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Virtuelle Welt ist für kleine Betriebe zugänglich

Stuttgarter Simulations-Spezialisten treten als Dienstleister auf
Virtuelle Welt ist für kleine Betriebe zugänglich

Virtual Reality (VR) bringt Zeit- und Qualitätsgewinne, weil aufwendige Prototypen entfallen und Fehler frühzeitig entdeckt werden. Stuttgarts Forscher und Anwender stehen weltweit an der Spitze der Entwicklung, und davon profitiert nun auch der Mittelstand.

Gabriele Visintin ist Journalistin in der Region Stuttgart

Auf der Projektionsleinwand schwebt ein komplexes Bauteil. Gespannt beobachtet eine Gruppe von Konstrukteuren, Ingenieuren und Fertigungsverantwortlichen, wie flüssiger Kunststoff in die Form fließt. Für die Entwicklung eines neuen Bauteils nutzt ihr Betrieb die Technologie der virtuellen Visualisierung.
Extra für den Mittelstand haben Spezialisten der Vircinity GmbH aus Stuttgart – einem Spin-off-Unternehmen der Universität – ein entsprechendes VR-Gesamtpaket entwickelt. Es steht heute bereits ab 140 000 Euro zur Verfügung und ermöglicht es auch kleineren Unternehmen, von den Erfahrungen der VR-Experten zu profitieren, die diese beim Einsatz ihrer Software bei Automobil- oder Airbusherstellern machten.
Durch 3D-Brillen richten die am VR-Projekt Beteiligten ihren Blick auf eine Spezialdiffusionsscheibe. Dort erzeugen zwei DLP-Projektoren – Bestandteil der transportablen VR-Komplettlösung Cykloop – mit Hilfe von Weitwinkelobjektiven das virtuelle Bild der Konstruktion. Weil im Hintergrund die VR-Software Covise die entsprechenden Daten berechnet, visualisiert und simuliert, entsteht auf der Wand der Eindruck einer „greifbaren“ Wirklichkeit. Ein Präzisions-Trackingsystem, das auf Basis eines elektromagnetischen Feldes die Blickposition des Beobachters erkennt und diese Information an Covise zurückmeldet, passt das virtuelle Bild der Blickrichtung des Beobachters an.
Die Vorteile eines solchen Systems sind offensichtlich: Ohne zuerst einen Prototypen herstellen zu müssen, können die Entwickler das Ergebnis ihrer Arbeit realitätsnah begutachten. Sie sehen zum Beispiel bei der Simulation des Spritzvorgangs sofort, an welche Stellen der flüssige Kunststoff schlecht gelangt. In einer gemeinsamen Diskussion lassen sich dann die optimalen Lösungen erarbeiten.
„Die virtuelle Realität kommt der menschlichen Wahrnehmung entgegen und trägt so wesentlich zur Verbesserung der Kommunikation zwischen den Entwicklern bei“, betont Vircinity-Geschäftsführer Andreas Wierse einen wichtigen Effekt. Damit werden die Ergebnisse einzelner Fachdisziplinen – etwa der Konstruktionsschnitt durch ein Bauteil oder die Zahlenkolonnen für einen Strömungsverlauf – nicht nur für den geschulten Fachmann oder Simulationsspezialisten interpretierbar, sondern auch für den Praktiker, erläutert der VR-Spezialist. Als weiteren Vorteil führt er an, dass eine Neu-Konstruktion bereits in einer sehr frühen Phase virtuell erzeugt und diskutiert werden kann. „Je früher ein Fehler entdeckt wird, um so mehr Folgekosten können vermieden werden“, so Wierse.
In die Augen springt der Gewinn durch VR-Technologie, wenn ein Prototyp in seiner Gesamtheit ersetzt wird: Bis zu 750 000 Euro werden für den Bau eines realen Prototypen eines Automobils veranschlagt, allein ein Armaturenbrett kostet 50 000 Euro. Ein VR-Modell hingegen ist für einen Bruchteil solcher Preise zu haben.
Kein Wunder, dass sich die Autoindustrie unter den ersten befand, die VR-Lösungen einsetzte und sich schon vor Jahren für die Arbeit der Stuttgarter VR-Spezialisten interessierte. An der Universität der baden-württembergischen Landeshauptstadt und den in der Nachbarschaft ansässigen Fraunhofer-Instituten wurde vor zwanzig Jahren die Visualisierung von hochkomplexen Wirkungszusammenhängen zu einem Ziel der Forschungsaktivitäten.
Bereits 1993 hatte das Rechenzentrum der Universität Stuttgart damit begonnen, eine Softwarelösung für das Collaborative Engineering von Flugzeug-Komponenten an verteilten Standorten zu entwickeln. Dr. Ulrich Lang, Leiter der Visualisierungsabteilung des Hochleistungs-Rechenzentrums Stuttgart (HLRS) erinnert sich: „Dafür gab es damals noch keine Lösung am Markt.“ Inspiriert von einem NASA-Projekt, das mit VR experimentierte, erweiterte das Team um Ulrich Lang bald darauf seine modulare Softwarelösung „Collaborative Visualization and Simula-tion Environment“ (Covise) um die Komponente der VR-Visualisierung.
