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„Ziel ist es, die Menschen zusammenzuführen“

Müller-Weingarten-Chef Dr. Heinrich zur UTE-Übernahme:
„Ziel ist es, die Menschen zusammenzuführen“

Nach der Übernahme der Umformtechnik Erfurt (UTE) steht die Müller Weingarten AG vor neuen Aufgaben. Vorstandssprecher Dr. Michael Heinrich bezeichnet im Exklusiv-Interview mit dem Industrieanzeiger die schnelle Integration der UTE als vordringliches Ziel.

Das Gespräch führte unser Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de

In der Branche wurde lange über eine Übernahme der UTE durch Müller Weingarten gemunkelt. Was ging da genau vor sich?
Die Gesellschafter der UTE, die Thüringer Industriebeteiligungs-Gesellschaft, sowie Geschäftsführung und Aufsichtsrat waren der Überzeugung, dass sich das Unternehmen nicht auf Dauer auf eigenen Füßen wird halten können. Deshalb suchten sie einen strategischen Partner. Die Verhandlungen haben fast ein Jahr gedauert, was für eine solche Übernahme ungewöhnlich lang ist. Wir haben viel Zeit darauf verwendet, ein stabiles Fundament für die Übernahme zu schaffen, bei dem alle Fragen aus der Vergangenheit bereinigt sind.
Welche Stärken und welche Schwächen haben Sie bei der UTE festgestellt?
Das Erfurter Unternehmen hat sehr gute Produktionsmöglichkeiten: Wir haben dort ein entwicklungsfähiges Schweißwerk, in die Großteilbearbeitung ist in den letzten Jahren investiert worden, es gibt große Montage-Flächen. Außerdem verfügt das Unternehmen über kompetentes Personal, das sich im Großpressenbau auskennt. Die Schwäche, die wir festgestellt haben, liegt darin, dass ein Unternehmen von der Größe von UTE auf Dauer zu klein ist für den Markt der Großanlagen.
Welches vordringliche Problem müssen Sie bei der Integration der UTE in den Müller-Weingarten-Konzern bewältigen?
Die Frage ist, wie wir möglichst schnell ein westdeutsches und ein ostdeutsches Unternehmen integrieren. Dazu müssen wir in erster Linie die beteiligten Menschen zusammenführen, die jeweils über ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein verfügen. Derzeit spüre ich jedoch eine enorm hohe Bereitschaft zusammenzuarbeiten. Das stimmt mich sehr zuversichtlich.
Sie streben zwischen den Werken eine neue Aufgabenverteilung an und bauen Arbeitplätze ab. Mit welchen Auswirkungen?
Grund für den Abbau ist, dass wir im Fertigungsbereich Kompetenzzentren bilden: Alle Schweißarbeiten werden zukünftig in Erfurt abgewickelt, ebenfalls die Oberflächenbearbeitung. Alle Antriebselemente wollen wir in Weingarten herstellen. Dort fallen 70 Stellen weg. In Erfurt sind es zunächst 220. Für die Großkörperproduktion stellen wir dort wiederum Personal ein, so dass der Abbau in Erfurt unter dem Strich bei 150 liegt. An beiden Standorten sind fast alle betroffenen Mitarbeiter in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft übergewechselt. Das geht nicht ohne soziale Lasten; für die Menschen ist das natürlich erst einmal schlimm.
Vor wenigen Jahren war Müller Weingarten selbst in einer schwierigen Lage. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass Sie diese Integration bewältigen?
Die Schwierigkeiten, die Müller Weingarten hatte, waren fast ausschließlich hausgemacht. Und sie sind zusammengefallen mit einer extremen Abschwungphase, was den Konzern in eine Schieflage brachte. Es hat jedoch niemals jemand daran gezweifelt, dass wir in der Lage sind, hochwertige Maschinen für die Automobilindustrie zu bauen. Es war deshalb gar nicht so schwer, das Unternehmen wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Und was die Umformtechnik Erfurt angeht, bewegen wir uns auf einem bekannten Terrain.
Der Anlagenbau für die Automobilindustrie ist ein sehr konjunkturabhängiges Geschäft. Wie können Sie darauf reagieren?
