Startseite » Allgemein »

„Viele Lösungen benötigen in Zukunft mehr Nutzenorientierung“

JBA-Geschäftsführer Walter Königseder: Was der ERP-Lösungsanbieter plant
„Viele Lösungen benötigen in Zukunft mehr Nutzenorientierung“

„Viele Lösungen benötigen in Zukunft mehr Nutzenorientierung“
Walter Königseder kennt die IT-Branche aus dem Effeff. Als Geschäftsführer will er jetzt JBA „zu einem wichtigen Lösungslieferanten für den deutschen Mittelstand machen“.
Nach der Übernahme von JBA durch die kanadische Geac soll Deutschland-Chef Walter Königseder den Hersteller unternehmensweiter Software (ERP) hierzulande wieder auf Kurs bringen. Ankurbeln will er das Geschäft nach der Devise: Der Kunde erhält Lösungen aus einem Haus, aber alle Komponenten müssen dort nicht entwickelt sein.

? Was bedeutet die Fusion von JBA mit der kanadischen Geac für die beiden ERP-Lösungen von JBA – für das deutsche Produkt 21 RP und die englische Version 21 DE? Beim Versuch, sie zu synchronisieren, wurde in der Vergangenheit doch einiges falsch gemacht.

! Lassen Sie mich eines richtigstellen. Beide Produkte von JBA sind deutsche Versionen, wobei System 21 RP in Deutschland von der ehemaligen Ratioplan entwickelt wurde, während S 21 DE seinen Ursprung in England hat und in Deutschland lokalisiert wurde. Zu Ihrer Frage: Zu einem sehr frühen Zeitpunkt nach der Übernahme von Ratioplan meinte man, das RP-Produkt durch das JBA-Produkt kurzfristig ersetzen zu können. So etwas funktioniert erfahrungsgemäß nicht innerhalb weniger Monate. Eine sanfte, evolutionäre Migration ist aber gewollt und sicher möglich. Heute gehen wir den Weg der langfristigen, gemeinsamen Entwicklungen, der als ein Ziel die gemeinsame Nutzung von neuen Komponenten oder Modulen hat.
? Das sieht wieder nach Zusammenführung beider Systeme aus.
! Langfristig ja, aber dieser Prozeß wird drei, vielleicht auch fünf Jahre dauern. Auch wird er für unsere Kunden schmerzfrei sein, weil wir die Stärken beider Welten auch zukünftig weiter verwenden. Es wird also eine sanfte Migration geben, ohne Nachteil für den Anwender. Ziel ist es, daß wir für den Kunden aus allen verfügbaren Komponenten optimale Lösungen zusammenstellen können und dabei auf alle werthaltigen Produkte und Erfahrungen innerhalb von JBA zurückgreifen. Das ist unsere Vision.
? Mit Visionen können Sie Ihre Klientel, den Mittelstand, aber nicht für sich gewinnen.
! Was wir in den letzten ein bis zwei Jahren begonnen und noch nicht hundertprozentig umgesetzt haben, ist die Vertikalisierung unseres Lösungsangebotes für den Mittelstand. Dies ist aber schon deshalb nötig, weil erfahrungsgemäß die Einführung genetischer ERP-Produkte aufgrund notwendiger, oft branchenspezifischer Anpassungen teilweise sehr komplex und auch sehr teuer geworden ist. Diese Erkenntnis gilt gerade auch für den Mittelstand, da die Komplexität in keinem Zusammenhang zur Firmengröße steht. Deshalb gilt es, Einzelanpassungen zu reduzieren, indem Erfahrungen, die innerhalb einer Branche gemacht wurden, auch für andere Unternehmen dieser Branche einsetzbar sind. Die Wiederverwendbarkeit von Lösungen und damit eine schnellere, kostengünstigere Implementierung und Verfügbarkeit für unsere Kunden ist eine unserer Kernaufgaben.
? Zukünftige Kaufentscheidungen, gerade im Mittelstand, werden also anders geprägt sein?
