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Zertifizierungsnot steigert Nachfrage nach schnurlosen Gesellen

Akkuwerkzeuge: Schrauber industrietauglich, Sägen und Bohrhämmer für Bau geeignet
Zertifizierungsnot steigert Nachfrage nach schnurlosen Gesellen

Akkuschrauber gibt es seit einiger Zeit in maschinenfähiger Ausführung. Das macht sie für Unternehmen interessant, die sich zertifizieren lassen müssen. Zum Bohren oder Sägen eignen sich heutige Akkuwerkzeuge nur bei gelegentlichem Einsatz – etwa im Handwerk oder Baubereich.

Von unserem Redaktionsmitglied Thomas Preuß

Der Akku-Markt boomt. Von stetigem Wachstum und einem derzeitigen „Marktanteil an Elektrowerkzeugen nahe 20 Prozent“ berichtet Oskar Gebhardt, Geschäftsführer des Fachverbandes Elektrowerkzeuge im ZVEI, Frankfurt/M. Während er bei kleinen Geräten eine Sättigung ausmacht, „hatten Schlagbohrer zuletzt über 50 Prozent Zuwachs“. Michael Gänzler, Vertriebsleiter Industriewerkzeuge der Robert Bosch GmbH in Stuttgart, sagt gar: „Wir kommen mit der Produktion nicht mehr nach.“ Gänzler spricht vom Akkuschrauber Exact, den Bosch im September 2000 auf der Montagemesse Motek in Sinsheim der Öffentlichkeit vorstellte. „Das ist derzeit der leichteste Akkuschrauber im Markt“, behauptet der Experte. Erhältlich ist er für maximale Drehmomente von 2, 6 und 12 Nm.
Die meistverkauften Akkugeräte arbeiten mit Spannungen bis zu 12 V, die in der Industrie gefragtesten Werkzeuge sind Schrauber. Verwendet werden sie vor allem beim Innenausbau in der Automobilindustrie oder in der Cockpit-Montage. Wichtig ist den Anwendern die Prozesssicherheit. „Hier halten unsere Akkuschrauber heute mit Druckluftwerkzeugen mit“, sagt Michael Gänzler. Und damit zeigen auch Anwender aus dem allgemeinen Maschinenbau, dem Schaltschrank- oder Waggonbau Interesse an derartigen Werkzeugen, denn wegen der drohenden Zertifizierung müssen sie ihre Prozesse absichern. Normale Druckluft-Schrauber brauchen dazu einen extra Controller und Kabel für die Übermittlung der Daten. Der Exact dagegen verfügt über eine Abschaltkupplung, die das erreichte Drehmoment über ein grünes Licht sowie akustisch signalisiert. „Und das“, so Gänzler, „mit einem Maschinenfähigkeitsindex von zwei bis vier.“ Das sei deutlich besser als der in der Branche geforderte cmk-Wert von 1,67 ± 10 %.
Auch die ETB-Schrauber der Atlas Copco Tools Central Europe GmbH in Essen erfüllen die Anforderungen an die Maschinenfähigkeit – und zwar schon seit drei Jahren. Seither setzt beispielsweise die Volkswagen AG in ihrem Werk Mosel die nach ISO 5393 zertifizierten Akkuwerkzeuge ein und spart durch die Genauigkeit den früher nötigen Arbeitsgang des Nachziehens. Beim Golf werden beispielsweise Befestigungen der Massekabel mit den Schraubern montiert oder Fensterkurbeln bei der Tür-Vormontage in die Endstellung gefahren. Ein Vorteil der Akkugeräte ist gegenüber Druckluft- oder Elektrowerkzeugen, dass sie weder Schlauch noch Kabel brauchen: Die Werker bei VW setzen die Werkzeuge über mehrere Linientakte hinweg ein. Kabel würden da zu Verwicklungen führen.
Mit Akkuschraubern höhere Prozesssicherheit
Volker Wiens, Marketingleiter der Atlas Copco Tools, hat eine höhere Nachfrage nach Akkuwerkzeugen vor allem in der Automobilbranche samt ihren Zulieferern ausgemacht. Er gibt aber zu, dass „der Prozentsatz der Fälle noch gering ist, in denen derart hohe Anforderungen an die Werkzeuge gestellt werden“. In der Kfz-Industrie seien das nur wenige Verschraubungen. Deshalb haben die Essener zwischenzeitlich eine weitere Serie aufgelegt, BTP: „Die Schrauber sehen gleich aus, sind aber etwas billiger und reichen von der Qualität in vielen Fällen aus“, sagt Wiens. Den Anwendern seien vor allem die kurzen Prozesszeiten wichtig gewesen, bei Drehmomenten bis 10 Nm. Das Werkzeug ist laut Wiens auch im Ausbau von Schienenfahrzeugen und in der Luftfahrtindustrie im Einsatz. Mit 10 Nm sei ein Optimum erreicht, führt Wiens aus. „Mehr ginge zu Lasten der Drehzahl; die Maschinen würden zu groß und zu schwer.“ Das würde der Markt nicht akzeptieren.
