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„Wichtig ist, dass die traditionellen Märkte in Europa zugelegt haben“

Alberto Tacchella: Für Italiens Werkzeugmaschinenbauer geht es wieder aufwärts
„Wichtig ist, dass die traditionellen Märkte in Europa zugelegt haben“

Italiens Werkzeugmaschinenbauer sehen Licht am Ende des Tunnels. Alberto Tacchella, seit Mitte des Jahres neuer Präsident des Verbandes Ucimu-Sistemi per Produrre, beantwortet Fragen zur künftigen Entwicklung.

Das Gespräch führte Chefredakteur Dr. Rolf Langbein Rolf.Langbein@konradin.de

Herr Tacchella, nach einer längeren Durststrecke für Italiens Werkzeugmaschinenbauer weist das zweite Quartal wieder positive Zahlen aus. Sehen Sie einer Amtsperiode des Aufschwungs entgegen?
Wir hoffen natürlich, dass diese Entwicklung so weitergeht. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Rezession schon etliche Jahre früher begonnen hat. Denn schon vor dem Angriff auf das World Trade Center 2001 zeichnete sich diese rückläufige Entwicklung ab. Nach drei negativ verlaufenen Jahren sind die Zahlen jetzt wieder positiv. Im ersten Quartal ist der Zuwachs zwar noch gering, im zweiten aber schon etwas höher. Beziehen wir die Entwicklung jedoch auf das Jahr 2000 mit einem Index von 100, dann erreichen wir jetzt gerade einmal einen Index von 70.
Erkennen Sie in der jetzigen Entwicklung eine Trendwende?
Wir haben einen regen Informationsaustausch mit Menschen in Verbänden, Aufsichtsräten und Unternehmen. Sie alle sehen eine positive Entwicklung. Sie hören von Kunden, dass sie wieder Interesse zeigen, und die Aufträge nehmen zu. Das alles deutet darauf hin, dass es aufwärts geht.
Was war Ihrer Meinung nach die Ursache dafür, dass die letzten Jahre so schlecht gelaufen sind?
Diese Rezession ist nach Jahren ununterbrochener Entwicklung eingetreten. Der Markt der Werkzeugmaschinen folgt dem allgemeinen Wirtschaftsablauf, der von positiven und negativen Zyklen gebildet wird. Daher war zu erwarten, dass, wie schon in den Jahren 83/84 und 92/93, eine Rezession den Trend umkehren würde. Anders als bisher, hat sich diese Rezession in der ganzen Welt ausgebreitet: In den USA, in Japan und in Europa, auf der ganzen Erde.
Gibt es spezifische Gründe dafür und welche Rolle hat dabei die Einführung des Euro gespielt?
Gewiss hat auch die Währungsumstellung auf den Euro dazu beigetragen. Aber die Geschäfte, die Investitionsgüter betreffen, erfordern eine politische Stabilität. Im Jahre 2000 waren in Italien Wahlen und im Laufe der lange währenden Wahlkampagne wurde die Einführung von Maßnahmen in Aussicht gestellt, welche die Investition in Produktionsgüter von Seiten der Unternehmen fördern sollten. All das hat große Erwartungen bei den Anwendern von Produktionssystemen erweckt, die Einkäufe herausgezögert und somit die Lage noch weiter verschlechtert. Nach den Wahlen hat das Inkrafttreten des Tremonti-Gesetzes im Jahre 2001/ 02 zwar positive Auswirkungen gehabt, die jedoch nur zeitweise und nur auf dem italienischen Binnenmarkt einen Effekt zeigten. Das hat zu einer Situation der Instabilität geführt hat. Im Kielwasser des Wiederaufschwungs der anderen Länder mitzuschwimmen, wird nicht einfach sein.
Europa zeigt Tendenzen zu mehr Zentralismus. Bringt das Ihrer Meinung nach mehr Vor- oder Nachteile?
Da ist noch ein langer Weg zurückzulegen. Europa ist zwar ein Weltmarkt geworden, muss aber noch viele Probleme kultureller und sprachlicher Natur lösen, um eine echte europäische Politik machen zu können. Eine Politik, die derartige Vorteile bringt, dass die Werkzeugmaschinenbauer wieder wachsen können. Das ist notwendig, um auf den wichtigsten Auslandsmärkten konkurrenzfähig zu sein, speziell auf den asiatischen Märkten. Deshalb muss Cecimo, die Vereinigung der europäischen Verbände, die Schwierigkeiten und Probleme der Werkzeugmaschinenbauer in die Öffentlichkeit tragen. Eine Koalition unter den Herstellerländern und eine gemeinsame Haltung in Europa können nur Vorteile bringen.
Die Auslandsaufträge im zweiten Quartal sind stark gestiegen. Wo liegen Italiens wichtigste Absatzmärkte und wie beurteilen Sie deren künftige Entwicklung?
