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Wenn Bytes die Qualität des Bitburgers verantworten

Automatisierung: Prozess- und Fertigungsindustrie konvergieren
Wenn Bytes die Qualität des Bitburgers verantworten

Hybridindustrien mit sowohl fertigungs- als auch verfahrenstechnischen Produktionsschritten erscheinen als die Wachstumsmärkte der Zukunft für die Automatisierungstechnik. Die modernen Produktionsstätten der hiesigen Bierbrauer sind ein herausragender Beweis dafür.

Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller ia-redaktion@t-online.de

Es bleibt ein ewiges Geheimnis, von wem das Bier wirklich erfunden wurde. Klar ist, dass es die Menschen seit den Anfängen eines kulturellen Lebens ständig begleitet hat. Klar ist auch, dass die Ingredienzen noch immer Wasser, Gerste, Hopfen und Hefe sind. Doch haben sich die technischen Verfahren zur Herstellung des Gerstensaftes nachhaltig verändert. Heute bestimmt modernste Steuerungs- und Leittechnik das Bild. Das ist auch bei der Bitburger Brauerei Th. Simon GmbH so, in der Dieter Lichter aus der Abteilung Elektrotechnik und Prozessautomatisierung den Großteil der Anlagenkomponenten von der Nürnberger Siemens AG bezog. Beim Wettbewerber Warsteiner Brauerei Haus Cramer KG in Warstein wurde der Technische Direktor Ulrich Brendel bei der Mannheimer ABB AG fündig. „Mit dem ABB-Ansatz Industrial-IT haben wir den Durchgriff auf den gesamten Produktionsprozess, und durch die Objektorientierung sind die Parameter der Produktion transparent“, urteilt Brendel. Zu dem jetzt erteilten Auftrag an ABB gehört auch der Inform-IT-Produktionsmanager, mit dem via SAP-Schnittstelle der gesamte Prozess transparent wird.
Auch in Bitburg bilden die Prozessinformationen die Basis für eine aktive Entscheidungsfindung und den Eingriff in den Produktionsprozess, denn Dieter Lichter begründet seine Netzwerkarchitektur auf ein SAP-System. Unterhalb siedelte der Bitburger Steuerungsexperte die Produktionsleitebene mit dem Siemens-Leitsystem Braumat Classic an. Via Industrial Ethernet gelangen die Daten von dort zu den Automatisierungsgeräten Simatic S5 und S7 in der Prozeßleitebene. Über Profibus DP werden die digitalen und analogen E/A angeschlossen, während über den verfahrenstechnischen Profibus PA die Brauprozessdaten wie Durchfluss, Pegel, Druck und Temperatur übermittelt werden. Gerade hier wird deutlich, dass die Bierproduktion sich in verschiedene Teilsegmente unterteilt, die sich als mehr oder weniger abgeschlossene Automatisierungsinseln darstellen. Nur wenige Industriebranchen automatisieren in Reinkultur, wie beispielsweise Raffinerien in der klassischen Prozessindustrie beim Verarbeiten fließender Stoffe im Conti-Betrieb. In der überwiegenden Mehrzahl lässt sich der Produktionsprozess aufteilen in Eingangslogistik, Produktions- oder Primärprozess, nachgelagerten Prozess oder Sekundärprozess und Ausgangslogistik. Das heißt, die typische Wertschöpfungskette baut darauf auf, aus zugelieferten Vorprodukten etwas herzustellen, das anschließend verpackt oder abgefüllt und ausgeliefert wird. Das Modernisierungsvorhaben in Warstein zielt darauf ab, vorhandene Inseln zusammenzuführen, um bis 2005 eine übergreifende Lösung auf Basis der Industrial-IT-Technologie zu schaffen. Dabei werden allein in der Braustätte am Waldpark über 42 000 E/A-Punkte an die Control-IT-Komponenten AC 800M via Profibus angekoppelt, die über 17 Operate-IT-Terminals beobachtet und bedient werden können.
Die Hybridindustrie setzt beim Automatisieren der Eingangs- und Ausgangslogistik vornehmlich auf SPS-basierte Technik. In verfahrenstechnischen Primärprozessen übernehmen vorwiegend Distributed- Control-Systeme (DCS) die Regie. Hier ist nach Umsatzrückgängen in den letzten Jahren wieder leichter Optimismus angesagt.
