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Zerstörte Prüflinge sind auf Dauer zu teuer

Interne Problemlösung bei Stiefelmayer erweitert die Prüftechnik
Zerstörte Prüflinge sind auf Dauer zu teuer

Der Messmaschinenhersteller Carl Stiefelmayer baut das erste und einzige elektromagnetische Prüfgerät, mit dem sich die Härte von Metallen zerstörungsfrei messen lässt.

Jürgen Fürst ist Fachjournalist in Fellbach

Das Produkt ist aus der Not heraus geboren: Der Messmaschinenhersteller Stiefelmayer GmbH aus Denkendorf wollte die teuren Ausleger seiner eigenen Ständermessmaschinen nicht zerstören, um den Härtezustand zu ermitteln. Fertigungshürden und Kostendruck sorgten schließlich für die Erfindung und Entwicklung des Härteprüfgeräts Qualimax. Dass das neue Produkt einmal einen völlig neuen Firmenbereich nach sich ziehen könnte, war zum damaligen Zeitpunkt nicht abzusehen.
In der neuesten Version liefert das Gerät, dessen Messverfahren in die VDI-Richtlinien aufgenommen wurde, quantitative Messergebnisse von Härte und Einhärtetiefe bei Metallen, ohne dass der Prüfling in die Mangel genommen werden muss. „Wenn man zu einem Zeitpunkt, wo die Wertschöpfung nahezu vollständig geleistet wurde, das Produkt zerstören muss, um die Härtewerte zu ermitteln, führt das zu einer unverhältnismäßig großen Kostenbelastung“, umschreibt Manuela Klingler-Kohler die Motivation für die Entwicklung von Qualimax. „Außerdem kann man nur Stichproben durchführen, keine Hundert-Prozent-Prüfung“, so die Geschäftsführerin der Stiefelmayer GmbH.
Die traditionellen Verfahren zur Härte-, Härtetiefen- und Zugfestigkeitsprüfung beruhen bis heute fast ausschließlich auf einer zerstörenden Begutachtung von Bauteilen. Um beispielsweise die Oberflächenhärte exakt bestimmen zu können, muss das Werkstück häufig vorbereitet werden. So ist es etwa nötig, die Oberfläche anzuschleifen, damit diese optisch vermessen werden kann. Eine genaue Bestimmung der Einhärtetiefe ist auf traditionellem Wege sogar nur über die Zerstörung des bereits fertig bearbeiteten Bauteils möglich, da zunächst in der entsprechenden Ebene geschnitten werden muss. Die Oberflächenqualität der erzeugten Schnittfläche reicht oftmals nicht zur optischen Vermessung aus, sodass auch hier ein Schleifvorgang notwendig wird. Diese Vorgehensweise hat zwei entscheidende Nachteile: Erstens entstehen für das zerstörte Bauteil unangemessen hohe Kosten und zweitens fallen zusätzliche Kosten für die Prüfungsvorbereitung an.
Dass Stiefelmayer nicht das einzige Unternehmen sein konnte, das derlei Probleme hatte, wurde den Denkendorfern schnell klar. Die Entwicklung eines Härteprüfgeräts für zerstörungsfreies Messen wurde somit von einer internen Problemlösung zu einer Produktentwicklung, die sich am Markt bewähren sollte. „Wenn große Produkte wie Turbinenschaufeln oder Maschinenbetten zu Prüfzwecken zerstört werden müssen, dann verursacht das immense Kosten“, erzählt Thomas Bitterling, Entwicklungsingenieur bei Stiefelmayer.
Das Härteprüfgerät Qualimax von Stiefelmayer ist das Ergebnis einer dreijährigen Forschung und Entwicklung zusammen mit dem Fraunhofer IZFP in Aachen. Seit 2004 gibt es mit Qualimax 2 eine verbesserte Version mit erweiterten Funktionalitäten. Das Prüfgerät wertet in Sekundenbruchteilen die Oberfläche und die Tiefe der Härteschicht eines gehärteten Metalls aus. Die Handhabung ist dabei vergleichsweise einfach: Wenn der handliche Prüfkopf, der die Größe eines Feuerzeugs hat, angelegt ist, werden zehn elektromagnetische Impulse ausgesandt und deren Echo ausgewertet. Umgehend werden als Ergebnis der Härtewert der Oberfläche und die Härtetiefe in Millimeter angegeben. Prüfkräfte kommen bei diesem Verfahren nicht zum Einsatz.