Bosch-Vertriebsleiter Michael Gänzler sieht das anders. Nach seiner Beobachtung wünschen einige Anwender sogar Akkuwerkzeuge bis 30 Nm. „Bei Verschraubungen von Lenksäulen“, nennt er ein Beispiel, „die nicht unbedingt dokumentationspflichtig sind, würde sich das schnell rechnen.“ Denn bislang kommt man für diese Zwecke an Druckluft- oder elektrisch gesteuerten Werkzeugen nicht vorbei. Doch letztere kosteten schnell 20 000 DM, während Akkuschrauber in der Klasse vielleicht auf 1500 DM kämen, wie er überschlägt.
Überhaupt sei der Preis ein weiteres Argument pro Akku, sagt der Bosch-Mann. Nicht nur seien die Geräte billiger als beispielsweise ihre Druckluftkonkurrenten, auch die Betriebskosten lägen deutlich unter denen der anderen Technik. Gänzler: „Die Energiekosten, die Akkugeräte verursachen, betragen beispielsweise nur etwa zehn Prozent von denen der Druckluftwerkzeuge.“ Zudem sei die neue Generation, zumindest was die Bosch-Familie anbelange, sehr einfach zu warten und daher mit geringen Folgekosten behaftet. „Dazu kommt noch der ölfreie Betrieb“, vervollständigt Michael Gänzler die Liste. Und: Wer beispielsweise Druckluft- neben Akkuschraubern von Bosch einsetze, der habe bei der Ersatzteilhaltung keinen zusätzlichen Aufwand: „Die Kupplung ist bei beiden Serien die gleiche.“
Dennoch ist das Akkuwerkzeug nicht in allen Fällen der Weisheit letzter Schluss. „Für den industriellen Einsatz beim Trennen oder Schleifen“, schränkt Michael Gänzler ein, „eignen sich Akkuwerkzeuge zum Beispiel nicht.“ Der Energiebedarf sei für den Dauerbetrieb viel zu hoch. „Die großen Geräte“, und damit meint Gänzler auch Scheren, Nager oder Sägen, „die sich derzeit auf dem Markt befinden, sind sehr auf die Bauindustrie ausgerichtet.“ Immerhin: Wenn die Anwendungen auf gelegentliches Sägen oder Trennen beschränkt blieben, kämen Akkugeräte in Frage. Für den Industrieeinsatz würden die Werkzeuge erst sinnvoll, wenn die jetzigen Zellen verbessert würden oder gar eine ganz neue Zellentechnologie komme.
Industrielles Interesse für weitere Akkuwerkzeuge haben die Bosch-Leute im Bereich Bohren ausgemacht. Zwar kommen die meisten Werkstücke schon so komplett aus den Bearbeitungszentren, dass gar nicht mehr von Hand nachgebohrt werden muss. „Aber im Omnibus- und Lkw-Bau sind das noch wichtige Arbeitsschritte“, weiß Gänzler. Derzeit wird dort noch elektrisch mit Hochfrequenz- oder Druckluftwerkzeugen gearbeitet. „Das liegt aber nur daran, dass es dafür keine geeigneten Akkuwerkzeuge gibt“, fasst sich der Bosch-Fachmann auch an die eigene Nase.
Andere Einsatzfelder von Akkuwerkzeugen sind Baubereich und Handwerk. Hier hat Ottmar Kandler, Marketingleiter von Dewalt, der Profimarke der Black & Decker GmbH, Idstein, festgestellt: „Wenn die Leistung mit derjenigen eines Netzgerätes übereinstimmt und die Werkzeuge kaum schwerer und teurer sind, greift der Anwender in der Regel lieber zum Akkuwerkzeug.“ Das sei bequemer, vor allem im mobilen Einsatz.
