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Vor der Beraterauswahl selbst klar Schiff machen

Headhunter: Tipps fürs Rekrutieren eines Personalvermittlers
Vor der Beraterauswahl selbst klar Schiff machen

Nicht alle Headhunter und Personalberater suchen mit fundierten Methoden Personal. Dabei ist ihr Preis oft so stolz, wie der einer C-Klasse-Limousine von Mercedes. Unternehmen sollten den künftigen Berater also gründlich checken.

Der Bewerbermarkt für Ingenieure ist mager. Den Unternehmen fehlen zunehmend Fach- und Führungskräfte. Das bedeutet Hochkonjunktur für Headhunter und Personalberater. Sie sollen den Markt abgrasen: bei der Konkurrenz, an Hochschulen oder im freien Markt. Laut Bundesverband Deutscher Unternehmensberater e.V. (BDU) gibt es in Deutschland circa 1885 Personalberatungsfirmen mit 4700 Beratern. Sie strichen 2006 knapp 58 000 Suchaufträge ein. Und das für gutes Geld: Firmen wie Kienbaum verlangen im Schnitt 30 % vom Jahreseinkommen des neuen Mitarbeiters. Bei etwa 60 000 Euro Gehalt beträgt der Preis 18 000 Euro. Kleinere Anbieter nehmen um die 15 %.

Berater kommen zum Zug, weil Firmen sich unter anderem nicht zutrauen, Personal auszusuchen. Es sind eben Fachleute gefragt, da Fehlgriffe teuer sind. Doch viele Berater versprechen, was sie nicht leisten, weiß Hubert Kern, Headhunter und Inhaber von drei Maschinenbaufirmen mit Sitz in Schaafheim. „Es geht in diesem Geschäft vor allem um eins: Umsätze steigern“, so der Experte.
Tatsächlich fällt es Beratern schwer, über ihre Suchstrategien zu sprechen, wie Umfragen ergaben. Sie verweisen meist auf ihre Referenzlisten und Kontakte. „Doch was sagen die schon aus?“, meint Markus Leitloff, Leiter der Personalentwicklung sowie Aus- und Weiterbildung bei der EO.N Westfalen Weser AG in Herford. Da könnte jemand auch lediglich in einer kleinen Siemensfabrik ein Miniprojekt gemacht haben.
Negativ fällt Leitloff auch auf, dass viele Anbieter ihre Auswahl rein auf ihre Menschenkenntnis stützen. Persönlichkeits-, Potenzial- und Leistungstests sowie psychologisch fundiertes Knowhow machen bei den Beratern noch nicht die große Runde, weiß Georg Kraus, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner. Er arbeitet im Rahmen von Change-Management-Projekten mit Headhuntern. Und Michael Heidelberger, Vorstandsmitglied des Fachverbandes Personalberatung des BDU, berichtet, dass meist nur große internationale Beratungsfirmen Eignungsdiagnostik einsetzen; allerdings oft als eigene Produktlinie, mit Schnittstellen zur Personalauswahl. Den Gründer der Personalberatung people + brand agency und ehemaligen Geschäftsführer von Deininger, Frank Höselbarth, wundert das alles nicht: „Headhunter sind auf Direktsuche und Ansprache von High Potentials spezialisiert.“ Vertieftes Methodenwissen sei nicht ihre Kernkompetenz.
Georg Kraus und Markus Leitloff sehen das anders. Der Kunde zahle hohe Preise, also dürfe er auf eine qualifizierte Vorauswahl pochen. Außerdem habe sich die Personaldiagnostik enorm entwickelt. Standardisierte Methoden und Verfahren seien in großen und teilweise mittleren Firmen immerhin Kernkompetenz von Personalern.
Berater argumentieren oft, dass Kandidaten sich nicht checken lassen würden. Man könne schon froh sein, wenn sich interessierte Fachkräfte finden. Jan Kuhnert, Geschäftsführender Gesellschafter der Loquenz Unternehmensberatung GmbH aus Leinfelden-Echterdingen, interessiert das nicht. Sein Unternehmen begleitet Firmen unter anderem bei der Personalauswahl, und arbeitet daher mit Headhuntern. Er evaluiere bei jedem Kandidaten dessen Managementpotenzial, führe aufgabenbezogene Interviews und Assessment Centers durch.
Eine fundierte Personalauswahl ist also doch möglich. Bevor es aber soweit ist, sollten Unternehmen erstmal bei sich aufräumen. Uwe Fenner, selbständiger Headhunter mit 25 Jahren Berufserfahrung, berichtet: „Das ist der Idealfall, wenn man eine vollständige Mappe bekommt, mit Produktpalette, Organigramm, Stellenplänen und Zusatzinfos.“ Es sei aber nicht der Job eines Beraters, Stellenbeschreibungen aufzusetzen, mahnt Jan Kuhnert. Dieser könne den Kunden nur bedingt analysieren, und auch nicht sagen, wie sich der neue Mitarbeiter später entwickeln soll. Ist das doch einmal der Fall, und Unternehmens- und Personalberatung mischen sich, sei Vorsicht geboten, so Georg Kraus: „Die schauen sich um, wen sie vermitteln können und werben Leute ab.“
Der Kunde muss also wissen, wen er will und realistisch bleiben, meint Hubert Kern. Er erlebe, dass viele Arbeitgeber „eierlegende Wollmilchsäue oder Lückenbüßer“ suchen. Sie müssten lernen, Abstriche zu machen. Jan Kuhnert rät, sie sollten lieber klären, ob sie zum Beispiel eine Integrationsfigur oder einen Alleingänger suchen. Muss dieser zudem ein weltweit verstreutes Team führen oder ein kleines vor Ort? Das beeinflusse die sozialen und fachlichen Suchkriterien.
Hubert Kern hebt zudem einen oft vergessenen Punkt hervor: „Neulich klappte ein Auftrag nicht, weil sich ein langjähriger Mitarbeiter gegen den neuen Vorgesetzten sperrte.“ Die Firma solle besser vorher klären, wie die Belegschaft zur Suche steht und analysieren, wie sie reagieren könnte.
Hat die Firma klar Schiff gemacht, hat sie auch eine gute Ausgangsbasis, um schnell voranzukommen, so Jan Kuhnert: „Wir zum Beispiel geben den Beratern klar definierte Eignungskriterien vor und sagen ihnen, was davon mindestens und maximal erfüllt sein soll. Sie müssen dann schriftlich runterdeklinieren, wie die Kandidaten unseren Vorgaben entsprechen“.
Markus Leitloff empfiehlt, Fachleute und die Geschäftsleitung mit dem Berater sprechen zu lassen, da sie bessere Fachkompetenz und Branchenkenntnis als die Personaler hätten. Beides hätte eine Schlüsselfunktion. Jan Kuhnert meint, „es kommt auf die Kompetenz des Beraters an, da nützt kein noch so toller Firmenname. Und er muss intensiv vernetzt sein.“ Kunden sollten etwa fragen, ob er bei Genossenschaften und Verbänden Mitglied ist. Ein Branchenplausch zeige schnell, wie tief jemand in der Materie sei.
Wenige Hoffnungen macht Kuhnert allerdings für die Prüfung des Arbeitsstils: Ob ein Berater Personen der zweiten und dritten Riege als Topleute vorschlägt, sei kaum nachvollziehbar. Auch nicht, ob er falsche Gesprächsprotokolle schreibt. Jedoch zeigten diese, wie strukturiert er vorgeht, und ob er zwecks Kandidatenvergleich mit Standardfragen arbeitet. Kuhnert rät Firmen, dem Berater selbst welche zu geben. Und sie sollten sich vor der Zusammenarbeit von verschiedenen Anbietern anonymisierte Kandidatenprofile zukommen lassen, um zu checken, welche am meisten aussagekräftig und detailliert sind.
Personalauswahl via Berater ist also kein Weg, um Arbeit abzugeben und ruckzuck an Fachkräfte zu kommen. So ein Prozess dauert im Schnitt drei Monate, so Kuhnert. Aber auch nur, wenn die Firma weiß, was sie will und das Heft in der Hand behält.
Stefanie Heine Journalistin in Wien
Menschenkenntnis versus Methodisches Know-how
Unternehmer muss Heft in der Hand behalten

