Startseite » Allgemein »

Wenn sich der Industrie-PC mit dem Ventil unterhält

Komplette Automationslösungen immer stärker nachgefragt
Wenn sich der Industrie-PC mit dem Ventil unterhält

Für die hybride Automatisierung in der Fertigungs- und Prozessindustrie fallen die Grenzen zwischen benachbarten Fachgebieten. Das erfordert einheitliche Bussysteme, integrierte Sicherheitstechnik und kompakte Schaltungstechnik.

Von unserem Redaktionsmitglied Werner Möller ia-redaktion@t-online.de

Innovationen aus Prozess- und Fertigungsautomation unter einem Dach, das erwartet in diesem Jahr die Besucher in Hannover. Was nach der Ausgliederung der Materialflussmesse Cemat eher aus der Not geboren wurde, könnte sich als sinnvoll entpuppen, weil zahlreiche Anwendungen heute durchgängige Automatisierungskonzepte erfordern. „Nur einen Teilablauf zu optimieren, ist nicht mehr akzeptabel“, sagt Dr. Gunther Kegel, Vorstandsmitglied des Fachverbandes Automation im Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e. V. (ZVEI), Frankfurt/Main. Der Geschäftsführer der Pepperl + Fuchs GmbH (Halle 9, Stand F 18) in Mannheim stellt seine Prozesse ständig auf den Prüfstand. Und er weiß: Herstellprozesse lassen sich nur noch sinnvoll rationalisieren, indem man die gesamte Wertschöpfungskette einbezieht. „Das heißt insbesondere, dass alle Maschinen und Systeme beispielsweise im Hinblick auf einen reibungslosen Datenaustausch kompatibel sein müssen“, erklärt Kegel.
Waren es in der Prozessindustrie anfangs vor allem Mess-, Regel- und Überwachungsstrategien, die zu einer Automatisierung des (kontinuierlichen) Prozesses führten, so wurden in der diskontinuierlichen (Stückgut-)Fertigung zunächst einzelne Vorgänge automatisiert – beispielsweise eine Drehbank zur NC-Maschine weiterentwickelt. Später wurden einzelne Bearbeitungsstationen aufeinander abgestimmt, was einen automatisierten Transport und eine automatische Positionierung von Werkzeugen und Werkstücken erforderte, um im Takt zu bleiben. Hierbei halfen und helfen Sensoren, etwa zur Lagebestimmung. Im Zusammenhang mit der Bildverarbeitung spielen sie vor allem in der Stückgutfertigung eine immer wichtigere Rolle. Speicherprogrammierbare Steuerungen wiederum erlauben es, verschiedene Prozesse taktsynchron zu steuern.
Während die Automobilherstellung das Paradebeispiel für die diskontinuierliche oder diskrete Industrie ist, weil jedes Auto eben stückweise produziert wird, verlaufen die Grenzen etwa bei Autoreifen oder in der Kunststoffverarbeitung fließend. Mag der Prozess selbst noch kontinuierlich ablaufen, so müssen etwa Getränke letztlich doch in einzelne Flaschen abgefüllt und verpackt oder Folien am Ende abgeschnitten und einzeln aufgerollt werden. Wer solche hybriden Anwendungen optimieren will, kann auf durchgängige Automatisierungskonzepte nicht verzichten. Deshalb schafft auch für Dr. Eberhard Veit der Wechsel der Interkama von Düsseldorf nach Hannover Synergien. Für den Vorstandssprecher der Festo AG & Co. KG, Esslingen (Halle 15, Stand F13), gilt für beide Industriezweige, dass die Intelligenz ins Feld wandert und die Vernetzung zunimmt. „Unsere Produkte dazu sind CPX-Ventilinseln mit Ethernetanschluss, mit denen sich ehemals von Hand betätigte Armaturen nun intelligent ansteuern lassen“, betont Veit. Sein Ziel sind Produkte, die im System aus Druckluft, Antriebs-, Ventil- und speicherprogrammierbarer Steuerungstechnik miteinander kommunizieren.
Kein Zweifel: Speicherprogrammierbare Steuerungen (SPS) sind heute neben fortschrittlichen Feldinstrumenten ein wesentlicher Bestandteil in der Prozessautomatisierungstechnik. „Während früher die SPS mehr die klassischen Aufgaben des reinen Steuerns übernommen hat, zeichnet sie sich heute zusätzlich durch ein großes skalierbares Angebot an Technologiefunktionen aus, wozu Zählen, Messen, Positionieren und Regeln gehören“, erklärt Dr. Horst J. Kayser, Geschäftsgebietsleiter Industrial Automation Systems der Nürnberger Siemens A&D (Halle 9, Stand A71). Moderne Steuerungen sind heute modular aufgebaut, und die Grundelemente in der Fertigungs- und Prozessindustrie sind sogar identisch. Marktführer Siemens, der weltweit seinen Marktanteil bei SPS auf 33 % erhöhen konnte, bietet so auf der Basis der bekannten Simatic-Baureihe speziell für die Prozessindustrie Lösungen unter der Bezeichnung Simatic PCS 7 an. „Der Auftragseingang steigt über unsere Erwartungen hinaus. Mehr als 2100 Projekte weltweit haben wir bereits realisiert“, konstatiert Fachmann Kayser. Die Entwicklung sei hier rasant, und in Hannover wird eine neue Hochleistungs-SPS eingeführt, die in den Bearbeitungszeiten bis zu vierzigmal schneller ist als bisherige. Auch die SPS-Peripherie, wie das leistungsfähige Textdisplay TD 200C, ist speziell auf die Steuerungen abgestimmt worden.
