Wenn die Zahl der international angemeldeten Patente ein Gradmesser für wirtschaftliche Perspektiven ist, dann muss einem um die Zukunft deutscher exportorientierter Mittelständler bange werden. Dieter Schaudel, Vorstand der Endress+Hauser Holding AG, weiß, wie Unternehmen mit der Dominanz der USA und Japans auf dem Gebiet umgehen sollten.
Das Gespräch führten unsere Redaktionsmitglieder Dietmar Kieser und Werner Möller
Herr Schaudel, wie sehr trifft es Sie als mittelständischer Unternehmer mit Tüftlern in den eigenen Reihen, dass Japan Deutschland bei der Zahl der internationalen Patentanmeldungen von Platz zwei verdrängt hat?
Ich halte diese Entwicklung, gelinde gesagt, für nicht gut. Sie ist auch ein Hinweis darauf, dass uns nicht nur die Arbeitsplätze in Deutschland massenhaft wegbrechen, sondern auch die neuen Ideen ausgehen – und damit der wichtigste Treibstoff für Innovationen. Zwar beunruhigt die relative Zunahme Japans. Noch mehr Sorgen macht aber die weiterhin unangefochtene Dominanz der USA mit mehr als 37 Prozent aller Patentanmeldungen.
Heißt das, die deutschen Erfinder ruhen sich zu sehr auf ihren Lorbeeren aus?
Nein, die US-Firmen verfolgen eine andere Strategie. Denn die transatlantischen Wirtschaftskriege werden heute immer weniger mit Zöllen und Normen ausgefochten, dafür öfter mit den Waffen des amerikanischen Patent- und Patentprozessrechts. Wer einen Angriff mit diesen schon mal am eigenen Leib erfahren hat, der weiß: Da kann es für kleine und mittlere Firmen aus Europa ganz schnell um die blanke Existenz gehen. Denn in dem Land der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten gelten von Rechts wegen auf dem Gebiet der IPR (Intellectual Property Rights) Verhältnisse, die für mitteleuropäisches Rechtsempfinden zunächst unglaublich sind. Das Patentrechtssystem in den USA erscheint uns als ‚für die Reichen gemacht‘.
Womit begründen Sie dies?
Unter anderem damit, dass Verletzungsverfahren extrem teuer sind und, anders als bei uns, die obsiegende Partei in der Regel ihre Kosten auch noch selbst tragen muss. Deshalb hat ein Patentinhaber kaum eine Chance, in den USA sein Recht gegen einen finanzkräftigeren Verletzer tatsächlich durchzusetzen. Umgekehrt können finanziell starke Firmen ihrerseits ein unerwünschtes Mittelstandsunternehmen vom US-Markt fernhalten oder einfach dadurch vertreiben, dass sie einen einigermaßen plausiblen Angriff aus einem ihrer Patente starten …
… der einiges kosten dürfte.
Als Daumenwert mag gelten, dass ein solches Verfahren jede Partei jährlich etwa zwei Millionen Dollar kostet, und dass es sich mühelos bis zu fünf Jahren hinziehen lässt. Zudem droht am Ende einem tatsächlichen oder vorgeblichen Verletzer ‚triple damage‘, also ein dreifacher Schadenersatz, wenn auf vorsätzliche oder wissentliche Patentverletzung erkannt wird – von einer Jury aus Bürgern mit makellosem Lebenswandel, aber meist ohne technischem oder rechtlichem Sachverstand.
Welchen Rat geben Sie den deutschen Mittelständlern?
Wer mit seinen Produkten den Dunstkreis des eigenen Kirchturms verlassen will, dem kann ich nur raten, dass er erstens ein eigenes ‚Waffenarsenal‘ mit Patenten aufbauen sollte, dessen bloße Anwesenheit mögliche Angreifer abschreckt – die Großen machen das schon lange so – und das man im Ernstfall in der Verhandlung einsetzen kann. Zweitens gilt es, bei jedem neu auf den Markt zu bringenden Produkt vorher sorgfältig zu prüfen, ob es in den USA ein Patent verletzt. Drittens sollte jede noch so gering erscheinende Drohung aus den USA wegen einer angeblichen Patentverletzung sofort zur Chefsache gemacht werden, um sie möglichst früh zu ersticken.
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