CHECKLISTE
Der Arbeitskreis Assessment Center e.V. hat eine Checkliste für die Beraterwahl erarbeitet. Markus Leitloff, Mitverfasser und Leiter der Personalentwicklung sowie Aus- und Weiterbildung der E.ON Westfalen Weser, empfiehlt diese Fragen:
  • War der Berater Fachkraft in dem Gebiet, für das er Personal vermittelt?
  • Wie ausführlich thematisiert und analysiert er Probleme bei der Suche? Wie kritisch schätzt er den Markt ein? Oder gibt er schnelle Antworten?
  • Wo sieht er Grenzen an sich und dem Auftrag?
  • Wie bereitet er den Auftrag nach? Verlängert er ihn bei Misserfolg zu günstigeren Konditionen?
  • Bietet er messbare Kriterien für die Erfolgsüberprüfung?
  • Wie legt er Aufwand und Kosten offen? Enthält sein Angebot Allgemeinplätze? Sind alle Posten nachvollziehbar?
  • Welche Netzwerke und Datenbanken nutzt er?
  • Passt die Beraterphilosophie zu der des Unternehmens?
  • Wie detailliert beschreibt er seine Suchstrategien? Welche Potenzialmessinstrumente und Interviewtechniken setzt er ein?
  • Welche Persönlichkeitsmodelle legt er der Suche zugrunde?
  • Weist er auf entwicklungsfähige Personen hin und bietet Lösungen, wie etwa zum Entwicklungsprogramme?

  • kosteneffizienz
    Damit ein Headhunter das Geld wert ist, das er für seine Jagd nach qualifizierten Spitzenkräften verlangt, sollte der Auftraggeber ihm genau auf die Finger schauen: Verlässt der Berater sich nur auf seine Menschenkenntnis, oder enthält seine Suchstrategie auch eine qualifizierte Vorauswahl? Um bei der Personalsuche schnell voranzukommen, sollte der Unternehmer die Voraussetzungen dafür schaffen. Sprich: der Kunde muss wissen, wen er will und realistisch bleiben.
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