! Ja, der Markt sucht Lösungen und nicht Produkte, und er sucht Services oder Partner, die bei Geschäftsproblemen Lösungen mit erarbeiten können, etwa wie Betriebe ihren Beschaffungsteil abhängig vom Kundenauftrag steuern können, ohne dabei den Wettbewerbsvorteil Zeit zu verlieren. Das heißt, die Lieferkette nicht nur innerhalb des Unternehmens, sondern auch außerhalb zu verlängern – und dies so, daß ein Kunde vielleicht sogar auftragsbezogen seine Waren und Güter beschafft und sie trotzdem rechtzeitig erhält. Oder daß der Anwender einer ERP-Lösung seine Lagerhaltung deutlich reduzieren kann, aber nicht, indem er innerhalb der Firma optimiert, sondern die Beschaffung vom Kundenauftrag abhängig macht.
? Muß sich ein Unternehmer dann nicht im Bereich Kundenbeziehungspflege sehr viel stärker engagieren?
! Er wird diese Beziehungen noch sehr viel stärker pflegen müssen als bisher. Dabei kommen auch neue Medien ins Spiel, denn Marktbeziehungen werden in Zukunft verstärkt über das lnternet laufen. Diese neuen Medien werden sehr stark auch im Mittelstand Einzug halten und damit in dessen Arbeitsprozesse eingreifen, was viele Mittelständler heute so noch nicht sehen. So lassen sich mit Einkaufslösungen via Internet bereits heute viele Waren nahezu überall kaufen. Für den, der bis dato keine umfassenden Marktzugänge hatte, weil er von den Ressourcen limitiert war, eröffnen sich plötzlich neue Möglichkeiten.
? Wenn sich das ERP-Thema zunehmend an außengerichteten Geschäftsabläufen orientiert, sind dann die innengerichteten nicht mehr wettbewerbsentscheidend?
„Lösungsintegration ist eine der wichtigsten Aufgaben der Zukunft“
! Mit Einschränkungen. Böse Zungen behaupten, ERP-Systeme werden irgendwann austauschbar. Bis zu einem gewissen Grad mag das stimmen. Die ERP-Lösungen alter Prägung werden zunehmend Backbone-Funktion übernehmen. Die Wertschöpfung wird nicht mehr primär in der Optimierung von internen Standardabläufen sein, sondern durch branchen- und aufgabenbezogene Additive erreicht. Genau darauf zielt der JBA-Lösungsansatz. Auf der Basis von analysierten, abgestimmten Geschäftsprozessen werden wir in unseren Zielbranchen Lösungen erarbeiten und anbieten, die teilweise erheblich über die meisten, heute gängigen Standard-ERP-Produkte hinausgehen.
?Wird dieses Vorgehen nicht bereits praktiziert?
! Leider nur zu einem geringen Teil. Gerade der Mittelstand konnte oder wollte sich teure Business-Process-Reengineering-Projekte, wie sie in großen Unternehmen betrieben werden, nicht leisten. Wenn dies aber nicht qualifiziert stattfindet, kann man gute und damit richtige, aber auch schlechte Gewohnheiten einfach EDV-technisch abbilden. Ungenügende Abläufe werden durch EDV nicht besser, sondern nur schneller. Diese für die Prozeßveränderungen notwendige Beratung wollen wir im Rahmen unseres Lösungsangebots in Zukunft verstärkt mit anbieten. Über die entsprechenden Werkzeuge verfügt JBA zwischenzeitlich auch. Die Implementation der Software darf in Zukunft nicht mehr Ziel, sondern nur noch Meilenstein sein. Wettbewerbsfähige Geschäftsmodelle zu erarbeiten und abzubilden und diese mit geringem Aufwand auch während des Echtbetriebes anpassen zu können, ist die Herausforderung der Zukunft.
? Ihre Serviceangebote in Ehren. Wenn aber die Kosten für Beratung steigen, verteuert dies nicht das Gesamtsystem?
