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Werkzeug-Panzer aus der Pulverschicht

Laserauftragschweissen: Verschleissschutz für Walzen und Stosswerkzeuge
Werkzeug-Panzer aus der Pulverschicht

Widerstandsfähige Schneid- und Umformwerkzeuge müssen nicht mehr komplett aus Hartmetall gefertigt werden. Pforzheimer Forscher nutzen den Laser, um dem Stahl eine schützende Hülle aufzuschweißen.

Es ist reine Verschwendung: Damit die glatte Oberfläche einer Walze beim Umformen von Blechen nicht zu schnell verschleißt, wird oft das komplette Teil aus teurem Hartmetall gefertigt. Eine Alternative dazu soll ein Verfahren bringen, das Mitarbeiter der Hochschule Pforzheim getestet haben. Sie nutzen das Laserauftragschweißen, um auf eine Walze aus herkömmlichem Stahl eine dünne Schicht Hartmetall aufzutragen. Diese Matrix mit eingebettetem Wolframcarbid macht die Oberfläche extrem hart: Gehärteter Stahl allein erreicht auf der Vickers-Härteskala Werte um 800 HV. Mit der Wolframcarbid-Schicht sind hingegen Werte im vierstelligen Bereich möglich.

Die ersten Praxistests in Maschinen haben solcherart beschichtete Walzen und Stoßwerkzeuge schon hinter sich gebracht, und die Technik birgt ein immenses Sparpo- tenzial. Für einen kleinen Stanzstempel beispielsweise dauere das Beschichten nur etwa 10 s, und die reinen Materialkosten für das Hartmetall betrügen etwa 10 Euro, berichtet Andreas Baum, der das Projekt seit 2003 von der fertigungstechnischen Seite betreut. „Auch wenn sich die Kosten für jede Anwendung unterscheiden“, sagt er, „wird ein beschichtetes Werkzeug – in Abhängigkeit von der Größe – in den meisten Konturen günstiger sein als ein Stempel ganz aus Hartmetall.“
Grundsätzlich geeignet ist das Beschichten für alle Werkzeuge für die Kaltumformung, seien es Walzen, Tiefzieh-, Stanz- oder Stauchwerkzeuge. Auf Schneiden mache die harte Schicht ebenfalls eine gute Figur. „Praxisversuche in einer Stoßmaschine haben gezeigt, dass die Schicht auch für Schneidanwendungen geeignet ist.“ Nun richtet sich das Interesse eines Projektpartners aus der Industrie darauf, das Laserbeschichten für besonders große Sonderwerkzeuge für die Zerspanung zu nutzen. „Für eine Wendeschneidplatte macht der Aufwand des Beschichtens natürlich keinen Sinn“, räumt Baum ein.
Damit die elegante Lösung mit der dünnen Schicht die Anforderungen an Härte und Haltbarkeit erfüllt, haben die Pforzheimer viel Grundlagenforschung betrieben. Variieren lässt sich beinahe alles: der Basiswerkstoff, die Mischung für das aufgetragene Pulver, die Anzahl der Schichten und damit die Gesamtdicke der Beschichtung. „Wir haben festgestellt, dass all diese Faktoren die Eigenschaften und die Mikrostruktur von Trägermaterial und Schicht beeinflussen“, sagt die Pforzheimer Werkstoff-Expertin Ursula Christian. „Jetzt nutzen wir das Wissen, um Schichten nach Wunsch zu designen.“
So können die Pforzheimer entscheiden, ob die Oberfläche des Werkzeugs eher etwas härter werden soll oder ob es vor allem darum geht, sie nicht zu spröde werden zu lassen. Menge, Größe und Form des Wolframcarbids im Pulver geben ihnen weitere Freiheiten, die Oberflächeneigenschaften zu beeinflussen. Jede Kombination von Matrix und Carbiden untersuchen sie metallurgisch und lassen das gesammelte Wissen in eine Datenbank einfließen. „Das erleichtert uns das Gestalten der Werkzeugoberflächen inzwischen erheblich“, betont der Experte Baum.