Kandler nimmt übrigens für sich in Anspruch, mit der Marke Elu, die nun auch in Deutschland durch die baugleichen Dewalt-Geräte ersetzt wird (Industrieanzeiger 13/2001), Mitte der 90er Jahre den „ersten ISO-5393-zertifizierten Akkuschrauber auf den Markt gebracht“ zu haben. „Das passte aber nicht in unser Produkt-Portfolio, und so haben wir das Geschäft verkauft.“
Zu den Dewalt-Kunden zählen heute Anwender aus allen gewerblichen Branchen, wie Schreiner, Tischler, Elektriker, Sanitär-Facharbeiter oder Gerüstbauer. Bei ihnen macht Ottmar Kandler eine steigende Nachfrage nach leistungsstärkeren Geräten im Bereich bis 24 V aus. Dewalt hatte Ende 1999 ein 24-V-System vorgestellt, das aus Bohrhammer, Schlagbohrmaschine, Säbel- und Handkreissäge besteht und das sich mit ein und demselben Akku betreiben lässt. Bosch bietet in der 24-V-Klasse derzeit eine Schlagbohrmaschine, einen Schrauber, eine Säbelsäge und eine Lampe an. „Eigentlich“, gibt der Dewalt-Marketingleiter zu, „hätten wir gedacht, dass in der 24-Volt-Range zu 80 Prozent Bohrhämmer nachgefragt werden.“ Herausgestellt hat sich aber, dass auch das Interesse an Sägen sehr hoch ist, so dass die Idsteiner nachlegen müssen.
Sowohl ihre leistungsstarken Großgeräte als auch die Industrieschrauber statten alle namhaften Hersteller vornehmlich mit Nickel-Cadmium-Zellen (NiCd) aus. Das hat gute Gründe, könnte aber zum Problem werden: Die EU-Umweltminister wollen ein Stoffverbot für Cadmium durchsetzen. Anfang Juni traten sie in Luxemburg zusammen und beschlossen, ab 2007 Cadmium, neben Blei, Quecksilber und bestimmten Flammschutzmitteln, in der Produktion zu verbieten. Das letzte Wort ist bei der Elektronikschrott-Richtlinie sowie beim Änderungsentwurf für die Batterierichtlinie allerdings noch nicht gesprochen.
Konverter könnte aus Akkuwerkzeugen Netzgeräte machen
ZVEI-Fachverbands-Geschäftsführer Oskar Gebhardt sagt ganz klar: „Das wäre der Tod für Nickel-Cadmium und ein Riesen-Problem. Denn die Alternative, Nickel-Metallhydrid, ist für industrielle Anwendungen noch nicht geeignet.“ NiMH war vor einigen Jahren von vielen Herstellern als die Wunderzelle gepriesen worden, da bei gleicher Leistung kleinere Akkus oder bei gleichem Akkugewicht 50 % höhere Batteriekapazitäten herausspringen.
„Manche Probleme dieser Technik sind aber noch nicht gelöst“, erläutert Gebhardt. So seien NiMH-Zellen temperaturempfindlicher – bei frostiger Umgebung auf einer Baustelle können die Akkus schon mal ihren Dienst versagen –, und auch die Leistungsdichte beim Ladevorgang sei nicht vergleichbar mit NiCd. Zudem sei die Zellenqualität nicht immer konstant, wie Martin Bertinchamp, Sprecher der Geschäftsführung der Metabo AG in Nürtingen, wissen lässt. „Wir mussten deshalb schon öfters den Lieferanten wechseln.“ Ganz abgesehen davon, „dass die Industrie kurze Aufladezeiten wünscht, was primär für NiCd spricht“. Metabo hat deswegen Schnellladegeräte entwickelt, „mit denen man in der Frühstückspause die Akkus laden kann“, wie Bertinchamp sagt.
Zu schlechter Letzt existiere gar für NiCd ein funktionierendes Recyclingsystem, nicht aber für NiMH. Deshalb könne man auch nicht von größerer Umweltfreundlichkeit bei NiMH sprechen. „Der ZVEI wehrt sich dagegen, alles über einen Kamm zu scheren“, protestiert Oskar Gebhardt. „Die EU-Minister müssen sehen, dass die recycelten Cadmiumzellen aus Werkzeugen im Schnitt sieben bis acht Jahre alt sind.“ Die Macher der Batterierichtlinie gehen dagegen von einem Jahresrhythmus aus, wie er bei Taschenlampen oder schnurlosen Telefonen im privaten Bereich üblich ist.
