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Widerstand: gut oder schlecht?

Umgang mit Widerstand gegen Change-Vorhaben
Widerstand: gut oder schlecht?

Widerstand: gut oder schlecht?
Wer nicht versteht, warum Menschen opponieren, kann diese zwar ruhig stellen, aber nicht gewinnen. Bild: mast3r/Fotolia
Konfliktlösung | „Gut“ und „schlecht“ – mit solch moralischen Kategorien wird Widerstand oft bewertet. Entsprechend verhärtet sind bei Veränderungsvorhaben oft die Fronten. Das erschwert die Konfliktlösung und das Managen des Chance-Projektes.

Dr. Georg Kraus Geschäftsführender Gesellschafter Dr. Kraus & Partner, Bruchsal

Widerstand hat stets zwei Gesichter. Abhängig von der Perspektive ist er entweder „gut“ oder „schlecht“. Manager begegnen dem Phänomen Widerstand fast täglich. Da beschließt die Unternehmensspitze zum Beispiel eine neue Strategie und sofort stellen sich – mehr oder minder offen – die entsprechenden Gegenreaktionen der Mitarbeiter ein. Also werden Pläne geschmiedet, wie die Belegschaft als Mitstreiter gewonnen werden kann. Doch leider wird hierbei oft nicht geklärt, woran sich der Widerstand genau entzündet. Dabei wäre dies nötig. Denn wer nicht versteht, weshalb Menschen opponieren, kann diese zwar ruhig stellen, aber nicht gewinnen.
Widerstand hat stets einen Auslöser – nämlich die fehlende oder (angedachte, geplante oder) bereits vollzogene Veränderung. Widerstand kann sich also regen, weil sich nichts verändert, und weil sich etwas verändert. Das heißt: Der Widerstand kann sowohl veränderungsauslösende als auch bewahrende Kräfte haben. In jedem Fall ist er jedoch ein Auflehnen gegen die bestehende Nomenklatura. Und in beiden Fällen ist das gedankliche Grundmuster des Widerstands das Gleiche: Wir sind die „Guten“, die das Bestehende bewahren beziehungsweise verändern. Und die anderen? Sie sind die „Schlechten“ oder „Bösen“ – die zum Beispiel nur an die Aktionärsinteressen oder ihre eigenen Interessen denken. Oder die Markterfordernisse nicht sehen. Oder nicht erkennen, was technisch möglich oder nötig ist.
Dieser Mind-Set ist das Fundament für die aus dem Widerstand geborenen Konflikte. Denn wer ideologisch felsenfest davon überzeugt ist, der „Gute“ zu sein, dem fällt es auch leicht, im Namen des „Guten“ entweder selbst unmoralische Dinge zu tun oder der anderen Seite ein entsprechendes Verhalten zu unterstellen – ganz gleich auf welcher Seite der Konfliktparteien er steht. Deshalb werden in der Auseinandersetzung um Veränderungsprojekte auch häufig moralisierende Begriffe wie ungerecht, unfair, unredlich, unehrlos, unzulässig, unanständig, unsachlich, parteiisch und unangemessen verwendet. Sie sind unmissverständliche Anzeichen dafür, dass in einer Organisation ein (Interessen-)Konflikt tobt. Es gibt viele Modelle zum Erklären des Verlaufs von Change-Prozessen . Auf den Nenner gebracht unterscheiden sie in ihnen vier Phasen, die mit ebenso vielen Grundhaltungen korrespondieren (siehe Kasten).
Doch nicht jeder Widerstand mündet in einen heißen Konflikt. Viel schlimmer sind die kalten Konflikte – also die passiven Formen des Widerstands. „Dienst nach Vorschrift“ ist zum Beispiel eine Form des Widerstands, bei dem man den Mitarbeitern zwar wenig vorwerfen kann, sie aber kein Engagement zeigen: Die sogenannte Extra-Meile wird nicht mehr gegangen. Das Problem dieser Art des Widerstands ist: Er wird häufig nicht erkannt. Denn nach außen ist alles okay. Die Verantwortlichen wundern sich sogar, wie wenig Widerspruch die Veränderung auslöst. Sie bekommen aber kein echtes, ehrliches Feedback und wiegen sich in falscher Sicherheit, denn in dieser Logik ist auch Sabotage ein typisches Verhaltensmuster.
Betroffen oder nur beteiligt?
Unter Changemanagement-Experten kursiert das Bonbon: „Change Management ist wie das Projekt ‚Herstellen von Rührei mit Speck‘. Hierfür benötigt man ein Huhn und ein Schwein. Das Huhn ist an dem Projekt beteiligt, das Schwein ist betroffen.“
Viele Veränderungen werden von „Hühnern“ getrieben – also Menschen, die in dem Projekt nicht wirklich etwas verlieren. Mit den „Schweinen“, also den echten Verlierern, wird die Auseinandersetzung über die Verluste jedoch nicht ausreichend geführt. Sie werden weder klar benannt, noch kommen sie auf den Tisch und werden diskutiert. Folglich werden auch die (Interessen-)Konflikte nicht gelöst. Bei den Betroffenen gilt es drei Kategorien zu unterscheiden.
  • Echte Verlierer: Menschen, die große Nachteile haben werden und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.
  • Privileg-Verlierer: Die meist viel größere Gruppe. Hierbei handelt es sich um Menschen, die gewisse Privilegien haben und Gefahr laufen, diese zu verlieren. Diese Gruppe argumentiert selten mit den wahren Gründen, warum sie gegen die Veränderung ist, stattdessen eröffnet sie Nebenkriegsschauplätze.
  • Schein-Verlierer: Bei ihnen überwiegen die aus Unsicherheit resultierenden Ängste vor der Veränderung. Ihr Widerstand resultiert eher aus der Gefahr, eventuell die aktuelle Komfort-Zone verlassen zu müssen. Das Bestehende kennt man, das Neue nicht. Gerne übertreiben Schein-Verlierer die Risiken und Gefahren, um den Status-Quo nicht verlassen zu müssen.
Egal, wie man es dreht, aus einer Denkfalle müssen Change-Verantwortliche entkommen: der Falle, den Widerstand als ein Problem zu sehen. Denn Widerstand ist eine Voraussetzung für Veränderung. Statt ihn zu bekämpfen, sollten sie ihn umarmen. Gute Widerstandsmanager sind gute Change-Manager! •

