Startseite » Allgemein »

Weichensteller im Kopf

Selbstgespräche als Schlüssel zur mentalen Kompetenz
Weichensteller im Kopf

Sachkompetenz ist noch keine Erfolgsgarantie. Häufiger beruflicher Stolperstein ist die fehlende mentale Kompetenz. Der Schlüssel hierzu sind Gespräche mit sich selbst. Ausschlaggebend ist die mentale Herangehensweise an das zu Bewältigende.

„Wir wissen: Morgen geht gestern nicht weiter. Aber wir wissen nicht: Wie soll’s weitergehen? Die permanente Unsicherheit wird zum Normalzustand.“ Für Professor Karlheinz Geißler, Gründer und Teilhaber des Münchner Instituts für Zeitberatung timesandmore, ist das die eigentliche Herausforderung für Führungskräfte: die permanente Neuorientierung. Sie müssen sich noch mehr als alle anderen darauf einstellen, „dass das so bislang noch nicht Dagewesene, in hoher Komplexität erheblich jenseits des Bekannten und Gewohnten Liegende zunehmend ihren ganz normalen Alltag und somit ihr Denken und Handeln bestimmen wird“, ist auch Thomas Weegen, Geschäftsführer der auf Entwicklung und Zusammenarbeit spezialisierten Unternehmensberatung Coverdale, München, überzeugt. Denn „es ist absehbar, dass sich die Wirtschaft in den kommenden Jahren tiefgreifend verändern wird“.

