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Von Minenräumern und Melkrobotern

Servicerobotern gehört die Zukunft
Von Minenräumern und Melkrobotern

Insider sind sich einig: Der Servicerobotik stehen goldene Zeiten ins Haus. Viele Unternehmen und Institute weltweit haben das Potenzial des Roboters als Helfer des Menschen erkannt und arbeiten intensiv an alltagstauglichen Lösungen.

Zu den Unternehmen zählen große Konzerne ebenso wie Startups und klassische Hersteller von Industrierobotern, Elektronik und Automationskomponenten. Henrik A. Schunk, Geschäftsführender Gesellschafter der Schunk GmbH & Co. KG geht davon aus, dass sich in den kommenden zehn Jahren ein Markt mit Millionenumsätzen entwickeln wird.

Die Servicerobotik wird in verschiedenen Bereichen vorangetrieben. Das Spektrum reicht vom Minenräumer über den Melkroboter und der vollautomatischen Poolreinigung bis hin zur Unterhaltungsmaschine und dem Pflegehelfer. Während im asiatischen Raum die Freizeitindustrie eine große Rolle spielt, zeigen in den USA die Rüstungsindustrie, die Landwirtschaft und die Konsumgüterindustrie großes Interesse. In Europa wird vor allem in den Bereichen Lebensführung, Logistik und Laborautomation geforscht.
Die Zeiten sind vorbei, in denen die Servicerobotik sich ausschließlich im Bereich der universitätren Forschung abgespielt hat. So vermarktet beispielsweise die Polysius AG ein vollautomatisches Laborautomationssystem zur Qualitätssicherung im Zementherstellungsprozess. Die Audi AG forscht intensiv an Servicerobotern für die Teilekommissionierung in der Automobilindustrie. Die Harris Corp. nutzt Serviceroboter zur Bombenentschärfung und die Infineon Technologies AG überwacht mit Hilfe von Servicerobotern die Luftqualität in Reinräumen.
Dabei sind prominente Kenner der Servicerobotik-Szene durchaus selbstkritisch, denn obgleich die Technik an vielen Stellen bereits ausgereift sind, steckt die Servicerobotik in punkto Markterschließung noch in den Kinderschuhen. Zu häufig, so Professor Dr. Henrik Christensen, Inhaber des Robotiklehrstuhls „Kuka Chair of Robotics“ an der Technischen Hochschule Georgia Tech in Atlanta, sei bei bisherigen Entwicklungen der Markt ignoriert worden. Lösungen seien zwar technisch ausgereift, für reelle Anwendungen jedoch schlicht zu teuer.
Er plädiert daher für einen Wechsel von der technikgetriebenen Forschung hin zu markt- und preisorientierten Entwicklungen. Wenn Kostendimensionen eingehalten würden, so Christensen, könnten Serviceroboter ihre Märkte umfassend erschließen. Für Haushaltsroboter seien 200 bis 300 US-Dollar realistisch, im Gesundheitswesen liege die Kostengrenze bei rund 10000 US-Dollar. Ebenso wichtig seien anwender- und verbraucherorientierte Schnittstellen, über die sich die Roboter auch von Robotik-Laien bedienen ließen. Zudem empfiehlt der Professor, Serviceroboter gezielt für spezielle Anwendungen zu konstruieren. So müsse im Gesundheitswesen der Fokus eher auf Manipulation und Navigation gelegt werden, in der Logistik hingegen seien Zykluszeiten unter 6 s sowie robuste und flexible Greifer wichtig.
Aktuelle Anwendungsbeispiele zeigen, dass gerade standardisierte Plattformen und Komponenten ideale Voraussetzungen bieten, um wirtschaftlich und qualitativ ausgereifte Lösungen zu entwickeln. Das gilt für Leichtbauarme oder flexibel einsetzbare Greifer ebenso wie für mobile Plattformen oder Steuerungen. So bietet das Unternehmen Schunk, Kompetenzführer für Spanntechnik und Greifsysteme, einen modularen Baukasten für verschiedene Anwendungen in der Servicerobotik. Von der industrietauglichen Greifhand bis zum modulare Leichtbauarm umfasst der Systembaukasten zahlreiche Komponenten, aus denen sich geschickte Manipulatoren konstruieren lassen. Die MetraLabs GmbH aus Ilmenau hingegen hat sich auf mobile Plattformen spezialisiert, die in Betrieben frei und ohne Kollision navigieren können. Sie eignen sich für die Intralogistik ebenso wie für die Messung der Kontamination in Reinräumen.
