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Wie ein Blitz im Eiskanal

Sponsoring: vier Firmen helfen einer Olympiasiegerin auf die Kufen
Wie ein Blitz im Eiskanal

Mit Hilfe eines Beitrags im Industrieanzeiger suchte die Bobpilotin Sandra Kiriasis im vergangenen Sommer Unternehmen, die ihr beim Fräsen der Kufen behilflich sein sollten. Heute flitzt die Olympiasiegerin wieder den Eiskanal hinunter – unterstützt von einer Gemeinschaftsinitiative.

Er gilt als die Formel 1 des Winters – der Bobsport. Bis zu 130 km/h Höchstgeschwindigkeit, größte Anforderungen an Kondition und Leistungsfähigkeit der Athleten, vor allem aber ein sehr enges und klar definiertes Regelwerk, wenn es um die eingesetzten Kufen geht. Um diese für das Bobteam Sandra Kiriasis, Olympiasiegerin 2006 und vielfache Welt- und Europameisterin, für die neue Saison optimal zu erstellen, startete im Sommer ein anspruchsvolles Digitalisierungs- und Produktionsvorhaben. Unter der Projektleitung des Bereiches Automation & Drives der Siemens AG scannten, programmierten und frästen die Renishaw GmbH, die Sescoi GmbH und die Iscar Germany GmbH Form und Sprung eines neuen erfolgreichen Kufensatzes auf der Basis der Kufen aus der vergangenen Saison.