Wir können die Fitness des Unternehmens verbessern. Das heißt, wir verfügen über flexible Arbeitszeitmodelle. Außerdem achten wir darauf, dass die Fertigungstiefe so ausgelegt ist, in Abschwungphasen die Belegschaft erhalten zu können, indem wir weniger zukaufen. Die Abhängigkeit von der Automobilbranche nachhaltig abzubauen, geht für uns eigentlich nicht. Wir sind auf Umformmaschinen spezialisiert, und es gibt keinen größeren Verbraucher von umgeformtem Metall.
Die Modellzyklen in der Automobilindustrie werden kürzer. Was bedeutet das für Müller Weingarten?
Diese hohe Innovationsgeschwindigkeit ist zunächst sehr positiv für uns. Alle großen Hersteller komplettieren ihre Angebote und bieten Modelle in allen Sparten und Nischen an. Das ist für einen Anlagen-Hersteller, wie wir es sind, von Vorteil. Der zweite Bereich, in dem sich die Innovation niederschlägt, sind die neuen Materialien. Der Leichtbau ist zur Zeit das Thema, von dem wir profitieren können. Wir produzieren die Anlagen, auf denen diese Teile hergestellt werden können: also blechumgeformte Teile, geschmiedete oder gegossene Teile.
In welchen Weltregionen sehen Sie die größten Wachstumspotenziale für Ihr Marktsegment Großpressen?
Bei den Großanlagen hat der Weltmarkt nicht mehr Bedarf als die heutigen Anbieter abdecken können. Die Märkte selbst wachsen in Südamerika, Asien und Osteuropa. In den gesättigten Märkten ist das Wachstum von den Ersatzinvestitionen abhängig und von der Zahl der Zweit- und Drittwagen. Diese reifen Märkte sind weiterhin Nordamerika, Zentraleuropa und Japan. Selbst wenn Osteuropa und China wachsen, sind zwei Drittel des Geschäftes in diesen traditionellen Märkten.
Und mit welchen einzelnen Geschäftsfeldern will der Konzern in Zukunft am Markt auftreten?
Wir haben heute neben dem Werkzeugbau im Maschinenbau die mechanischen Großanlagen, die Stanzautomaten sowie kleine mechanische Pressen und hydraulische Blechumformmaschinen. Das sind Geschäftsfelder der Blechumformung. Daneben beschäftigen wir uns mit dem Thema Schmiedetechnologie und mit dem Druckgießen. In diesen Feldern sehen wir ein großes Wachstumspotenzial. Vor allem das Druckgießverfahren, das am Standort Esslingen weiterentwickelt wird, hat sich im vergangenen Jahr sehr positiv entwickelt.
Planen Sie, in neue Gebiete einzusteigen? Was ist zum Beispiel mit dem Innenhochdruck-Umformen, abgekürzt IHU?
Wir haben aus zwei Gründen nicht in die Erstellung von IHU-Werkzeugen und in das IHU-Prototyping investiert: Zum einen, weil wir uns das 1996 nicht leisten konnten. Zum anderen haben wir uns auf das Druckgießen konzentriert. Wir sind wirklich gespannt, ob wir diese Technologie so vorantreiben können, dass wir zukünftig druckgegossene Teile in größerem Umfang in der Karosserie wiederfinden. Im Bereich IHU sind wir dennoch in der Lage, die dazugehörigen Maschinen zu bauen. Denn das sind den hydraulischen Pressen sehr verwandte Maschinen.
Wo sehen Sie die technologischen Herausforderungen der nächsten Jahre?
Eine große Herausforderung wird einerseits die Rationalisierung der bestehenden Fertigungstechnologien sein. Zum zweiten ist der Umgang mit modernen Werkstoffen eine große Aufgabe. Wir können Maschinen und Werkzeuge nur entwickeln, wenn wir das Material-Know-how haben. Das wird zukünftig auch Kunststoffe mit einschließen. Auf jeden Fall bleiben wir ein Unternehmen, das sich auf Umformtechniken konzentriert, die man überwiegend im Automobilbau einsetzt. Die Frage dabei ist immer, wie sich ein Teil bei vergleichbarer Funktion billiger herstellen lässt.
Zahlen + Fakten
Müller Weingarten AG, Weingarten:
Geschäftsfelder: Mechanische Großanlagen, Stanzautomaten, mechanische Pressen bis 2500 kN, Massivumformung, Hydraulische Pressen, Druckgießanlagen, Werkzeugbau, Service
Mitarbeiter: rund 1950 (2000)
Umsatz: rund 586 Mio. DM (2000)
Umformtechnik Erfurt GmbH, Erfurt:
Geschäftsfelder: Mechanische Pressen, hydraulische Pressen, Pressenautomatisierung, Service/Modernisierung, Lohnfertigung,
Mitarbeiter: 740 (2000)
Umsatz: rund 195 Mio. DM (2000)
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