Parallel zu weiteren Charakterisierungen im Labormaßstab wird derzeit die Standzeit der Walze geprüft. Die ersten Ergebnisse seien überraschend gut gewesen, heißt es aus Pforzheim. Jetzt gehe es darum, das Werkzeug so stark zu belasten, dass es das Ende seiner Lebensdauer erreicht – was den Wissenschaftlern und ihren Partnern von der Bühler & Co. GmbH in Pforzheim bisher noch nicht gelungen ist.
Sobald die Materialien, die sich für das Beschichten der neuen Bauteile eignen, näher eingegrenzt sind, möchte Bühler-Geschäftsführer Klaus Ruck die beschichteten Walzen mit ersten Anwendern unter Produktionsbedingungen testen. „Ich denke, dass wir Mitte 2007 die ersten Gespräche führen können“, sagt der Firmenchef. Die Walzen der neuen Generation sollen mit ihrer Lebensdauer und den Kosten zwischen normal gehärteten und Hartmetallwalzen angesiedelt sein. „Damit können wir zum Beispiel den Anwendern einen Vorteil bieten, für deren Produkte sich eine Hartmetallwalze wegen der Materialkosten bisher nicht gelohnt hat.“ Der Einsatz der Wolframcarbid-Beschichtung an Führungselementen werde derzeit ebenfalls diskutiert. Die deutlichsten Vorteile seien aber bei Walzen zu erwarten.
Als Besonderheit des Verfahrens nennt Projektbetreuer Baum aber nicht nur Härte und Verschleißfestigkeit der Schichten, sondern auch die Möglichkeit, beliebig komplexe Konturen mit einer Hartmetallschicht zu überziehen. Darüber hinaus sei es seines Wissens mit keinem anderen Verfahren möglich, einige Millimeter dicke Schichten dieser Härte ohne Poren und Risse auf den Stahl aufzubringen.
Die Freiheiten des neuen Verfahrens sind für einen Anwender mitunter ein Problem. „Am einfachsten ist es, ein Teil an ein Lohnunternehmen zu geben“, rät der Diplom-Ingenieur. Jede Anwendung erfordere umfassende Voruntersuchungen. Eine entsprechende Dienstleistung bieten die Pforzheimer an und kommen mit ihrer Wissensdatenbank schnell zum richtigen Schluss.
Das Interesse an seinem Verfahren ist aber nicht auf Umform- oder Zerspanwerkzeuge beschränkt. „Es kamen auch schon Anfragen aus der Verpackungsbranche, die uns auf neue Anwendungsmöglichkeiten brachten“, berichtet Baum. So lasse sich die harte Schicht auch nutzen, um beispiels- weise stark beanspruchte Teile in einer Verpackungsmaschine vor vorzeitigem Verschleiß durch Reibung zu schützen.
Dr. Birgit Oppermann birgit.oppermann@konradin.de
Tests in der Produktion ab Mitte 2007 geplant

Mehr zur Schicht

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Die Schicht auf dem Werkzeug besteht aus einer Binder-Matrix, in die Karbide als Verschleißträger eingebettet sind. Wenn die Verfahrensparameter variieren, ändern sich die Dicke und der innere Aufbau der Schicht. Größe, Konzentration und Verteilung der Karbidteilchen beeinflussen die Härte der Schicht. An den Grundwerkstoff bindet sie sich als schmale Diffusionszone oder als Aufmischungszone, was eine dauerhafte schmelzmetallurgische Verbindung ergibt.
Kontakt: Andreas Baum, Hochschule Pforzheim, Tel. (07231) 28-635

Neue technologien
Das Laserauftragschweißen wird heute in drei Bereichen genutzt: zum Reparieren verschlissener Teile, als Verschleißschutz bei der Erstfertigung sowie als generatives Verfahren, mit dem Werkzeuge aufgebaut werden. Die Funktionsschichten können auch vor Korrosion schützen und die chemischen Oberflächeneigenschaften gezielt beeinflussen.
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