„Der Anwender muss zum Glück den komplexen Algorithmus nicht nachvollziehen können, der dahinter steckt“, meint Bitterling. Eine Kombination aus drei elektromagnetischen Prüfverfahren stellt die Gefügezustände des Metalls fest und berechnet anschließend in einer Vergleichsmessung den Härtewert und den Einhärtetiefenwert. Für komplexe Formen wie etwa Zahnräder gibt es einen kugelförmigen Prüfkopf mit geringer Auflagefläche.
Mit dem neuen Verfahren wird nicht nur gemessen, ob die Härtetiefe gut oder schlecht ist. Vielmehr wird die genaue Härtetiefe in Millimeter ausgegeben. Soll der Wert zum Beispiel zwischen 0,8 und 1,3 mm liegen, so gibt das Gerät nicht das Ergebnis „innerhalb“ oder „außerhalb“ aus, sondern den genauen Wert – beispielsweise 1,15 mm. Genauigkeit und Reproduzierbarkeit entsprechen dabei denen der traditionellen Verfahren.
Durch die eigens für Qualimax 2 entwickelte Windows-Software ist die Bedienung des Systems einfach geworden. Es gibt zwei verschiedene Bedienebenen für den Prüfer und den Einrichter. Der Prüfer hat Zugriff auf einfache Module, in denen er ohne Vorkenntnisse das hinterlegte Prüfprogramm öffnen kann, um anschließend die Prüfung durchführen zu können. Die Messergebnisse erscheinen nach der Prüfung übersichtlich in einem Fenster. Der Einrichter erstellt die Prüfprogramme und gestaltet die individuelle Ergebnisanzeige.
Abhängig von der Kalibrierung werden bei dem Gerät von Stiefelmayer als Einheit HR, HV, HB oder MPa ausgegeben. Zur Kalibrierung werden Prüfstücke nach dem herkömmlichen Rockwell-, Vickers- oder Brinellverfahren gemessen und das Referenzprofil in einer Datenbank abgelegt. Bis zu 900 Profile lassen sich speichern und abrufen. „Unsere Kunden profitieren von den kürzeren Prüfzeiten und reduzierten Prüfkosten“, weiß Klingler-Kohler.
Das mobile Prüfgerät lässt sich direkt in den Produktionsprozess integrieren, ein komplizierter Prüfaufbau ist nicht notwendig. Der kleine Sensorkopf kann zur Prüfung auch an komplexe Teilegeometrien angelegt werden. Ein Anwender prüft auf diese Weise sämtliche Getriebeteile wie Zahnräder, Kupplungskörper oder Getriebehauptwellen nach der Einsatzhärtung. Die Prüfung erfolgt am fertig bearbeiteten Teil. Der Prüfvorgang kann allerdings auch von der Qualitätssicherung direkt in den Fertigungsbereich vorverlagert werden. Der Einsatz des Qualimax beschränkt sich dann nicht nur auf die Prozessüberwachung. Es lassen sich mit der Technik zudem Anlageparameter im Vorfeld der Wärmebehandlung ermitteln.
Neben den werkstoffspezifischen Kenndaten wie Härte und Einhärtetiefe lassen sich mit Qualimax auch Zugfestigkeit, Dehnung, Streckgrenze und der Kohlenstoffgehalt prüfen. Darüber hinaus können Werkstoff-Verwechslungsprüfungen durchgeführt werden. Pro Messung kann sich der Anwender bis zu acht verschiedene Kenngrößen ermitteln und anzeigen lassen. So erkennt der Bediener auf einen Blick, ob das Bauteil allen gewünschten Anforderungen entspricht. Kunden aus der Automobil- und Zulieferindustrie schätzen die lösungsorientierte Einsatzweise ebenso wie Stahl- und Blechhersteller. Auch der Maschinenbau und Eisenhütten zählen zu den Anwendern.
Windows-Software macht die Bedienung einfach
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