Michael Gänzler weist auf ein weiteres NiMH-Problem am Beispiel des Akkuschraubers hin: „Beim Abschaltvorgang entstehen sehr hohe Entladeströme, die die Batterie stark belasten, etwa bei einem weichen Schraubfall.“ Bei den letzten zwei Umdrehungen, wenn der Kopf schon aufliege, sich die Schraube aber noch weiterdrehe und den Untergrund elastisch verforme, entstünden Ströme, „die Nickel-Metallhydrid einfach nicht verträgt“. Die Technik eigne sich eher für einfache oder konstante Entladungen, wie bei Fotoapparaten, Rasierern oder auch Werkzeugen im Baugewerbe, wenn die Spitzenlast nicht zu hoch sei.
Da sich im professionellen Einsatz Stromspitzen aber kaum vermeiden lassen, „baut ein NiMH-Akku relativ bald ab“, wie Ottmar Kandler von Dewalt ergänzt. „Die tatsächliche nutzbare Kapazität, bezogen auf die Lebensdauer der Zellen, ist kürzer als bei NiCd.“ Dennoch werden die Idsteiner in ihrer 24-V-Reihe ab August auch einen NiMH-Bohrhammer präsentieren. „Wir haben sowohl Akku als auch Ladegerät komplett neu entwickelt und mit einer Luftkühlung ausgestattet“, sagt Kandler. Er verspricht sich davon höhere Akku-Standzeiten und eine größere Kapazität der Zellen.
Die Neuentwicklung soll dazu beitragen, dass Dewalt sein Teil vom Akku-Kuchen abbekommt. Kandler geht nämlich davon aus, dass in fünf Jahren jede zweite Mark im professionellen Elektrowerkzeuge-Bereich für Akkugeräte ausgegeben wird. Noch ein weiteres Thema beschäftigt den Dewalt-Manager: die Frage, ob europäische Anwender wohl auch, wie ihre amerikanischen Pendants, einen AC-DC-Konverter kaufen würden. Das ist ein kleines Zusatzgerät, das statt des Akkus an das Werkzeug angeschlossen werden kann – und womit sich die Maschine über einen Netzanschluss betreiben lässt. „Unsere 24-V-Maschinen sind beispielsweise vom Lager und Schlagwerk so ausgestattet, das sie sich auch für den 230-V-Dauereinsatz eignen“, versichert Kandler. Doch abgesehen davon, dass die Marktforscher sich noch nicht über die Akzeptanz im Klaren sind, existieren in Deutschland und Europa noch keine Vorschriften dafür. „Wir wissen gar nicht, ob das Gerät dann als Akku- oder als Elektrowerkzeug gilt.“ So müsste bei Akkugeräten das Ladegerät entstört sein, bei Elektrowerkzeugen die Maschine selbst. „In den USA können wir einfach den Stecker draufsetzen.“ Sieht so aus, als brauchte Europa noch eine weitere Richtlinie.
Akkuschrauber
Vorteile
– kabellos, was nicht nur mehr Flexibilität bedeutet, sondern zum Teil einen Reinigungsvorgang beim Kfz-Innenausbau erspart (Schläuche können Innenräume verschmutzen)
– ölfrei
– preiswerte Anschaffung
– geringe Betriebskosten
– prozesssichere, nach ISO 5393 zertifizierte Geräte vorhanden
Industrielle Einsatzmöglichkeiten
– Innenausbau Kfz-Industrie
– Automobil-Zulieferteile
– Nutzfahrzeugbau
– Waggon- und Flugzeugbau
– Möbel- und Küchenbau
– allgemeiner Maschinenbau
– Schaltschrankbau
Baubranche braucht Spannung
Dienen Akkugeräte mit Spannungen von 7,2 bis 12 V eher der Montage, kommen 18- oder gar 24-V-Werkzeuge hauptsächlich im Baubereich zum Einsatz. Für Dauerbelastungen bei so hohem Energiebedarf eignet sich die derzeitige Akkutechnologie nach Aussage von Experten nicht. Wird jedoch mit Pausen, wie auf Baustellen üblich, gesägt oder gebohrt, leisten die schnurlosen Geräte gute Dienste. Dewalt, Idstein, stellte beispielsweise vor Jahresfrist die 24-V-Handkreissäge DW 007 K vor (im Bild: 18-V-Gerät). Die maximale Schnitttiefe beträgt 55 mm bei einem Winkel von 90°. Auch Bohrhämmer, Schlagbohrmaschinen und Säbelsägen benötigen viel Energie und sind bei Dewalt in der Akkuversion erhältlich.
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