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Was zählt, ist die Leistung

Elektrische wie auch hydraulische Antriebe bieten Vorteile
Was zählt, ist die Leistung

Das Rennen ist nicht entschieden: Elektrische und hydraulische Antriebe werden von Fall zu Fall in der Umformtechnik eingesetzt – oder sogar kombiniert, wie eine Umfrage unter Anbietern im Vorfeld der Messe Euro-Blech zeigt.

Bernhard Foitzik ist Fachjournalist in Neustadt an der Weinstraße

Den Mann an der Maschine interessiert nur die Stückzahl für seinen Akkordlohn. Sein Meister achtet zusätzlich auf die Flexibilität. Und dessen Chef wird die gesamten Maschinenkosten für einen Auftrag wissen wollen. Dabei schneiden elektrische und hydraulische Antriebe, je nach Einsatzfall, unterschiedlich ab. Eine „klassische“ Aufteilung, bei der nur Kraft oder Geschwindigkeit zählen, scheint jedenfalls passé. Ein Beispiel: Für die Olympiasieger von Athen wurden die Medaillen ganz klassisch produziert. Hydraulische Pressen haben die Bildmotive auf die Rohlinge geprägt. Die einmalige, relativ kleine Stückzahl von 3000 Medaillen (inklusive der Stücke für die Paralympics) erforderte aber auch bei weitem nicht die Flexibilität und Wirtschaftlichkeit, wie Industriemaschinen im Dauereinsatz.
Die Messe Euro-Blech zeigt hingegen die ganze Vielfalt an Antriebstechniken für Abkantpressen, Gesenkbiegemaschinen und Rohrbiegemaschinen. Zahlreiche Maschinenhersteller sehen einen Wettbewerb zwischen elektrischer, hydraulischer und hybrider Antriebstechnik. Was Marktanteile und Wachstumschancen elektrisch angetriebener Maschinen betrifft, differieren die Aussagen der befragten Hersteller. Werner Erlenmaier, Hauptabteilungsleiter Entwicklung und Konstruktion der Trumpf Werkzeugmaschinen GmbH + Co KG, Ditzingen, will sich nicht auf Zahlen festlegen: „Der Anwender will eine Maschine, die immer läuft und ihren Zweck möglichst wirtschaftlich erfüllt.“ Die Frage des Antriebskonzeptes sei da eher zweitrangig.
Auf heute unter 5 % schätzt Thomas Christmann, Leiter Strategisches Marketing im Geschäftsbereich BRC der Bosch Rexroth AG, Lohr, den Marktanteil von Blechbearbeitungsmaschinen mit elektrischen Antrieben. Zukünftig könnten es 10 bis 15 % werden: „Allerdings ist der Marktanteil je nach Anwendung und Maschinengröße unterschiedlich.“ Bei Rohrbiegemaschinen ist er heute schon wesentlich höher. In diesem Marktsegment sind nach Angaben der Rosenberger AG, Gütenbach, Maschinen zum Biegen von Rohren bis 20 mm Durchmesser schon bis zu 40 % vollelektrisch angetrieben und erreichen bei Rohren bis 80 mm Durchmesser einen Anteil 30 %. Tendenz: stark steigend. Das ist nicht zuletzt eine Preisfrage, wie Peter Ziegler, kaufmännischer Leiter bei Rosenberger, feststellt: „Bei Rohrbiegemaschinen im Bereich über 80 Millimeter Durchmesser ist die Hydraulik billiger.“ Die erforderlichen hohen Kräfte seien sonst nur mit großen Getriebemotoren zu erzielen, die kostenmäßig kräftig zu Buche schlagen. Thomas Christmann, Bosch Rexroth, kann hier leicht moderieren. Denn das Unternehmen beherrsche beide Antriebsarten: „Entweder – oder kennen wir nicht. Für uns ist ‚sowohl als auch’ die Maxime.“ Grundsätzlich sieht er die Hydraulik im Vorteil, wenn eine hohe Kraftdichte erforderlich ist. Bei kleinen Kräften habe die elektrische Antriebstechnik ihre Vorteile: „Dort, wo beide Technologien verwendet werden können, hängt es stark vom Konstruktionsprinzip der Maschine ab, welche Technik eingesetzt wird.“
Beim Energieverbrauch scheiden sich die Geister. Das Argument „elektrische Antriebe sind auch nicht günstiger“ kontern die Anbieter elektrisch angetriebener Maschinen: In einer bei der Rosenberger AG durchgeführten Verbrauchsmessung zweier Rohrbiegemaschinen mit unterschiedlichen Antrieben kam die vollelektrische Maschine auf einen Energieverbrauch von gerade einmal 10 % des Verbrauchs der hydraulischen Maschine. In der Praxis dürfte dieser Vorteil trotzdem eher eine untergeordnete Rolle spielen, denn wie einer der befragten Experten meinte, „den Betreiber interessiert nur, wie schnell er seine Losgröße produziert. Der Energieverbrauch geht auf eine andere Kostenstelle“.
Trotzdem wirbt auch die Amada GmbH, Haan, mit der Wirtschaftlichkeit der mit einem patentierten Elektroantrieb ausgerüsteten Stanzmaschine EM 2510. „Bei vergleichbarer Spezifikation ist der Energieverbrauch um zwei Drittel niedriger als bei einer Maschine mit hydraulischem Antrieb“, sagt Vertriebsleiter Christof Behrendt. Was Lastgrenzen und Geschwindigkeit betreffe, sei der hydraulische Antrieb technologisch ausgereizt.
