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Wer in China auf der Erfolgswelle reiten will, braucht Stehvermögen

Strategie: Den Markteintritt ins Reich der Mitte sorgfältig planen
Wer in China auf der Erfolgswelle reiten will, braucht Stehvermögen

China ist nicht der richtige Ort, um das schnelle Geld zu verdienen, wissen Experten. Nur wer einen langen Atem hat und regelmäßig seine Geschäfte vor Ort betreut, kann von den hohen Wachstumsraten profitieren.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de

Vor dem Erfolg steht die Selbsterkenntnis. „Die Chinesen haben mich nicht gerufen, ich bin Gast in einem fremden Land“, sagt Kirsten Stern entschieden. Die Gesellschafterin und Marketing-Leiterin der Tecmen Antriebstechnik GmbH aus dem Saarländischen Illingen kurbelt seit fünf Jahren das China-Business ihres Unternehmens an. Ihr wichtigster Rat: „Wer in einen völlig anderen Kulturkreis geht, muss flexibel sein, er muss sich anhören, was die zukünftigen Partner wollen, was sie denken und wie sie leben.“
Erfolge dieser Strategie stellen sich nach und nach ein: Dieser Tage haben die Antriebstechniker von der Saar einen prestigeträchtigen Großauftrag aus der chinesischen Stahlindustrie an Land gezogen. Erstmals rüsten sie ein neues Werk mit ihren Lösungen aus: Die Saarländer sind auf flexible Kupplungen, hauptsächlich für den Sondermaschinenbau, spezialisiert.
Der Auftrag sei der Lohn für „drei Jahre harte Arbeit“, berichtet Managerin Stern. „Die Erwartung, in China schnelles Geld zu verdienen, wäre der größte Fehler“, so lautet das Fazit der Macherin, die jährlich rund 40 Tage im Reich der Mitte verbringt, um den Kontakt zu Kunden und zu den Mitarbeitern in ihrem deutsch-chinesischen Joint Venture zu pflegen.
China ist der Wachstumsmarkt schlechthin. Trotz weltweiter Wirtschaftskrise, der Lungenkrankheit Sars und Irakkrieg ist die chinesische Wirtschaft laut Statistikbehörde im ersten Halbjahr dieses Jahres um über 8 % gewachsen. Analysten gehen davon aus, dass das zweite Halbjahr ähnliche Wachstumsraten verzeichnen wird. Die deutsche Großindustrie – allen voran die Chemie- und Automobilindustrie – investieren dort große Summen. Im Kielwasser dieser Dickschiffe will der Mittelstand am Geschäft mit der sechstgrößten Wirtschaftsmacht der Welt teilhaben.
„China liegt berechtigterweise im Trend“, urteilt Christian Sommer, Leiter des German Centre in Peking, das von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), Stuttgart, betrieben wird. Für den Mittelstand sei es generell wichtig, den Markteintritt zu wagen. Aber: „Unvorbereitete Versuche erhöhen das Risiko von Fehlschlägen“, warnt der Experte vor Schnellschüssen, ebenso wie die Unternehmerin Stern. Schon mancher hat sich eine blutige Nase geholt, als er sich ohne lange zu zögern auf den Markt gestürzt hat.
Die Aufbruchstimmung in der Volksrepublik birgt laut Sommer eine große Gefahr: „Der China-Boom verführt zur Euphorie.“ Begeistert von der Dynamik und Flexibilität der Chinesen sei die Versuchung groß, die eigenen Schritte in den Markt nicht sorgfältig zu planen.
Deutsche Maschinen sind in China gefragter denn je. Die Volksrepublik ist bereits der drittwichtigste Exportmarkt für deutsche Hersteller von Maschinen- und Anlagen, hat der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) e.V. in Frankfurt/M. errechnet. Deutsche Hersteller rangieren dort hinter den Japanern als Maschinenlieferanten an zweiter Stelle. Für einzelne deutsche Industriezweige ist China als Absatzmarkt bereits lebenswichtig, so zum Beispiel für Textilmaschinen, Druck- und Papiertechnik sowie Werkzeugmaschinen. Gerade die deutschen Werkzeugmaschinen-Exporte in die Volksrepublik haben sich rasant entwickelt. Im ersten Halbjahr dieses Jahres stiegen die Ausfuhren nach der Statistik des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW) um 50 % auf 223 Mio. Euro.
Für viele Mittelständler war das Geschäft mit der Automobilindustrie ein Sprungbrett in den Markt. Die Autobranche expandiert weiter: Daimler-Chrysler will über eine Milliarde Euro investieren, um in China die C- und E-Klasse zu produzieren, wird berichtet. Volkswagen verkauft voraussichtlich in diesem Jahr erstmals mehr Fahrzeuge im Reich der Mitte als in der Heimat.
Ein Turbo für diesen Boom war nicht zuletzt der Beitritt der Volksrepublik zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2001. Im Zuge der Handelserleichterungen, die die Regierung nach und nach umsetzt, versuchen kleine und mittlere Betriebe ihr Glück, die dies zuvor nicht gewagt hatten.
Tecmen-Managerin Stern war schon lange vor dem WTO-Beitritt in China aktiv. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Wolfgang und zwei Kompagnons gründete sie die GmbH 1997 in Illingen. Von Beginn an hatten sie das Ziel, mangels Marktchancen zu Hause, auf Wachstumsmärkten ihr Glück zu suchen. 1998 hielten sie erstmals nach einem Joint-Venture-Partner in China Ausschau. „Wir haben ganz intensiv recherchiert“, berichtet Kirsten Stern, „nicht nur ob sich das Produkt verkauft, auch über das Umfeld, die Standorte und Märkte.“ Zupass kam, dass sie bereits über familiäre Kontakte einen Draht nach China hatte und keine Anfängerin auf Reisen im Riesenreich war.
