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Vor der Übernahme müssen die Chefs zum Manager-Tüv

Management-Audit: Externe Berater beurteilen die Bosse
Vor der Übernahme müssen die Chefs zum Manager-Tüv

Bei Weichenstellungen im Unternehmen gehört auch das Management auf den Prüfstand, raten Experten. Mittelständler und Konzerne profitieren gleichermaßen von Management-Audits.

Brigitte Thurn ist Journalistin in Köln

Das Management eines Unternehmens ist ebenso wertvoll wie ein Produkt oder eine Geschäftsidee. Aus der Sicht von Kapitalgebern oder der Konzernmutter ist es sinvoll, von externen Beratern überprüfen zu lassen, ob die Führungskräfte den Herausforderungen gewachsen sind. Die Börsengänge von High-Tech-Firmen machen eines ganz deutlich: Der Wert eines Unternehmens liegt in seiner Perspektive und nicht in den augenblicklichen Erträgen – und dazu gehört ein entsprechendes Management.
Objektive Kriterien helfen bei der Nachfolger-Wahl
Eine Methode, um die richtigen Leute zu finden, heißt Management-Audit. Sie liefert nach Angaben der Anbieter eine entscheidungsorientierte Analyse, die aufzeigt, über welche Potenziale die Führungskräfte verfügen. Das Verfahren stellt damit möglichst objektive Kriterien bereit, um Funktionen im Unternehmen möglichst ideal zu besetzen. Das Vorgehen der Anbieter umfasst mehrere Schritte: Die Consultants informieren sich zuerst über die Unternehmensziele, dann definieren sie gemeinsam mit der Unternehmensleitung die Anforderungsprofile für die Top-Positionen. Zuletzt kommen standardisierte Interviews mit den Managern und das Feedback für Kandidat und Auftraggeber.
„Ein Unternehmen möchte wissen, wie jemand führt“, erläutert Thomas Kell, Partner der Unternehmensberatung Heidrick & Struggles International Inc. in München: „Ist der Manager partizipativ? Schafft er es, das Team zu Resultaten zu motivieren?“ Mit solchen Fragen sei die hauseigene Personalabteilung häufig überfordert. „Um ein objektives Urteil über das Führungsverhalten fällen zu können, ist eine systematische Vorgehensweise unabdingbar“, meint Experte Kell.
Bei großen Unternehmen liegt es schon länger im Trend, die Top-Mannschaft zu beurteilen. Nach einer Fusion muss möglichst rasch die Entscheidung darüber fallen, welche Manager auf welcher Position an Bord bleiben sollen. Bevor man Millionenbeträge in den Kauf eines Unternehmens steckt, ist es ratsam, nicht nur die Marktposition und die Produkte im Auge zu haben, sondern auch einen kritischen Blick auf das Humankapital der Neuerwerbung zu werfen. Eben diese Mergers & Acquisitions sind die zur Zeit häufigsten Anlässe für ein Management-Audit – bei Heidrick & Struggles beispielsweise machen sie etwa 60 % der Fälle aus.
Da der Test bei allen wichtigen Weichenstellungen nützlich sein kann, profitieren zudem auch Mittelständler von der Dienstleistung der Externen. „Ein Management-Audit ist ein Diagnose-Instrument bei allen gravierenden Veränderungen im Unternehmen“, erklärt Axel Motlik, Managing Vice President bei der Personalberatung Korn/Ferry International GmbH in Frankfurt. Einsatzmöglichkeiten sind beispielsweise der Wechsel an der Spitze, Reorganisationen oder veränderte Marktverhältnisse, Privatisierungen, Standortverlagerungen, Outsourcing oder Internationalisierung.
Auch bei Nachfolgeregelungen macht ein Management-Audit Sinn. Laut einer Studie des Bonner Instituts für Mittelstandsforschung werden in den nächsten zehn Jahren etwa 700 000 Firmenchefs vor der Frage stehen, wem sie ihr Lebenswerk anvertrauen sollen. Wenn Tochter oder Sohn nicht schon als zukünftiger Chef etabliert sind, wird im weiteren Familienumfeld, schließlich extern nach einem Nachfolger gesucht. Doch die Lösung allein mit Bordmitteln hat häufig Nachteile. Eine notwendige objektive Analyse der Kompetenzen der verschiedenen Interessenten unterbleibt, wenn sich unterschiedliche Fraktionen bilden, die den jeweiligen Kandidaten ihrer Wahl durchsetzen wollen. Die unterschiedlichen Interessen führen oftmals dazu, dass sich die Entscheidung verzögert oder ein Kompromisskandidat berufen wird. Neutrale Berater dagegen bieten schnelle und objektive Entscheidungshilfe.
Entgegen der landläufigen Meinung dient ein Management-Audit keineswegs nur dazu, die Spreu vom Weizen zu trennen: Das Verfahren hilft, wenn es darum geht, Zukunftspotenziale aufzudecken.
