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„Wer den Standort schlecht redet, unterstreicht nicht seine Kompetenz“

Für Fraunhofer-IPA-Chef Professor Engelbert Westkämper ist die Zeit reif für Investitionen
„Wer den Standort schlecht redet, unterstreicht nicht seine Kompetenz“

Für Professor Engelbert Westkämper, Chef des Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Stuttgart, ist es besser, in die Automatisierung zu investieren, als die Produktion in Billiglohnländer zu verlegen.

Das Gespräch führte Gerhard Vogel, Fachjournalist in Königsbrunn

Herr Professor Westkämper, in einigen Jahren erreichen die geburtenschwachen Jahrgänge das Berufseintrittsalter. Beschert diese Entwicklung der Automatisierungsbranche automatisch volle Auftragsbücher?
Ich glaube nicht, dass die Veränderung des demografischen Faktors ausreicht, die Automatisierung voranzubringen. Dass wir jedoch, um auch in der Zukunft international wettbewerbsfähig zu bleiben, weiterhin automatisieren müssen, daran kann kein Zweifel bestehen. Wie weit wir dabei gehen, hängt einerseits vom technisch Machbaren ab, vor allem aber von der wirtschaftlichen Tragfähigkeit der Lösungen.
Wie weit muss man den Bogen spannen?
Deutlich weiter als bisher. Es geht nicht vorrangig um das Erhöhen des Automatisierungsgrades, sondern um den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit, und das gemessen an der globalen Vergleichsskala. Natürlich auch über den Weg der Automatisierung, jedoch nicht ausschließlich.
Wenn wir über Automatisierung unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten oder wiedergewinnen wollen, bieten sich dann am Standort Deutschland nicht besondere Chancen?
Ja, denn am Standort Deutschland steht Unternehmen alles zur Verfügung, womit sie ihre Produktivität steigern können. Dazu gehören hervorragend ausgebildete Arbeitskräfte sowie die besten Entwickler und Anbieter von Automatisierungssystemen. Dass viele der entsprechenden Unternehmen ihr Know-how weltweit vermarkten, lässt natürlich auch hoch qualifizierter Arbeitsplätze in Deutschland entstehen. Zu sagen, die Automatisierung vernichte nur Arbeitsplätze, wäre also viel zu kurz gedacht.
Hat der Mittelstand besonders im Automo- tive-Segment Nachholbedarf gegenüber der Großindustrie?
Natürlich gehören unsere Automobilhersteller und deren Zulieferer zu den Wachstumsmotoren der Automatisierungsbranche. Ob der Mittelstand Nachholbedarf hat, das kann ich schwer sagen, zumal es praktisch keine sinnvolle Maßskala gibt. Aus meiner Erfahrung heraus sehe ich, dass es im Mittelstand noch erhebliche Wachstumspotenziale für die Anbieter von Automatisierungstechnik gibt. Da längst nicht alle Fabrikausrüster über prallvolle Auftragsbücher verfügen, erscheint es besonders interessant, jetzt zu investieren.
Ist der Trend zur Losgröße 1 ungebrochen?
Ja, doch damit nicht genug. Stärker als in der Vergangenheit entscheidet heute zusätzlich der Faktor Zeit über die Auftragsvergabe. Zum Zuge kommt, wer die richtige Ware in bester Qualität innerhalb kürzester Zeit liefern kann. Ich bin überzeugt, dass die Kundenorientierung und die Reaktionsgeschwindigkeit auf Marktveränderungen, aber auch beim Angebot sowie in der Entwicklung und Produktion künftig zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren gehören. Die kleinen Losgrößen betreffen künftig nicht nur die Produktion, sondern zunehmend auch die Produktentwicklung und die Logistik.
Wie sollten Unternehmen dieser Gegebenheit begegnen?
Der weitaus wichtigste Ansatz sind durchgängige Prozesse vom CAD bis zu den Produktionsprozessen und der Logistik. Natürlich kann es keinen Weg geben, der für alle Praxisfälle Gültigkeit hat. Es ist sicher richtig, die Informationsprozesse und die Entscheidungsstrukturen auf den Prüfstand zu stellen und nötigenfalls im Sinne eines optimalen Wertstromdesigns zu verändern. Weitere Ansatzpunkte bieten die Durchlaufzeiten in der Fertigung und in der Montage sowie im Logistikbereich. Die Erfahrung lehrt auch, dass sich schnelle Durchlaufzeiten bei möglichst niedrigen Beständen oft nur erreichen lassen, wenn bereits die Konstruktion von Produkten und Baugruppen so vorgenommen wird, dass kundenspezifische Anpassungen mit geringem Aufwand möglich sind.
Geraten die Unternehmen so nicht in die Falle einer kaum noch beherrschbaren Komplexität?
Hier muss man aufgepassen, dass alle logischen Verknüpfungen der Prozesse bis ins letzte Detail durchgeplant sind, um so jedes Problem in der Griff zu bekommen. Viel größer als die Risiken schätze ich die Chancen ein, die sich aus der Factory Automation und natürlich auch aus der durchgängigen Vernetzung aller prozessbeteiligten Systeme im Sinne einer digitalen Fabrik ergeben.
Inwieweit stellt unsere Ausrüsterindustrie einen wichtigen Arbeitsplatzfaktor dar?
Wie schnell wir in der Automatisierungstechnik vorankommen und bei der weiterführenden Integration aller Informations-, Fertigungs-, Montage- und Logistiksysteme, das hängt entscheidend von der Engineeringfähigkeit ab. Und die ist in Deutschland so gut, dass wer den Standort schlecht redet, damit nicht seine Kompetenz unterstreicht. Heute stehen für das Engineering in den Unternehmen 16 Prozent Ingenieure zur Verfügung, vor zehn Jahren waren das noch rund sieben bis acht Prozent. Die Tendenz ist weiter steigend so dass wir bis in fünf Jahren bei etwa 20 Prozent liegen werden. Die ersten Produktionen kehren schon wieder zurück und etliche Unternehmer räumen inzwischen ein, dass sie die Verlagerungskosten wohl besser in Automatisierungsprojekte investiert hätten. Wir brauchen nicht die billigsten Maschinen, sondern die, mit denen wir die niedrigsten Stückkosten erzielen können.
Automatisierte Maschinen müssen die Stückkosten senken

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Automation live präsentiert erneut in Halle 17 innovative und vernetzte Automatisierungslösungen. Am Beispiel des neuen VW-Cabrio Eos erlebt das Publikum den Fertigungsprozess. Es beginnt in der digitalen Fabrik mit der Produkt- und Prozessentwicklung sowie der Planung des Produktionsablaufs.
Im Karosseriebau werden Einzelteile mit Hilfe hochmoderner Lasertechnik zusammengeschweißt. Hier steht die Verknüpfung von Anlagenbau, Innovation und Anwenderschulung im Vordergrund. In der Lackiererei wird das Fahrzeug anschließend beschichtet. Die Anlagen stammen zum Teil aus der Fertigung, zum Teil handelt es sich um neu entwickelte Technologien.
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