Der Zuspruch aus dem eigenen Haus kam prompt. Heute nutzen viele Fakultäten das VR-Know-how der Stuttgarter – von den Anwender-Pionieren aus dem Institut für Hydraulik und Strömungsmechanik bis zu den Architekten und Maschinenbauern und seit kurzem auch die Ingenieure aus der chemischen Verfahrenstechnik.
Ausgestattet mit hochleistungsfähigen Supercomputern, deren Kapazitäten seit einigen Jahren auch Unternehmen wie die Stuttgarter Daimler-Chrysler AG und die Zuffenhausener Porsche AG für ihre Entwicklung nutzen, wandelte sich die universitäre Rechnerabteilung zum Zentrum für VR-Visualisierung und Simulation. Im vierseitigen Cave des HLRS ist es heute möglich, mit der Projektionsbrille auf der Nase, Straßenschluchten zu durchwandern und Crash-Tests zu fahren. Hier forscht Ulrich Langs Abteilung auch an der Frage, wie in der dreidimensionalen Benutzerwelt die Interaktion am besten zu gestalten ist: „Die VR-Technologie steht ganz am Anfang – ähnlich wie beim PC ist die Benutzerfreundlichkeit ein wichtiges Erfolgskriterium.“
Obwohl der Markt für VR-Visualisierung und Simulation gerade erst Fuß fasst, wächst das Interesse von Tag zu Tag – gerade auch bei größeren mittelständischen Betrieben, die sich der Entwicklungsgeschwindigkeit ihrer Kunden anpassen wollen oder müssen. So arbeiten etwa die Esslinger Festo AG & Co. oder der französische Automobilzulieferer Faurecia inzwischen mit der VR-Software Covise. Im kürzlich abgeschlossenen EU-Projekt Enscube hat die Stuttgarter VR-Lösung darüber hinaus ihre alte Stärke im Collaborative Engineering (CE) bewiesen. Das CE-Modul von Covise macht es möglich, zeitgleich an verschiedenen Orten virtuell visualisierte Planungen und deren Verhalten zu betrachten und zu bewerten. Diese Funktionalität kann derzeit nur Vircinity bieten. Der norwegische Öl- und Gaskonzern Norsk Hydro ist einer der ersten Anwender, der die Lösung im produktiven Einsatz hat.
Gebündelte Kompetenz in der Region Stuttgart
„Die Virual Reality-Kompetenz in der Stuttgarter Region ist weltweit einzigartig“, betont Vircinity-Geschäftsführer Martin Zimmermann und verweist auf das Know-how im eigenen Haus und im HLRS, wie auch im Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) sowie bei den Industrieunternehmen Daimler-Chrysler, Porsche oder Festo. Martin Zimmermann war es auch, der im vergangenen Jahr die Initiative ergriff und die Gründung eines regionalen Kompetenznetzwerkes anregte. Unter dem thematischen Dach der digitalen Produktentwicklung sollen darin alle Know-how-Träger für den Virtual-Reality- und Simulationseinsatz in Verbindung mit den klassischen Softwaretools wie CAD, CAM und CAE zusammengefasst werden. Eingebunden in die Initiative Regionale Kompetenz- und Innovationszentren wird die revolutionäre Technologie jetzt in einem Demo- und Dienstleistungszentrum einer breiten Anwenderschicht kleiner und mittlerer Unternehmen – vom Maschinenbauer bis zum Kfz-Zulieferer – zugänglich gemacht (siehe Kasten S. 81).
Kompetenzzentrum: Virtual Reality für den Mittelstand
Je stärker Zulieferer in die Produktentwicklung eingebunden werden, um so mehr stehen auch mittelständische Betriebe vor der Herausforderung, sich der Virtual Reality Technologie zuzuwenden. Im Kompetenzzentrum Virtuelle Realität (VR) und Kooperatives Engineering der Region Stuttgart (ViRCE) haben sich Hersteller und Anwender der VR-Technologie zusammengeschlossen, um ihre Kompetenz den kleinen und mittleren Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Unter anderem werden folgende Dienstleistungen angeboten:
– Betrieb eines Demo- und Dienstleistungs-Centers in Fellbach mit Kommunikationsräumen für Collaborative-Engineering-Treffen
– Vermietung der VR-Komplettlösung Cykloop (Soft- und Hardware)
– Vermietung der VR-Lösung für das Collaborative Engineering
– Berechnungsdienstleistungen für CAE/FEM
– Internetbasiertes Kommunikations- und Wissensportal
– Modellierungsdienstleistung für Animationen
– Konzeption und Durchführung von Marketing-Aktivitäten – Cykloop eignet sich auch, um Messeauftritte optimal zu gestalten, indem Maschinen oder Komponenten visualisiert und simuliert werden
Weitere Informationen unter www.rekiz.de
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