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Wenn Bart nicht gefragt ist

Plasmaschneiden: Feinstrahltechnik für präzise Dickblechschnitte
Wenn Bart nicht gefragt ist

Um Dickblechteile zügig und exakt herzustellen, greift der Industriedienstleister Schuwatec auf das Feinstrahl-Plasmaschneiden von Kjellberg Finsterwalde zurück. Damit sind Qualitätsschnitte bis 60 mm Materialdicke möglich, die keinerlei Nacharbeit erfordern.

Dipl.-Ing. Peter Springfeld ist freier Fachjournalist in Berlin

Angesiedelt in Zweimen zwischen Halle und Leipzig, einem Gebiet mit traditioneller Chemieindustrie- sowie Landmaschinen- und Anlagenbau-Technik, hat sich die Schuwatec GmbH als Industriedienstleister für das Spezial- und Kleinserienschneiden einen guten Namen gemacht. Wo immer schnell ein Ersatzteil benötigt wird, sei es eine Dichtung, ein Spezialflansch oder ein individuell gestalteter Haken, fertigt das Team um Geschäftsführer Dipl.-Ing. Ralf Schumann das gewünschte Teil exakt nach Kundenauftrag.
Im November 2004 legte sich das 21-Mitarbeiter-Unternehmen eine Plasma- und Autogenschneidanlage zu, bei der eine CNC-Führungsmaschine die beiden Brenner des Plasmaschneidsystems Fine-Focus 800 Plus der Kjellberg Finsterwalde GmbH, Finsterwalde, sowie zwei Autogenschneideinheiten führt. Mit dieser Anlage ist die maschinentechnische Ausstattung so weit fortgeschritten, dass das Schumann-Team fast jedes Material wirtschaftlich schneiden und frei wählbare Konturen realisieren kann.
Angefangen hat Ralf Schumann 1996 mit einer Wasserstrahlschneidanlage. Damit konnte er jedes Material trennen und jeden Auftrag erfüllen. Der mit Abrasivmittel angereicherte Wasserstrahl schneidet feste Stoffe bis zu einer bestimmten Maximal-Dicke. Das Spektrum reicht von Kunststoff über Keramik bis zu Metallen, darunter Titanwerkstoffe. Weil sich gute Arbeit schnell herumspricht, musste die Kapazität bald erweitert werden: Seit 1999 entlastet eine 3,5-kW- Laserschneidanlage das Wasserstrahlschneidsystem und ermöglichte eine erste Spezialisierung der Fertigung mit den entsprechenden Rationalisierungseffekten.
Da die Kunden immer häufiger nach Bau- und Ersatzteilen aus dickeren Blechen fragten, peilte Schumann die Feinstrahl-Plasmatechnik als Ergänzung an: „Fast alle Führungsmaschinenbauer wiesen mich auf Kjellberg Finsterwalde hin. Auf einem Messestand des Unternehmens sah ich mir das Verfahren genauer an und begab mich umgehend in die Sängerstadt. Im Applikationszentrum von Kjellberg Finsterwalde schnitt man mir einen Spezialhaken in kurzer Zeit. Ich war sofort von dem Verfahren überzeugt.“
Die Einführung des Plasmaschneidens in die Teilefertigung bewirkte eine weitere Spezialisierung und einen deutlichen Rationalisierungssprung. „Mit der Laserschneidanlage kann ich nur einen begrenzten Blechdickenbereich bedienen. Baustahl-Bleche dürfen maximal 20 Millimeter dick sein, hochlegierter Stahl zwölf und Aluminium nur acht Millimeter“, erklärt Schumann. Dicke Bleche mit dem Wasserstrahl zu schneiden, sei zeitaufwendig und erfordere einen hohen Einsatz an teuren Abrasivmitteln: Ein 40 mm dickes Edelstahl-Blech zu schneiden, dauere etwa zehnmal länger als mit dem Plasmasystem.
„Unsere Kunden brauchen häufig Flansche in Sondergrößen, die in der Regel 25, 30 oder 40 Millimeter dick sind“, berichtet Schumann. „Die fertigen wir auf der Plasmaschneidanlage, ebenso wie 35 Millimeter dicke Kurbeltriebe für Pressen, Krümelwalzenteile für Landmaschinen sowie Versteifungsteile unterschiedlicher Art.“ Grundsätzlich würden alle elektrisch leitfähigen Werkstoffe im Dickenbereich zwischen 6 und 80 mm damit geschnitten. Bei dickeren hochfesten Blechen bis etwa 200 mm setzt Schuwatec die installierten Autogenbrenner ein. Das Autogenschneiden eignet sich jedoch nur für Bau-, nicht für Edelstahl.
