Workshops und Projekte sowie durch KVP im Vordergrund. Wesentliche Gestaltungsbereiche sind die Mitarbeiter – etwa durch standardisierte Arbeit und Abläufe –, die Maschinen, Vorrichtungen und Einrichtungen, zum Beispiel durch Automatisierung oder Zustandsvisualisierung (Andon), und schließlich das Material und die Materialversorgung etwa durch TQM oder Kanban. Ein Nivellieren der Produktion mit gleichmäßigen, durch ein Fertigwarenlager abgepufferten Bedarfen, wird dazu führen, dass die Verschwendung und Blindleistung in Produktion, Logistik und Administration weiter abnehmen werden.
Wie Sie Verschwendung erkennen
Ist Ihr Kapitalumschlag kleiner als 12? Dann haben Sie alle Verschwendungsarten.
Merkmale der einzelnen Verschwendungsarten:
Überproduktion: Haben Sie ein Fertigwarenlager?
Gibt es ein Verschrottungsbudget?
Verkaufen Sie Produkte zu Sonderpreisen?
Warten: Warten Ihre Mitarbeiter auf die Maschinen?
Überwachen Ihre Mitarbeiter die laufenden Maschinen?
Transport: Haben Sie Gabelstapler und Hubwagen?
Rüsten: Rechnen Sie mit wirtschaftlichen Losgrößen?
Bewegung: Gibt es Mitarbeiter, bei denen Sie nicht sofort erkennen,
was sie gerade tun?
Produktionsfehler: Gibt es Ausschuss und Nacharbeit?
Bestände: Gibt es ein Komponentenlager für Kauf- und
Eigenfertigungsteile?
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