Auch bei den Steuerung tut sich viel: So hat die Keba AG aus Linz eine nutzerfreundliche Steuerung für Leichtbauarme entwickelt, mit der sich der Aufwand für die Programmierung von Leichtbauarmen von mehreren Wochen auf einen halben Tag reduziert. „Auch wenn die Steuerung bisher noch nicht von Laien bedient werden kann, haben wir trotzdem 30 Prozent des Weges zum Ziel hinter uns“, so Dr. Michael Garstenauer von Keba. Aktuell arbeitet das Unternehmen an einer intuitiven Steuerung mit dem Namen „Direct Move“. Statt Tasten und Koordinatensystem zeigt der Bediener mit einer Art Fernsteuerung nur noch Richtung und Orientierung der Armbewegung an. Auch das Fraunhofer IPA arbeitet an anwenderfreundlichen Softwarelösungen. Für die Hardware-Plattform Care-O-bot 3 entwickelte das Institut einen offenen Hardwaretreiber für den Leichtbauarm LWA-3 von Schunk. Der Treiber ersetzt die dabei die aufwendige Modellierung einer kolissionsfreien Armbewegung. Zudem lassen sich die Bewegungsabläufe simulieren, so dass Entwicklungen und Tests auch ohne reale Hardware möglich sind.
Künfig sollen verbindliche Industriestandards den Marktzugang für Serviceroboter erleichtern. Eine erste Grundlage liefert bereits die Sicherheitsnorm DIN ISO EN 10218-1 für Roboter, in der Standards für eine Mensch-Roboter-Kooperation im industriellen Umfeld definiert wurden. Hierzu zählt beispielsweise, wie schnell sich Baugruppen bewegen dürfen und wie sie gegen unbeabsichtigtes Bewegen abgesichert sein müssen.
Dass sich nicht nur Serviceroboter dem Menschen anpassen müssen, sondern auch der Mensch sein Verhalten ändert, wenn Serviceroboter eingesetzt werden, zeigen aktuelle Forschungen aus Großbritannien. Prof. Kerstin Dautenhahn von der Universität Herfordshire untersucht in einem „Robot-House“, wie sich Roboter im häuslichen Umfeld einsetzen lassen. Dabei hat sich gezeigt, dass Menschen keineswegs naiv agieren, sondern sich an den Roboter und dessen Eigenarten anpassen. Von ähnlichen Ergebnissen berichtet Prof. Paolo Dario von der Scuola Superiore Sant’Anna in Pisa. In Feldversuchen setzt er Serviceroboter bereits in der italienischen Kleinstadt Peccioli ein, wo autonomen Roboter zur Müllentsorgung und zur Straßenreinigung genutzt werden.
Experten gehen davon aus, dass sich mit einem Boom der Servicerobotik auch neue Betätigungsfelder entwickeln werden. So sieht Prof. Alois Knoll von der Technischen Universität München in der Servicerobotik ein großes Potenzial für Systemintegratoren. Spezialisiert auf einzelne Anwendungsgebiete, könnten sie künftig die Lücke zwischen Herstellern und Anwendern schließen. Seiner Ansicht nach steckt gerade in der Systemintegration ein großer Teil der Wertschöpfung.
Ein weiteres Betatigungsfeld hat Dr. Amos Albert von der Robert Bosch GmbH identifiziert. Seiner Ansicht nach wird es in Zukunft immer mehr teilautonome Serviceroboter geben. Fehlt ihnen eine eigene Lösungsstrategie, können sie von einem zentralen Support unterstützt werden. So genannte „Click-Worker“ ließen sich ähnlich einem Call-Center organisieren. Sie schalten sich bei Bedarf auf den Roboter auf, lösen das Problem und entlassen den Roboter anschließend wieder in seine Autonomie. Noch weiter geht ein Konzept von Dr. Markus Waibel von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Er forscht an einem zentralen Wissensspeicher, in dem unzählige Daten, Modelle, Anwendungen und Programme hinterlegt sind, die Roboter bei Bedarf selbständig abrufen können. Der Gedanke dahinter ist einfach: Alle angeschlossenen Roboter, Entwickler und Systemintegratoren nutzen gemeinsam einen Pool mit erfolgreichen Lösungsstrategien und pflegen ihrerseits selbst entwickelte Strategien in das System ein.
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