Der Weg zur Akzeptanz

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In Veränderungsprozessen lassen sich vier Phasen unterscheiden, die mit ebenso vielen Grundhaltungen korrespondieren.
  • Leugnung: Verdrängen ist ein beliebtes Mittel, sich nicht mit einer (angedachten oder geplanten) Veränderung auseinandersetzen zu müssen. Das heißt: Die Menschen wollen die Veränderung nicht wahrhaben. Sie tun so, als gäbe es diese nicht. Eine neue Arbeitsweise wird beispielsweise eingeführt, doch niemand arbeitet danach – jedoch nicht aus aktivem Protest, sondern vielmehr aus einem unbewussten Prozess des Nicht-Ernstnehmens der Veränderung.
  • Aggression: In dieser Phase treten die Konflikte zutage. Es entsteht Aufregung und die Emotionen kochen hoch. Sachargumente werden nicht gehört. Es regieren Enttäuschung und Wut. Ein Sündenbock muss her, an dem man seine Aggression auslassen kann. In dieser Phase sind konstruktive Dialoge selten möglich.
  • Resignation: Die Wut ist verpufft, das Trauern beginnt. Das heißt, die Betroffenen lassen sich allmählich auf die Veränderung ein. Nun gilt es zum Beispiel, als Führungskraft Verständnis zu zeigen. Denn ohne ein Trauern, also Abschiednehmen, gibt es keinen richtigen Neuanfang.
  • Akzeptanz und Start: Nun erst sind ein echter Dialog und eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Fakten möglich. Leider versuchen die Verantwortlichen bei Change-Projekten, oft schon in der Phase der Wut oder Trauer die Betroffenen mit sachlogischen Argumenten zu überzeugen und verstehen nicht, warum sie kein Gehör finden.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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