Hintergrund für die Neuerstellung des neuen Kufensatzes war eine Änderung im Regelwerk des Internationalen Bobsportverbands (FIBT). Diese verlangte, dass mit Beginn der Saison 2006/2007 Standardkufen aus Einheitsstahl verwendet werden müssen. Anders ausgedrückt: Durfte früher jedes Team selbst ausprobieren und festlegen, welcher Stahl in welcher Härte und in welcher Bearbeitung eingesetzt wird und wie die Kufen zu präparieren sind, so ist jetzt auf internationaler Ebene nur noch die Verwendung von einheitlichem Material erlaubt und es sind bestimmte Grundmaße vorgeschrieben. Für Sandra Kiriasis hieß das wiederum: Sie musste sich einerseits von den gewohnten Kufen verabschieden, andererseits aber eine Möglichkeit finden, wie die seit 2001 bewährte Geometrie in neuen Kufen weiter einsetzen kann.
Einen Weg dazu bot ein Artikel im Industrieanzeiger, in dem die erfolgreiche Sportlerin aktiv um Unterstützung bei der Digitalisierung der bestehenden und Produktion neuer Kufen bat. Zu den Lesern, die diesen Aufruf im August 2006 wahrnahmen und sich darauf hin – wie rund 20 weitere Unternehmen – um das prestigeträchtige Projekt bemühten, gehörte auch Karsten Schwarz, Projektleiter Jobshop für die Sinumerik bei Siemens. Begeistert von der anspruchsvollen Aufgabe, vor allem aber von der Chance, dem deutschen Spitzensport helfen zu können, mobilisierte er innerhalb kürzester Zeit ein komplettes Projektteam, das in den folgenden Wochen die Digitalisierung der bestehenden Kufen, das Erstellen aller notwendigen Softwareprogramme und schließlich das Fräsen der neuen Kufen vornahm.
Bevor jedoch aktiv mit der Produktion begonnen werden konnte, stand die Erfassung der Wünsche der Sportlerin an. Bei einem Termin in Winterberg äußerte diese an die Projektverantwortlichen die Erwartungen, die über dem gesamten Projekt standen: „Die alten Kufen waren so gut, dass wir auch bei den neuen Materialien möglichst nah an die vielfach bewährte Idealform herankommen wollten. Das Einscannen und Digitalisieren der alten Form, und die somit exakte Übertragung der Geometrie und des so genannten Sprungs der letzten Kufenversion auf das neue Material, sind für uns von elementarer Bedeutung, weil wir sonst von vorne anfangen und uns mühsam wieder an die Idealform herantasten hätten müssen“.
Empfänger dieser Mahnung war damit zuallererst die Renishaw GmbH, die für das Scannen und Digitalisieren der an Siemens übergebenen Kufen zuständig war: Um diese optimal für die weitere Verarbeitung vorzubereiten, entschieden sich die Mitarbeiter in Pliezhausen bei Stuttgart dafür, für die Kufenaußenkontur und für die Laufflächen eigene Dateien anzufertigen. Für die Kufenaußenkontur – eine einfache geometrische Form aus Geraden und Kreisen – eine DXF-Datei (Drawing Exchange Format) und für die – einem Formenbauteil entsprechende – Kufenlauffläche einen Datensatz im IGES-Format (Initial Graphics Exchange Standard). Zur Vermessung und Digitalisierung auf einem Koordinatenmessgerät kamen hierbei der in 5-Achsen scannende Messkopf Revo in Verbindung mit der Renscan5-Technologie zum Einsatz. „Mit dieser neuen 5-Achsen-Technologie können wir“, erklärt Thomas Laschütza, Vertriebsleiter der Renishaw GmbH, „Scan-Geschwindigkeiten von bis zu 500 mm/s erzielen und dynamische Messfehler, die beim Einsatz von herkömmlichen Scan-Systemen mit drei Achsen auftreten, eliminieren.“
Unmittelbar nach der Erfassung wurden die Messdaten dann von der Sescoi GmbH in Neu-Isenburg in ein CAD-CAM-Programm umgewandelt und für die Nutzung durch die CNC-Steuerung Sinumerik 840D von Siemens vorbereitetet. Als Basis diente dabei wie schon bei der Renishaw GmbH eine Eigenentwicklung: Die Software WorkNC, eine automatische CAM/CAD-Lösung für 2- bis 5-achsige Fräsbearbeitungen, deren Daten sich via USB oder Netzwerk direkt auf die Steuerung übertragen lassen.
Waren somit die Vorbereitungen abgeschlossen, startete im Oktober unter Anwesenheit von Olympiasiegerin Sandra Kiriasis und Technikern der vier beteiligten Unternehmen bei der Iscar Germany GmbH in Ettlingen bei Karlsruhe der eigentliche Fräsvorgang. Als Basis diente hierfür ein 5-Achsen-CNC-Bearbeitungszentrum von DMG vom Typ DMU 125 P mit der Sinumerik 840D und der Werkstatt-Bedienoberfläche ShopMill. Über diese Hilfsmittel – das Schlichtprogramm umfasste 5 MB und etwa 100 000 Zeilen – wurden zunächst die Kufenaußenkontur und danach die exakten Laufflächen erstellt. Für eine hohe und dynamische Bearbeitung sorgte dabei das speziell für den Formenbau entwickelte MultiMaster-System, mit dem die Kufen aus den Rohmaterialstäben ausgeformt wurden. Mit diversen auswechselbaren Schneidköpfen konnten damit dann die Form gebenden Schrupp- und Schlichtarbeiten umgesetzt werden.
Über das Ergebnis des Projektes konnte sich am Ende nicht nur Sandra Kiriasis freuen: Die Kufenlauffläche war extrem glatt und glänzte beinahe wie ein Spiegel. In kurzer Zeit war es gelungen, aus einem Rohbauteil ein Präzisionsteil zu fertigen. Und: Erst vor einer Woche holte die gebürtige Dresdnerin auf den neuen Kufen EM-Gold.
Jürgen Rönsch Journalist in Münster

Deutscher Spitzensport und seine Dienstleister
Bei der Erstellung des neuen Kufensatzes konnte sich Bobpilotin Sandra Kiriasis auf die Dienste von vier Unternehmen verlassen:
  • Siemens A&D, Erlangen: Projektleitung, Bereitstellen der CNC-Steuerung
  • Renishaw, Pliezhausen: Scannen und Digitalisieren der Kufen
  • Sescoi, Neu-Isenburg: Umwandeln der Daten in ein CAD/CAM- Programm
  • Iscar Germany, Ettlingen: Fräsen der Kufen
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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