Die Plasmaschneideinheit lässt sich so einstellen, dass jede Schneidaufgabe mit dem erforderlichen Optimum zu erledigen ist. Das gewünschte Ergebnis kann vorher definiert und dann die Verfahrensparameter gesucht werden. So lässt sich beispielsweise 25 mm dicker Baustahl unter Einsatz von Sauerstoff als Plasmagas und Luft als Wirbelgas mit einem Schneidstrom von 200 A trennen. Dabei sind Schneidgeschwindigkeiten von etwa 1,5 m/min möglich. Die Schnittfläche ist glatt, metallisch blank, grat- und bartfrei. Das gleiche Blech kann auch mit einem Schneidstrom von 300 A getrennt werden, dann sind Geschwindigkeiten von 2,0 m/min möglich. „Bei schnellen Schnitten kann sich allerdings ein kleiner Bart bilden, der jedoch leicht und schnell zu entfernen ist“, merkt Schumann an. Da die Plasmaschneideinheit nicht nur im Schneidstrombereich zwischen 80 und 300 A sowie in der Schneidgeschwindigkeit stufenlos zu regeln ist, sondern auch viele andere Parameter variabel sind, biete sie reichlich Möglichkeiten, die vorher definierten Optimierungswünsche zu erfüllen.
Auch zum Preis-Leistungs-Verhältnis nimmt Schumann Stellung: „Wenn ich die Investitionskosten der Laserschneidanlage mit denen der Plasmaschneidanlage vergleiche, stelle ich fest, dass letztere weniger als die Hälfte kostet und zudem sehr viel Zubehör geliefert wird.“ Das Leistungsspektrum sei sehr breit. Dabei seien Qualitätsschnitte bis 60 mm Materialdicke möglich, die keinerlei Nacharbeit erfordern. Der Toleranzbereich liege bei Baustahl bis 40 mm Dicke innerhalb von ± 0,5 mm. Bei 5 bis 20 mm dickem Baustahl sei sogar ein Toleranzbereich von ± 0,2 mm möglich. „Kein Kunde hat bislang höhere Anforderungen an die Präzision der Teile gestellt“, versichert Schumann. „Jede Erhöhung der Genauigkeit würde das Bauteil nur unnötig verteuern.“ Die hohe Schneidqualität zeigt sich auch in den niedrigen Rauigkeitswerten der Schnittflächen. Sie liegen im Rz-Bereich von 5 bis 12.
Hinzu kommt, dass die Plus-Technik von Kjellberg Finsterwalde für Schnitte mit geringer Winkelabweichung sorgt – diese sind praktisch senkrecht. Die Wirbelgas-Technik sowie das Einstechen mit einer spannungsabhängigen Höhensteuerung bewirken eine lange Lebensdauer der Schneiddüsen und anderer Verschleißteile. Durch die exakten, blanken und bartfreien Schnitte lässt sich das geschnittene Teil leicht aus der übrigbleibenden Blechtafel nehmen.
Wie bei allen Plasmaschneidanlagen von Kjellberg Finsterwalde gehört auch zur Fine-Focus 800 Plus eine bedienfreundliche Steuerung, die eine werkstattgerechte Programmierung ermöglicht. Problemlos und schnell wird die Steuerung der Schneidanlage an die Steuerung der Führungsmaschine mit den vier Brennern adaptiert.
Je zwei der Brenner stehen für das Plasma- sowie das Autogenschneiden zum wahlweisen Einzelbetrieb zur Verfügung. Links beginnend, ist ein Plasmabrenner angebracht, der in einem Rotator sitzt. Dieser neigt den Brenner stufenlos bis maximal 45°. Die Schrägstellung ermöglicht Fasenschnitte nach Wahl. Damit der Brenner auch beim Drehen stets zentrisch ausgerichtet bleibt, wird er vor dem Einbau zusätzlich zentriert. Um den Abstand zwischen Düse und Werkstück auch in der Schrägstellung exakt auf dem vorgegebenen Mindestabstand zu halten, trägt der Rotator drei um den Brenner verteilte Sensoren zur Abstandskontrolle.
Rechts neben dem Rotator-Brenner ist der Plasmabrenner für senkrechte Schnitte angebracht. Beim senkrechten Schnitt ist der Abstand zwischen der Werkstückoberkante und der Düse relativ einfach zu ermitteln und zu kontrollieren: Vor jedem Schnitt misst die mechanische Abtasteinrichtung die Höhe der Blechoberkante. Nach diesem Messwert stellt sich die Höhe des Plasmaschneidkopfes automatisch ein.
Zur wirtschaftlichen Arbeitsweise des Plasmaschneidens gehören die vergleichsweise niedrigen Anforderungen an die Reinheit der Schneidgase. „Während zum Plasmaschneiden 99,9-prozentiger Sauerstoff ausreicht, verlangt das Laserschneiden eine Reinheit von 99,999 Prozent“, betont Schumann und weist auf die sich daraus ergebende Kostenersparnis hin. Bei all den genannten Vorteilen vergisst er jedoch ein Manko nicht: „Beim Plasmaschneiden sind keine kleinen Bohrungen und keine scharfkantigen Innenkonturen möglich.“ Aber für solche Aufgaben hat er ja das Autogen- und das Laserschneiden in der Hinterhand.
Industrieanzeiger
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