Aber wie gelingt die Einstellung darauf? Hans Eberspächer, ehemaliger Professor für Sportpsychologie an der Universität Heidelberg und heute mit seiner mentalinform GmbH, Dossenheim, als Selbstmanagementtrainer aktiv, rückt der Antwort mit einer Gegenfrage zu Leibe: „Warum brechen die sachkompetentesten Leute in Situationen, in denen es darauf ankommt, häufig so ein?“ Und setzt ein aufmunterndes „Na?“ dahinter. „Weil sie unter Handlungskompetenz nichts als reine Sachkompetenz verstehen. Motto: Beherrsche deine Sache, und du hast Erfolg!“
Selbstverständlich gäbe es Handlungskompetenz nicht ohne profunde Kompetenz in der Sache, aber Sachkompetenz allein begründe noch bei weitem keine tatsächliche, belastbare Handlungskompetenz, insbesondere in Unsicherheitssituationen. „Wie eigentlich schon aus der Definition von Handlungskompetenz ersichtlich: Die Fähigkeit, sich ziel-, situations- und anforderungsangemessen zu steuern und zu organisieren“, sagt Eberspächer. Und das gelinge jenseits routiniert-gewohnten Handelns nur, wenn Handlungskompetenz in allen sie konstituierenden Facetten gesehen und begriffen werde: in Sachfragen als Sachkompetenz, in der sozialen Umwelt als Sozialkompetenz und im Umgang mit sich selbst als Selbstkompetenz.
„Und auf diese Selbstkompetenz kommt es bei unseren heutigen instabilen, turbulenten Märkten ganz besonders an, gleichzeitig aber mangelt es ganz besonders an dieser Selbst- oder wie es häufiger genannt wird, mentalen Kompetenz“, sagt Eberspächer. Und das sei höchst problematisch, schließlich könne das Mentale unser Handeln zu 100 % bestimmen. Darauf sei es zurückzuführen, dass Führungskräften in Unsicherheitssituationen der Boden unter den Füßen zu wanken beginne, dass sie sich der Situation hilf- und chancenlos ausgeliefert fühlten.
„Man kann sich entweder in Mut, Zuversicht und Umsetzungsstärke denken (Eine hohe Anforderung, aber wenn ich das einbringe, was ich kann, habe ich eine reelle Chance!). Man kann sich aber auch in Mutlosigkeit, Zaghaftigkeit, Überforderung oder gar Bedrohung denken (Wenn ich schon daran denke, was auf mich zukommt, verliere ich jeden Mut, weil ich keine Ahnung habe, wie ich das schaffen soll.)“, erläutert Eberspächer diese mentalen Zusammenhänge. Wer schon einmal trotz unbestrittener Sach- und durchaus auch genügender Sozialkompetenz „dank“ des Unvermögens, mental mit einer Anforderung klar zu kommen, Schiffbruch erlitten habe, wisse über die Folgen Bescheid: Ärger über sich selbst, Mutlosigkeit bis zur Resignation, auf jeden Fall aber Ratlosigkeit, Angst vor der nächsten vergleichbaren Situation. Doch was tun? „Trainieren! Man muss trainieren, und man kann mentale Prozesse genauso wie Muskeln trainieren“, sagt Eberspächer und verweist auf das mentale Fertigkeitstraining. Dahinter verbirgt sich ein Trainingssystem, das „von uns im Rahmen der Erforschung und Entwicklung von Stressbewältigungs- und Selbstkontrolltechniken und -methoden im Hochleistungssport an der Uni Heidelberg entwickelt und erprobt wurde.“ Es baut sich aus sieben Modulen auf: Das wichtigste Gespräch, Vorstellungen, Stärken und Schwächen, Hier und Jetzt, Entspannen, Analyse des Handeln sowie Ziele.
Das wichtigste Gespräch? Eberspächer erklärt: „Nicht das Gespräch mit mir! Gemeint sind die Gespräche mit sich selbst“. Selbstgespräche seien zusammen mit den Vorstellungen so etwas wie der Schlüssel zur mentalen Kompetenz. Denn wer Hindernisse überwinden wolle, dürfe seine Gedanken nicht auf die Hindernisse richten, sondern auf die Schritte und Wege, sie zu überwinden. Und was gibt Selbstgesprächen diese machtvolle Position? Eberspächer nennt drei Punkte: Zum einen durchziehen sie alle anderen Module von der Regulation der Vorstellung bis zur Zielsetzung. Zum anderen nehmen sie mit steigender Beanspruchung an Intensität und Dynamik zu. Und zum dritten sind sie untrennbar mit der Bewertung und Umsetzung dessen, was wir tun, verknüpft.
„Selbstgespräche und Handeln sind nicht voneinander zu trennen“, sagt Eberspächer, daraus erwachse ihre Macht. Deshalb könnten wir uns mit unseren manchmal laut geführten, meist aber als stille Gedankenfolge durch den Kopf gehenden Selbstgesprächen so „wirkungsvoll aufbauen, genauso wirkungsvoll, aber auch bis zur Handlungsunfähigkeit verunsichern!“ Erfolgreiche in Sport und Management „haben das gelernt und nutzen ihre Selbstgespräche als effizientes strategisches Mittel für ihr Selbstmanagement.“ Was für ihn im Sinne der Definition von Handlungskompetenz heißt: Sie vermögen sich mit ihren Selbstgesprächen ziel-, situations- und anforderungsangemessen zu steuern und zu organisieren.
Und unterstützen sich dabei mit ihren Vorstellungen. Diese, erläutert Eberspächer, „ermöglichen wie Landkarten und Navigationssysteme die Orientierung in einer oft schwer überschaubaren oder gar unbekannten Welt.“ Dabei komme es nicht so sehr darauf an, ob sie richtig oder falsch seien. Wichtig sei vielmehr, ob man daraus zweckmäßige oder weniger zweckmäßige Wege ableiten könne. Unzweckmäßige Vorstellungen blockieren, zweckmäßige Vorstellungen unterstützen Denken und Handeln.
Es sei also weniger die Herausforderung der Aufgabe beziehungsweise der Situation als solche, die die Waage in Richtung Erfolg oder Misserfolg ausschlagen lasse, sondern das mentale Herangehen an das zu Bewältigende. Das sei das Ausschlaggebende. „Gelingen lebt von der abrufbaren und stabilen Unterstützung durch das mentale System.“
Hartmut Volk Freier Publizist, Bad Harzburg
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de