Dieser Tage hat die Weltbank ihren neuen „Ease of doing Business Index“ unter www.doingbusiness.org/EconomyRankings/ ins Netz gestellt. Am chinesischen Markt Interessierte sollten sich ein paar Minuten nehmen, das Zahlenwerk genauer zu studieren. Es ist erhellend.
Der Index listet 175 Länder, für die er in zehn Kategorien bewertet, wie reibungslos oder schwierig dort geschäftliche Tätigkeit ist. Für „Starting a Business“ über „Dealing with Licenses, Employing Workers“ bis „Protecting Investors, Paying Taxes, Enforcing Contracts“ und schließlich „Closing a Business“ gibt der Index Einzelauskunft und aggregiert alles zusammen in einer Länder-Wertung. Unter den 175 Konkurrenten belegt China nur Platz 93, findet sich also weit hinten, hinter Mazedonien.
Parallel dazu veröffentlichte kürzlich die Heritage Stiftung zum zwölften Mal ihren in der Wirtschaftspresse stets beachteten „Index of Economic Freedom 2007“. Unter den darin gelisteten 157 Konkurrenten rangiert China ebenfalls weit hinten: auf Platz 119. Es ist also sehr schwierig, in China zu wirtschaften. Frei ist es auch nicht. Und das im fünften Jahr der in Europa und Amerika so heiß ersehnten WTO-Mitgliedschaft.
Ganz im Gegensatz zu dieser verheerenden Bewertung ist das Land bei Investoren weiter hochbeliebt. 63 Mrd. US-$ flossen 2006 in Form ausländischer Direktinvestitionen, also in Fabriken. Insgesamt finanzierten diese Milliarden 2006, so das chinesische Handelsministerium, die Errichtung von 41 473 neuen Produktionsstätten, deren Gesamtzahl damit jetzt bei rund 550 000 Unternehmen mit ausländischem Kapital liegen dürfte. Ist Wirtschaften in China Ausländern also doch möglich? Haben die Index-Ersteller etwas übersehen?
Nein, denn die halbe Million ausländisch investierter Betriebe hat den chinesischen Markt gar nicht mehr als Absatzgebiet im Sinn. Auf diese Firmen entfallen stattdessen fast 60 % der chinesischen Exporte, Tendenz: weiter steigend. Diese Unternehmen mit ausländischem Kapital und Know-how sind es, die China zur Nummer drei des Welthandels gemacht haben (2008 vermutlich Platz 2, vor Deutschland) und ihm den Ruf einer Werkbank der Welt einbringen.
Die ausländisch investierten Betriebe importieren also Einzelteile und Materialien oder kaufen diese bei ihren ausländischen Kollegen im Lande, lassen sie von billigen chinesischen Arbeitskräften zusammenfügen und exportieren sie in kaufkräftige Märkte.
Die Wirtschaft hat also ihre Hausaufgaben gemacht und den einst mit großen Erwartungen betretenen chinesischen Markt angesichts der undurchschaubaren Widrigkeiten dort weitgehend aufgegeben. Jetzt zeichnen sich dort neue Herausforderungen ab, auf die sich Investoren vorbereiten sollten. Sie haben etwas mit der Rechtlosigkeit der Arbeitskräfte, der Korruption und dem verantwortungslosen Umgang der Machthaber mit der Umwelt zu tun. Die Aufmerksamkeit für diese Dinge steigt rapide in der demokratisch verfassten Öffentlichkeit. Die Investoren müssen sich damit beschäftigen, und der Kolumnist will demnächst seinen Blick auf dieses Thema der Zukunft richten.
China nicht mehr als Absatzgebiet im Sinn
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