Auf hochuntersetzende Präzisionsgetriebe hat sich der Limburger Anbieter Ries Maschinenbau spezialisiert: Alle seine Produkte sind aus einer Handvoll Segmenten aufgebaut, die der Anwender variieren kann. So spart er Entwicklungszeit und Geld für teure Sondergetriebe.
Von unserem Redaktionsmitglied Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Ein Getriebe mit einem Gehäuse aus Granit für die Mikromesstechnik? Ein Silberschräubchen an bestimmten Stellen, weil das gute Stück unter Vakuum eingesetzt werden soll? „Präzisionsgetriebe für solche Spezialfälle stellen wir aus unserem Baukasten relativ einfach zusammen“, sagt Arnold P. Ries, Chef und Namensgeber des Limburger Unternehmens Arnold Ries Maschinenbau.
Üblicherweise werden in solchen Fällen Sondergetriebe eingesetzt, die jedoch bei kleinen Stückzahlen ein Produkt unverhältnismäßig teuer machen. „Weil unsere Produkte aus Segmenten aufgebaut sind, können wir Sonderwünsche auch ohne einen komplett neuen Entwurf erfüllen“, sagt Ries. Darüber hinaus habe der Anwender in der Testphase mehr Möglichkeiten, sein Getriebe mit Varianten schnell und ohne hohe Kosten zu optimieren.
Die Basis für den Präzisionsgetriebe-Baukasten RSM Ries Modular Design ist eine Ingenieursarbeit, die der Geschäftsführer vor zehn Jahren begonnen hat und heute immer noch fortsetzt. Mit hochuntersetzenden Präzisionsgetrieben für verschiedene Branchen wie Druckmaschinen, Mess- und Mikrosystemtechnik, für die optische Industrie oder die Laser- und Medizintechnik kannte sich der ehemalige Mitarbeiter eines Getriebeherstellers schon gut aus. Die in diesen Branchen auftretenden Anforderungen fasste er in einer Liste zusammen. Dabei zeigte sich, wo sinnvollerweise Segmente innerhalb des Getriebes abgegrenzt werden können. Für diese Segmente entwickelte Ries jeweils eine Handvoll funktionsoptimierter Systemelemente. Aus ihnen baut er heute seine Standard-Getriebe, die dennoch an die Aufgabe angepasst sind.
Zum RSM-Getriebebaukasten gehören unterschiedliche Geometrien, verschiedene Lagerungen sowie alle Funktionsweisen, die für Präzisionsgetriebe geeignet sind: Neben dem Spannungs-Wellen-Prinzip, das unter dem Namen Harmonic Drive bekannt ist, werden auch Getriebe nach dem Exzenter-Cycloiden-Prinzip mit unterschiedlichen Wirkprinzipien eingesetzt. Auch Hochleistungszahnriemenstufen für Hohlwellenanwendungen und Direktantriebe ohne eigene Getriebestufe sind möglich – ebenso Kunststoff-Spannungs-Wellen-Getriebe, sofern größere Stückzahlen erreicht werden.
Dieses „Tuning“, wie Ries selbst es nennt, ermöglichte es einem Kunden, beispielsweise eine vierte und fünfte Achse für eine Werkzeugmaschine zu bauen, die mit Abtriebsklemmung, Dämpfung und Absolut-Abtriebsencoder ausgestattet war. In einem anderen Fall war die Dichtung am Getriebe das schwächste Glied in der Kette. „Alle sonstigen Getriebe, die der Anwender unter Keramikstaub getestet hatte, sind ausgefallen“, berichtet der Limburger. Aber die Lösung aus dem Baukasten laufe inzwischen seit 1997. Generell erreichen seinen Angaben zu Folge die Getriebe aus Limburg eine hohe Lebensdauer. In den elf Jahren seien gerade fünf Getriebe ausgefallen.
Dennoch ruht sich der Geschäftsführer nicht auf seinen Lorbeeren aus. Kommt ein neues Getriebeprinzip auf den Markt und hat sich dessen Funktion und Qualität bewährt, nimmt er die Innovation in seinen Baukasten auf, damit dieser auf dem Stand der Technik bleibt. „Unsere Nische ist da, wo es darum geht, dass die innovative Idee eines Konstrukteurs eine Chance erhält“, betont der Getriebehersteller.
Im Fall einer Dreh-Schwenkeinheit für eine kleine HSC-Werkzeugmaschine brachte der Baukasten Vorteile im Gewicht und im Preis. Zwei Achsen, die nach herkömmlicher Bauweise eine Fläche von rund 400 mm x 400 mm in Anspruch nahmen und etwa 100 bis 120 kg auf die Waage brachten, ließen sich mit Produkten aus dem Baukasten ersetzen: Die Lösung wog 10 kg und maß etwa 100 mm x 300 mm. „Preislich lagen wir hier etwa bei der Hälfte der herkömmlichen Lösung. Das rechnet sich für alle Beteiligten, sogar bei nur fünf verkauften Einheiten pro Jahr“, sagt Ries.
Die Teile, aus denen er seine Komplettgetriebe zusammenstellt, bezieht er aus aller Welt. Präzisionsteile kommen aus Wetzlar, Drehteile aus dem Raum Koblenz, zeitunkritische Serienteile aus Tschechien, und die Getriebe stammen aus Deutschland, Japan und den USA. Dabei hat Ries die Kosten im Blick. „Wenn man uns genügend Zeit lässt, können wir so auf einen vernünftigen Preis kommen – andernfalls bezahlt man deutsche Wertarbeit.“
Derzeit sucht der Limburger Anbieter nach Vertriebspartnern und Kooperationen, da er sein Konzept auch ins europäische Ausland oder nach China exportieren möchte. Neben den klassischen Anwendungen im Maschinenbau seien seine Produkte auch für andere Bereiche geeignet, die höchste Präzision erfordern, wie die Labortechnik, Medizintechnik und Dentaltechnik – und wenn es sein muss, bekommt der Anwender auch Getriebe, in denen Teile aus Gold gefertigt sind.
Harter Einsatz: Selbst unter Keramikstaub hält das Getriebe dicht
Präzision aus dem Baukasten
Das RSM Modular Design System ist ein Komplettgetriebe-Baukasten. Er soll es dem Konstrukteur erleichtern, ein Getriebe mit speziellen Eigenschaften in seine Anwendung zu integrieren. Für alle im Baukasten definierten Segmente sind Standardbauteile vorhanden, aus denen individuelle Getriebe gebaut werden. Auf Wunsch lassen sich Bauteile für einzelne Segmente auch als Sonderteile konstruieren und besonderen Anforderungen anpassen.
Der Entwickler Ries hat beim Erstellen seines Baukastens sowohl die Forderungen aus der Bewegungsmechanik der Getriebe berücksichtigt als auch die wechselnden Anforderungen an die Gehäuse: Diese Schnittstelle zur Umgebung kann der Anwender ebenfalls passend zu seiner Aufgabe auswählen.
Laut Hersteller bieten die RSM-Getriebe eine Reihe von Vorteilen:
- hohe Leistung bei geringem Gewicht sowie niedrigem Volumen,
- Material, Oberfläche, Schmierstoff, Reinheit, zulässige Verformung sowie weitere Eigenschaften des Getriebes lassen sich der Anwendung entsprechend auswählen,
- die Reproduzierbarkeit der Bewegung und die Präzision kann der Anwender an die Aufgabe anpassen,
- die Getriebe sind leicht montier- und demon tierbar sowie auf Wunsch recyclingfähig konstruiert.
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