! Nein, aber es wird eine Verlagerung zugunsten einer höheren Wertschöpfung stattfinden. Die Investitionen werden nicht geringer, aber anders eingesetzt. Die Unternehmen verlangen zunehmend von uns klare Einschätzungen dahingehend, was eine Investition wo einbringt. Dabei können ein höherer Umsatz, kürzere Durchlaufzeiten, bessere Kundenbindung, weniger Lagerkosten oder bessere Einkaufsmöglichkeiten Meßkriterien sein. Das werden für uns die künftig die Vergleichsmeßzahlen sein.
?JBA ist in der AS/400-Rechnerwelt von IBM zu Hause. Engt Sie das nicht ein?
! Wenn man nur eine Plattform hat, dann ist das de facto natürlich eine Beschränkung. Von Vorteil wiederum ist aber die starke Fokussierung, weil wir nur eine Version zu pflegen haben und alle Ressourcen darauf konzentrieren können. Eine Änderung könnte sich aber mit Geac anbahnen. Unser neues Mutterhaus ist im Bereich Dienstleistung weltweit stark positioniert in Krankenhäusern, Gastronomie, Versicherungen und Banken. Im Einsatz sind hier auch andere Plattformen und Systeme wie etwa Mainframe oder Windows NT.
? Aber im Fertigungsbereich auf Basis der AS/400 fehlt Ihnen die Anbindung an die Windows-NT-Welt.
! Mit einer kleinen Einschränkung. Seit der Fusion verfügen wir über ein ERP-Paket auf NT-Basis, das Geac in Neuseeland erstellt hat. Dieses Produkt wird jetzt in die Gesamtentwicklung von JBA eingehen. Dadurch wird unser Produktportfolio im englischen Sprachraum kurzfristig um eine NT-Lösung erweitert. Im übrigen ist alles, was wir unter dem Label E-Commerce machen – und da haben wir bereits einige Produkte verfügbar – im wesentlichen NT-basiert.
? Wie hoch schätzen Sie Ihr Anwenderpotential im deutschsprachigen Raum ein?
! Weniger als die Hälfte der mittelständischen Kunden hat eine integrierte Lösung. Das ist ein Teil, wo es sicher neue Möglichkeiten und interessante Alternativen geben wird. Andererseits setzen viele Firmen heute Lösungen ein, die in Zukunft mehr Nutzenorientierung haben müssen. Vielfach sind es noch Insellösungen, an denen alle modernen Architekturen und Technologien vorbeigegangen sind. Diese, wenn möglich, zu integrieren, wird eine Kernaufgabe sein. Lösungsintegration ist wichtig, wenn nicht gar das wichtigste Kernelement der Zukunft.
Von unserem Redaktionsmitglied Dietmar Kieser
JBA und Geac: Große Allianz
JBA zählt sich international zu den führenden Anbietern betriebswirtschaftlicher Standardsoftware (ERP) für den Mittelstand. Das 1981 in Großbritannien gegründete Unternehmen ist durch die Übernahme von Ratioplan seit 1995 auf dem deutschen Markt aktiv. Von Villingen-Schwenningen aus werden auch Kunden in Österreich und der Schweiz bedient.
Die Integration von JBA und dem AS/400-Softwarehaus Ratioplan kaum verdaut, steht dem Lösungsanbieter, der das Gros seines Geschäftes mit mittelständischen Industriekunden tätigt, eine neue Herausforderung ins Haus. Seit diesem Herbst gehört der britische ERP-Anbieter zur kanadischen Geac Computer Corp. Ltd. Die aktuellen Eckdaten: 30 000 Kunden, 6000 Mitarbeiter, nach eigenem Bekunden viertgrößter Anbieter von Software für Unternehmenslösungen. JBA repräsentiert als selbständiger Bereich das ERP-Geschäft von Geac. Die eigenen Produkte werden weiterhin entwickelt und vertrieben.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de