Ein Beispiel: Bei der Didier-Werke AG in Wiesbaden sollte die bisher regionale auf eine branchenspezifische Vertriebsstruktur umgestellt werden. „Es mussten neue Positionen besetzt werden“, erläutert Personalleiter Udo Hüls. „In einem Fall war die Personalentscheidung schon gefallen, aber wir wollten wissen, welche Weiterbildungsmaßnahmen wir den Managern anbieten sollten. Im zweiten Fall ging es darum, eine interne Auswahl unter sechs Kandidaten zu treffen.“ Hüls ist von Haus aus Psychologe und mit den Methoden des Testverfahrens vertraut: „Ich sehe das Audit nicht als reines Auswahlverfahren nach dem Schwarz-Weiß-Prinzip, sondern als Methode, die es ermöglicht, differenziert zu beurteilen.“ Für den Personalleiter des mittelständischen Herstellers von Feuerfestprodukten eigne sich das Verfahren „auch durchaus als langfristiges Instrument, mit dessen Hilfe man bestimmte Defizite erkennen und beheben kann“.
Die Methoden der Management-Audit-Anbieter unterscheiden sich nicht grundsätzlich. Alle Berater führen strukturierte Interviews und ordnen die Ergebnisse in ein Raster ein. Einige Beratungsunternehmen benutzen bei der Auswertung ein PC-Programm. „Das bedeutet aber nicht, dass die Software den Ausschlag gibt“, betont Thomas Kell. Entscheidend für die Beurteilung sei immer die Erfahrung des Beraters. Persönlichkeitstests setzt Heidrick & Struggles in der Regel nicht ein. „Und wenn, dann nur zur Ergänzung“, erklärt der Consulter, „wir denken, dass für ein solches Vorgehen in Deutschland nur schwer Akzeptanz zu bekommen ist.“
Manche Beratungsunternehmen führen sogenannte Referenz-Interviews mit Kollegen und Vorgesetzten, um den zu beurteilenden Manager besser einschätzen zu können. Christoph Aldering, Mitglied der Geschäftsführung der Kienbaum Consulting in Gummersbach und verantwortlich für den Bereich Diagnostik, hält die Befragung Dritter „für heikel, aber durchaus sinnvoll“. Wenn man sich im Klaren sei, dass Referenzen niemals „im klassischen Sinne objektiv“ sein können, und wenn man die Aussagen entsprechend gewichte, dann sei nichts dagegen einzuwenden. Heidrick & Struggles dagegen raten von dieser Methode ab: „Mit solchen Rückfragen“, betont Thomas Kell, „begibt man sich leicht in unternehmensinternes, politisches Fahrwasser. Da man als Externer nur sehr schwer einschätzen kann, aus welchen Motiven jemand ein Urteil über einen anderen fällt, könnte es leicht zu Verzerrungen kommen.“
Für das Audit einer Person muss das Unternehmen etwa 10 000 DM veranschlagen. In der Didier AG hält man ein solches Honorar nicht für übertrieben: „Das klingt zunächst viel“, meint Udo Hüls, „aber für eine gar nicht mal auffallend große Personal-Anzeige in einer überregionalen Tageszeitung muss man bereits 16 000 Mark hinlegen.“ Und so ein Audit mache die Firma ja nicht für jeden Mitarbeiter.
Check-up für Führungskräfte: Ängste der Manager vor den Beratern abbauen
Gestandene Manager sind Prüfungssituationen nicht mehr gewohnt. Eine vom Vorstand angeordnete Kompetenzüberprüfung wird zunächst oft als Bedrohung verstanden. „Angelsachsen und Skandinavier sind uns nicht nur beim Thema Audit weit voraus“, erklärt Thomas Kell von der Unternehmensberatung Heidrick & Struggles in München. „Für sie ist eine Professionalisierung im Human Resource Management schon seit längerer Zeit selbstverständlich. Manager in diesen Regionen gehen ganz unkompliziert mit den Fragen um, die ihnen die Berater stellen. Bei uns muss man oft erst gewisse Vorbehalte abbauen.“
Für Akzeptanz werben die Consultants mit ihrem persönlichen Know-how, mit Transparenz im Verfahren und zuweilen mit Understatement: Christoph Aldering von Kienbaum beispielsweise sieht sich selber „nicht so sehr als objektive Instanz, sondern als Beobachter, der aus der partnerschaftlichen Perspektive“ Empfehlungen abgibt. Axel Motlik von Korn/Ferry weist darauf hin, dass „Entscheidungen aufgrund eines Interviews nur dann zur allseitigen Zufriedenheit getroffen werden können, wenn die Betroffenen die Objektivität des Systems anerkennen“. Das allerdings ist eine Frage der Vermittlung. Ob ein Manager mit Interesse und Offenheit in das Audit geht, ob er den Test auch als Chance wertet oder ob er sich nur widerstrebend befragen läßt, hängt stark von der Vorbereitung und Kommunikation des Verfahrens ab. „Es ist sehr wichtig, dass die Vorgesetzten die Mitarbeiter einbeziehen“, betont Didier-Personalleiter Udo Hüls. „Vor dem Ereignis sollten ausführliche Gespräche stattfinden und natürlich erwarten die Manager anschließend auch ein ehrliches Feedback.“
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