Dem widersprechen eingefleischte Hydrauliker. „Die vornehme Zurückhaltung ist völlig unangebracht“, sagte Dr. Alfred Feuser, Leiter Drive and Motion Innovation bei der Bosch Rexroth AG, Lohr, auf dem Dresdener Fluidtechnischen Kolloquium. „Wir sind nicht nur in der Lage, traditionelle Anwendungsgebiete zu behaupten, sondern uns auch verloren geglaubte zurückzuholen.“ Hochdynamische positionsgeregelte Zylinderachsen stehen nach Ansicht des Unternehmens für eine Erhöhung der Präzision und Steigerung der Maschinenproduktivität – nicht zuletzt an Blechbearbeitungsmaschinen.
Trotz „unbestreitbarer Vorteile des elektrischen Antriebskonzeptes“ rückt Amada aber nicht generell vom hydraulischen Antrieb ab. Denn beispielsweise bei der Gesenkbiegepresse HDS 1030 NT wird der Pressbalken hydraulisch angetrieben. Das Antriebskonzept dieser Maschine fällt jedoch in die Kategorie der hybriden Antriebe (s. Kasten). Denn statt konventioneller Hydraulikventile werden bei diesen Maschinen Ventile mit servomotorischem Stellantrieb verwendet. „Die Hybridbauweise kommt“, ist Behrendt überzeugt.
Bei der RAS Reinhardt Maschinenbau GmbH, Sindelfingen, will man die Vorteile beider Techniken nutzen. Die Schwenkbiegemaschine Gigabend für 6-mm-Bleche schließt und öffnet die Oberwange mit 60 mm/min – dank elektrischem Servoantrieb. Zwei achsgesteuerte sogenannte Power-Booster erzeugen die mächtigen Spannkräfte bis zu 1200 kN.
Grenzen, oberhalb derer die Hydraulik dominiert, werden von den Verfechtern der elektrischen Antriebstechnik ständig getestet. 4000 kN für elektromotorisch angetriebene Pressen gelten bei der Hie-Ger GmbH, Delbrück, zumindest seit der Messe Südblech als durchaus erreichbar. Trumpf-Mann Erlenmaier sieht bei Abkantpressen im Bereich von 500 kN schon das Limit erreicht: „Das kann kein Servomotor.“ Bei der Zunahme der Leistungsdichte von Servomotoren wird sich diese Grenze nicht lange halten lassen. Bei Bosch Rexroth jedenfalls hält man es für möglich, insbesondere durch die Weiterentwicklung der Direktantriebstechnik auch sehr hohe Pressenkräfte wirtschaftlich realisieren zu können: „Mit Direktantrieben lassen sich auch Kräfte von 5000 kN erreichen.“ Indirekt ließen sich über elektrische Antriebe (bis 600 kW) in Exzenterpressen Kräfte von bis zu 60 MN umsetzen. Christmann: „Zukünftig werden auch direkt angetriebene Pressen Kräfte bis zu 50 MN erreichen können.“ Diesen Markt peilt auch GE Fanuc, Neuhausen, mit den Servomotoren a2000 und a3000 mit Leistungen bis 450 kW an. Die Chancen im Maschinenbau, speziell im Pressenbau der Big Servos genannten Antriebe, hat das Unternehmen in einer Umfrage eigens sondieren lassen.
Zumindest die Hersteller von elektrischer Antriebstechnik machen also Ernst. „Als Hersteller wird man prüfen, welche Antriebstechnik für den Zweck am besten geeignet ist“, sagt Werner Erlenmaier. Immerhin hat sich das Verhältnis der Kosten von Mechanik und Antriebstechnik – natürlich inklusive Steuerung – von ehedem 60:40 inzwischen auf 40:60 verschoben. Letztlich müssen sich die (derzeit) durchaus höheren Kosten für die elektrische Servotechnik für den Anwender rechnen – auch wenn der eigentlich nur die Stückzahlen im Kopf hat.
Mit Hydraulik wird die Maschine produktiver

Hybride Antriebe
Hybride Antriebssysteme gibt es in zwei Erscheinungsformen:
  • Hybride Systeme können servoelektrische und servohydraulische Achsen innerhalb des Antriebskreises haben. Die Steuerung muss hier in der Lage sein, beide Antriebsarten zu steuern und zu synchronisieren. Beispiele für Steuerungen sind Rexroth Indramotion MTX und Siemens S7-300 mit FM 357-Modul.
  • Der Antrieb selbst ist hybrid aufgebaut. Hier wird der Begriff hybrider Antrieb von Herstellern unterschiedlich gebraucht: Meist sind damit sogenannte drehzahlvariable Antriebe gemeint, deren Hydraulikpumpe ein Servomotor antreibt. Damit wird hydraulische Energie nur bei Bedarf bereit gestellt, und die Verlustleistung verringert sich gegenüber permanent angetriebenen Hydraulikpumpen. Gelegentlich taucht die Bezeichnung auch für Antriebe mit elektrischem Servomotor als Stellantrieb für das Ventil auf.
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