Erwähnenswert ist der Wiederaufschwung im Export auf unseren traditionellen Absatzmärkten wie Deutschland und Frankreich. Beim Export italienischer Produkte nach Deutschland zeigen die Zahlen in den ersten beiden Monaten ein Plus von 17,8 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Länder wie China konnten ihre Positionen verbessern. Man sollte auch ein Auge auf die Märkte werfen, die jüngst der EU beigetreten sind. In Ländern wie Polen, Tschechische Republik und Russland wird in nicht allzu ferner Zukunft eine beachtliche Steigerung der Nachfrage nach Werkzeugmaschinen zu verzeichnen sein.
Deutschland ist für Italiens Werkzeugmaschinenbauer der stärkste Markt. Dennoch ist ihr Anteil an den Importen Deutschlands gering. Wie lässt sich das ändern?
Der deutsche Markt ist der wichtigste in Europa. Es gibt italienische Firmen, die leben fast nur von diesem Markt. Das sind aber Einzelfälle mit sehr spezifischen Produkten. Normalerweise ist Deutschland ein sehr schwieriger Markt, denn Deutsche bevorzugen deutsche Maschinen. Dennoch glaube ich, dass wir mehr erreichen können, wenn wir die Gründe für unsere Situation analysieren. Folgendes sei ohne jegliche Polemik gesagt: Häufig kommt es vor, dass italienische Hersteller an Sonderanwendungen arbeiten, die Deutsche ablehnen. In Deutschland schätzt man vor allem die Flexibilität der Hersteller. Die italienischen Produkte stehen hinter den deutschen technisch nicht zurück, und manchmal sind unsere Produkte den deutschen weit überlegen.
Welche Exportmärkte werden in den nächsten Jahren für Italiens Werkzeugmaschinenbauer größere Bedeutung haben, Asien oder Osteuropa?
Die wichtigsten Exportmärkte lagen im vergangenen Jahr in Westeuropa. Dann folgten Asien und Osteuropa mit Zuwächsen. Osteuropa ist ein wichtiger Markt, der sehr schnell wächst. Viele italienische Unternehmen agieren schon vor Ort. Im Vergleich zu Asien stehen uns diese Länder kulturell etwas näher und sind auch leichter zu beobachten. Es ist interessant zu sehen, wie gut Deutsche und Italiener diese Märkte schon besetzen.
Zunehmend sind deutsche Unternehmen bestrebt, in China zu produzieren. Empfehlen Sie das auch italienischen Herstellern?
Italienische Firmen sind schon in China, haben Kooperationsverträge abgeschlossen oder neue Firmen gegründet, die in China produzieren. Aber das sind normalerweise Produkte für den chinesischen Markt. Der ist nicht ganz einfach. Man sollte jedoch mehr die Möglichkeiten und weniger die Schwierigkeiten sehen. In den letzten Jahren hat sich dieser Markt rasant verändert.
Schwierigkeiten liegen nicht allein in der Sprache, sondern auch in der Wahl des richtigen Standortes. Und dann sind da noch erhebliche kulturelle Unterschiede und auch eine politische Situation, die weit entfernt von unserem Verständnis ist.
Skeptiker warnen davor, dass China in den nächsten Jahren die klassischen Märkte mit Werkzeugmaschinen überschwemmen wird. Teilen Sie diese Befüchtungen?
Wenn wir von Werkzeugmaschinen sprechen, haben wir immer eine hohe Technologie im Blick. Vor diesem Hintergrund ist da noch eine große Lücke in der Technologie zwischen uns Europäern und den Chinesen. Obwohl die Chinesen schon seit vielen Jahren auch in Zusammenarbeit mit den Europäern Maschinen bauen, hat es nicht die technologische Entwicklung gegeben, die man erwartet hatte. Alle, die in China produzieren, tun dies für den chinesischen Markt, der ja auch eine riesige Nachfrage hat. Die europäischen Hersteller sind durchaus in der Lage, den technologischen Abstand auf einem so hohen Niveau zu halten, dass die chinesische Konkurrenz auf Distanz gehalten wird.
Auf deutschen Messen stellen Italiener häufig das größte Ausstellerkontingent. Die Zahl der Messen nimmt aber immer noch zu. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Für die Produktionssysteme sind Messen das beste Mittel zur Auftragsbeschaffung. Sie eignen sich ideal dazu, einem breiten Publikum neue Produkte vorzustellen. Die rasche Zunahme von Messen, wie das in Deutschland der Fall ist, sollte jedoch vermieden werden. Im eigenen Land sollte man eine Politik der Ausgewogenheit hinsichtlich der Messeveranstaltungen betreiben. Versteht man es, sie unter Kontrolle zu behalten, können gute Voraussetzungen geschaffen werden. Andernfalls können die Folgen sehr negativ ausfallen. Die Zunahme der Messen ist nicht nur für die Aussteller ein Problem, sondern auch für die Besucher.
Investitionsgüter brauchen politische Stabilität
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