Im neuen Werk der Wacker Siltronic GmbH in Freiberg (Sachsen) wird die Simatic PCS 7 zur Produktion von 300-mm-Silizium-Wafern eingesetzt – selbst im Reinraum, dem Herzstück der neuen Produktionsstätte, ebenso wie in den Nebengewerken Reinstwasser, Abwasser, Chemikalienversorgung und technische Gase. In dem hochsensiblen Prozess, der höchste Qualitätsansprüche hat, soll die Automatisierungslösung gleich bleibende Konditionen und Medienversorgung rund um die Uhr sicherstellen.
Pioniere für bereichsübergreifende Steuerungs- und Leittechnik sind auch die großen Bierbrauer. Das ist bei der Bitburger Brauerei so, wo ein Großteil der Steuerungskomponenten von Siemens kommt. Hier bilden die Prozessinformationen die Basis für eine aktive Entscheidungsfindung und den Eingriff in den Produktionsprozess, via SAP-Netzwerkstruktur. Darunter siedelten die Bitburger Steuerungsexperten die Produktionsleitebene mit dem Siemens-Leitsystem Braumat Classic an. Via Industrial Ethernet gelangen die Daten von dort zu den Automatisierungsgeräten Simatic S5 und S7 in der Prozessleitebene. Über Profibus DP werden die digitalen und analogen E/A angeschlossen, während über den verfahrenstechnischen Profibus PA die Brauprozessdaten wie Durchfluss, Pegel, Druck und Temperatur übermittelt werden.
Wettbewerber Warsteiner setzt auf den ABB-Ansatz Industrial-IT, der alle Parameter der Produktion sichtbar macht. Dies dient auch als aktueller Input für die Wartungs- oder Produktionsplanung. Neu bei der Mannheimer ABB AG (Halle 11, Stand A34) ist das Prozessleitsystem Industrial IT Extended Automation System 800xA. Der Anwender kann auf sämtliche Bereiche über eine einzige, auf seine Anforderungen zugeschnittene Benutzeroberfläche zugreifen. Außerdem können die Komponenten des Prozessleitsystems in die verschiedenen ABB-Leittechnikfamilien wie beispielsweise Melody, Freelance 800F oder Advant eingebunden werden.
Ein spannendes Thema dürfte auch die Frage sein, ob es einen Migrationstrend von SPS- hin zu PC-basierten Lösungen gibt und mit welchem Tempo er verläuft. Hier ist die den neuen Technologien aufgeschlossenere Fertigungsindustrie der eher konservativen und in größeren Zeitabständen agierenden Prozessindustrie um viele Applikationen voraus. Die Anbieter der Technik wetteifern in diesem Wachstumssegment jedoch unverändert um Marktanteile durch immer mehr Leistung und Funktionalitäten. Siemens beispielsweise rüstet seine skalierbaren Industrie-PC mit der Pentium-4-Technologie aus. Auch das Erweitern der Hauptspeicher und der Festplatten in den 80-GB-Bereich und eine noch bessere Systemverfügbarkeit durch Spiegelplatten oder neue Diagnose- und Meldesoftware haben sich die Hersteller auf die Fahne geschrieben. Schließlich sind maschinennahe Industrie-PC oft großen Temperaturschwankungen und Schockbelastungen ausgesetzt. „Diese Bewährungsproben haben die Automatisierungslösungen in der Reifenproduktion bereits bestanden“, sagt Kurt Schoppmann. Der Abteilungsleiter der Steuerungstechnik bei der Continental AG in Hannover ist überzeugter Verfechter der IPC-Technik und setzt bereits seit 1998 auf die PC-basierte Technik. Weit über 1000 Steuerungen sorgen in den vielfältigen Prozess- und Fertigungsabläufen für die richtigen Mixturen, Materialzuführungen, Vulkanisation und Endinspektion bis hin zur automatisierten Beulenprüfung. „Abhängig von dem jeweiligen Anlagentyp konnten wir mit dem IPC-Ansatz gegenüber der klassischen Leitrechner/SPS-Konfiguration über 50 Prozent an Hardware- und Installationskosten sparen“, berichtet der Steuerungsexperte. Windows-Betriebssysteme und Standard-Softwareschnittstellen bedeuten dabei nicht nur einfache Inbetriebnahmen, sondern auch vereinfachten Fernwartungszugriff.
Natürlich bleiben immer noch Wünsche offen, wie Sicherheitsfunktionen, die in der Antriebstechnik und in Ethernet integriert werden müssen.
Automatisierung bildet den Wettbewerbsfaktor
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de