„Der Trend zu Hybridindustrien bewegt uns alle“, sagt Siemens A&D-Vorstandsvorsitzender Helmut Gierse, „denn seit zehn Jahren fällt in den Verantwortungsbereich eines Prozessleittechnik-Ingenieurs in der Chemie nicht mehr nur das Auslegen von Regelkreisen. Er muss sich jetzt auch um die Niederspannungsschaltanlage und die Antriebe kümmern.“ So verwenden heute sowohl die Prozess- als auch die Fertigungsautomatisierung die gleichen Kommunikationsprotokolle, E/A-Module, Steuerungen und Software-Schnittstellen. Zusätzlich benutzen sie dieselben Engineering-Tools sowie MES- und ERP-Softwarelösungen. „Im Zuge der horizontalen und vertikalen Integration der Automatisierungs- und Energieverteilungstechnik gerät immer mehr der gesamte Prozess ins Blickfeld der Anlagenbetreiber“, erläutert Gierse.
Daher verwundert es nicht, dass Anlagenbetreiber sich immer intensiver nach durchgängigen, horizontal und vertikal voll integrierten Angeboten umsehen. Denn gerade in horizontal integrierten Teilschritten auf der MES-Ebene und den angebundenen Geschäftsprozessen steckt zusätzliches Produktivitätspotenzial. Das ist vor allem in den Branchen der Fall, in denen sowohl die Fertigungs- als auch die Prozessautomatisierungstechnik zum Einsatz kommt. Für den Siemens-Lenker ist es daher sinnvoll, ab 2004 die Prozessindustriemesse Interkama gemeinsam mit der Hannover-Messe stattfinden zu lassen. Natürlich bleiben Differenzen und Unterschiede. „Darum soll und wird sich die Interkama in Hannover mit einem klar definierten Scope eigenständig präsentieren“, bekräftigt der Siemens-Vorstand das neue Konzept, während beispielsweise auf der SPS/IPC/Drives in Nürnberg vornehmlich fertigungstechnische Lösungen präsentiert werden.
In der Kommunikation wollen beide Branchen eine durchgängige Sprache. „Wir setzen auf Profibus als Integrations-Plattform für die Kommunikation im Feldbereich. Beginnend in der Fertigungsautomatisierung sehen wir Profibus mittlerweile auch als die geeignetste Technologie für verfahrenstechnische Anwendungen“, so Horst J. Kayser, Leiter des Siemens-Geschäftsgebietes Industrieautomation.
Danach soll der Europamarkt für Feldbus-Systeme in der Prozessautomatisierung nach Frost&Sullivan-Angaben von 170 Mio. US-$ (2001) auf 420 Mio. US-$ im Jahr 2008 wachsen.
Feldbusunabhängig kann das Thema vorbeugende Wartung behandelt werden. „Man muss ein Modell der Anlage und Kenntnisse über mögliche Fehler haben, und daraus lassen sich auf der Basis der von den Feldgeräten gelieferten Daten dann Maßnahmen ableiten“, ergänzt das Vorstandsmitglied der Profibus-Nutzerorganisation (PNO) Klaus Bender. „Wir wissen alle, wie schwierig es ist, Fehler zu finden, wenn eine Anlage nicht läuft“, so der Münchener Hochschulprofessor.
Zusammen mit der Anwendervereinigung Namur will die PNO daher den Profibus mit dem Profidrive-Profil in der Verfahrenstechnik vorantreiben. Dazu werden gemeinsame Profile für PA-Geräte, Profidrive, Wägen und Dosieren sowie weit entfernte E/A-Module entwickelt.
Ein weiteres Thema ist das Validieren nach den Vorgaben der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA). Der Code of Federal Regulations beschreibt die Anforderungen für die Aufzeichnung elektronischer Daten und Unterschriften. Profibus biete schon heute die technischen Grundlagen dafür durch Datensicherung und Datendienste im Data Link Layer sowie durch Passwortvergabe in den Profilen. Weiterhin gebe es standardisierte Abläufe bei der Richtlinienerstellung sowie formale „Change-Request-Verfahren“ für alle Dokumente.
Zurück zum Bier: Auch hier gilt die ab 2005 gesetzlich vorgeschriebene Rückverfolgbarkeit von Produkten. Transparenz ist also gefordert. Sei es im Sudhaus, wo die Rohstoffe in einem komplexen biologischen Prozess verarbeitet werden, oder im Gärkeller, wo die Hefe dem Bier seinen typischen Geschmack verleiht. Dazu kommen noch die betriebswirtschaftlich-logistischen Daten und eine Vielzahl von Tests und Laborprüfungen zur Qualitätssicherung. Schließlich unterliegt der Brauprozess dem 1516 von Herzog Wilhelm IV. von Bayern erlassenen Reinheitsgebot. Dieses schreibt vor, dass zur Bierherstellung nur Malz, Hopfen, Hefe und Wasser verwendet werden dürfen.
Hybridindustrie ist größtes Marktsegment in der Industrie
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