Nach langer Suche trafen sie den richtigen Partner. Mit großem Tamtam wurde der Vertragsschluss vollzogen, der sogar im Fernsehen gezeigt wurde. Damals – zu Beginn des Öffnungsprozesses – war ein solches Joint Venture noch eine Seltenheit. In ihrem Gemeinschaftsunternehmen beschäftigen die Saarländer nunmehr 18 Mitarbeiter. Standort ist die Industrie- und Maschinenbaumetropole Nanjing. In der Boomtown Shanghai wären sie wahrscheinlich fehl am Platz gewesen, weiß Managerin Stern: „Das ist ein IT-Standort, unsere Kunden – Chemie- und Stahlindustrie – sind mehr in unserer Region.“
Damit der Laden läuft, ist viel persönlicher Einsatz nötig. „Sonst geht das Joint Venture kaputt“, sagt sie, „,in Deutschland kümmere ich mich doch auch um meine Mitarbeiter.“ Man versetze sich in die Lage „dieser jungen, ehrgeizigen und gut ausgebildeten Menschen“, für die das Joint Venture etwas ganz besonderes sei, betont Kirsten Stern. „Die wollen nicht nur die zweite Geige spielen.“
Die Expertin empfiehlt, bei den Recherchen die Informationsangebote von Außenhandelskammer (AHK) und Ostasienverein in Hamburg zu nutzen. Wichtige Anlaufstellen sind die German Centres in Peking und Shanghai. Spätestens dort korrigieren Experten allzu optimisische Planungen der Entrepreneure. „In der Regel muss von mindestens fünf Jahren der Dürre ausgegangen werden, bevor ein Return on Investment zu erwarten ist“, sagt beispielsweise Andreas Lux von der Bayerischen Landesbank in München, der Mutter des German Centre Shanghai.
„Man muss sich bewusst sein, dass man Geld in die Hand nehmen muss“, urteilt Fachmann Lux. Außerdem müssen die mittelständischen Unternehmer meist mehr Zeit mitbringen als in Europa. Lux: „In China macht man Geschäfte, wenn die Zeit dafür gekommen ist.“ Und dieser Zeitpunkt deckt sich selten mit dem Plan des westlichen Geschäftsmannes.
Die German Centres, die mit Büroräumen, Consulting und Kontakten deutschen Firmen Starthilfe geben, sind seit Jahren voll ausgelastet. Den Bayern, seit 1994 in den Gebäuden der Shanghaier Universität, wird es zu eng. Sie wollen nächstes Jahr ein multifunktionales, neues Zentrum im Finanzdistrikt Pudong errichten. Die Schwaben von der LBBW sind seit 1999 im Chaoyang District in der Hauptstadt Peking zu Hause.
China steht im Zuge des Wirtschaftswunders mehr denn je im Licht der Öffentlichkeit. Die Regierung fördert diesen Eindruck durch publikumswirksame Aktionen: Haben die Funktionäre dieser Tage erstmals erfolgreich einen Menschen ins All geschossen, kommt im nächsten Jahr der Rennsport-Macher Bernie Ecclestone mit seinem Formel-1-Zirkus. 2008 findet die Olympiade in der Volksrepublik statt, 2010 die Weltausstellung.
Dass in China nicht alles Gold ist was glänzt, hat sich herumgesprochen. Das Land hat Probleme, die den Ökonomen Sorge bereiten: Die Währung Yuan Renminbi ist an den US-Dollar gekoppelt und chronisch unterbewertet, was die chinesischen Exporte ankurbelt, aber die Vereinigten Staaten erzürnt, die sich vor chinesischen Billigimporten nicht mehr retten können. Das Bankensystem gilt als instabil, und die Arbeitslosigkeit, die zwischen 4 % und 10 % betragen soll, birgt sozialen Sprengstoff. Das Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land ist allgegenwärtig. Während eine vergleichsweise wohlhabende Mittelschicht in den Ballungszentren vom ersten Autokauf träumt, ist das flache Land unterentwickelt. Über 40 % der Menschen in der Volksrepublik sind nach offiziellen Zahlen noch im primären Sektor beschäftigt, der nur 15 % zum Bruttoinlandsprodukt beisteuert.
Zudem lassen Geschäfts-Gepflogenheiten manchen deutschen Kaufmann ratlos zurück. Plagiate sind an der Tagesordnung, heißt es. Viele sollen von chinesischen Joint-Venture-Partnern über den Tisch gezogen worden sein, berichten Unternehmer hinter vorgehaltener Hand.
„Dazu gehören immer zwei“, relativiert China-Managerin Stern, „einer der zieht, einer der sich ziehen lässt.“ Sie selbst habe noch keine schlechten Erfahrungen gemacht. Zum einen habe man einen „sehr gut ausgearbeiteten Joint-Venture-Vertrag“, der für beide Seiten fair sei. Zum anderen habe sie „volles Vertrauen“ in die dortige Mannschaft.
Um erfolgreich zu sein, sind Kleinigkeiten ausschlaggebend, hat sie festgestellt: die leisen Töne, das Taktgefühl und das genaue Zuhören. Da kann auch ein pfiffiger Firmenname helfen: So habe sich die Firmierung Tecmen als genau die Richtige erwiesen, ohne dass dies absehbar gewesen sei. Überall öffnen sich die Türen, wenn Kirsten Stern mit diesem Namen vorspricht. „Technik und Mensch – das gefällt den Leuten“, sagt sie. Und vielleicht das Wichtigste: „Jeder Chinese kann den Namen gut aussprechen.“
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