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Zündregie minimiert Spritzerauswurf

Tandem-Verfahren steigert Schweißleistung
Zündregie minimiert Spritzerauswurf

Zündregie minimiert Spritzerauswurf
MAG-Tandemschweißen von Ecknähten auf einer Längsnahtschweißmaschine mit Korrekturmöglichkeit der gespeicherten Schweißparameter durch den Bediener
Durch den Einsatz von zwei Drahtelektroden im Tandem-Verfahren lässt sich beim Metallschutzgasschweißen die Abschmelzleistung und damit die Schweißgeschwindigkeit verdoppeln. Dies gilt sowohl beim Fügen von Stahl als auch von Aluminum.

Dipl.-Ing. Günter Aichele ist Inhaber eines Ingenieurbüros für Schweißtechnik in Freiburg

Die Forderung nach höherer Produktivität in der schweißtechnischen Fertigung kann beim Schmelzschweißen durch gesteigerte Abschmelzleistung erfüllt werden.
Als das Lichtbogenschweißen mit ummantelten Elektroden noch die erste Rolle beim manuellen Schweißen spielte, ließ sich die Abschmelzleistung mit Hilfe der Hochleistungselektrode – ausgestattet mit Eisenpulver in der Elektrodenhülle – in günstigen Fällen fast verdoppeln. Den gleichen Effekt hatte die Einführung des MAG-Schweißens im Sprühlichtbogenbereich. Es eroberte sehr rasch die Werkstätten und verdrängte das Lichtbogen-Handschweißen. Es dauerte Jahrzehnte, bis beim MAG-Schweißen auf Basis der Hochleistungsvariante T.I.M.E.-Schweißen (Transferred Ionized Molten Energy) erneut ein Schritt zur Verdoppelung der Abschmelzleistung gelang. (Der Industrieanzeiger berichtete in Heft 48/1997.)
Beim manuellen Einsatz lässt sich die Schweißgeschwindigkeit durch ein Erhöhen der Abschmelzleistung nur begrenzt steigern. Und zwar so weit, wie die Fähigkeit des Bedieners reicht, einen Brenner ruhig und schnell über eine Schweißnaht zu führen. Beim vollmechanisierten Schweißen gilt dieses Limit nicht. Wohl aber gibt es Grenzen für eine einzige im Lichtbogen abschmelzende Drahtelektrode, die Nahtwurzel gut zu erfassen und gleichzeitig die Schweißnaht möglichst effektiv aufzufüllen. Die Lösung: Mit zwei Drahtelektroden gleichzeitig arbeiten.
Der Gedanke ist nicht neu, beim mechanisierten Schmelzschweißen zwei Drahtelektroden in kurzem Abstand zur Fügestelle zu führen und gemeinsam in einem einzigen Schweißbad abschmelzen zu lassen. Beim Unterpulverschweißen wird diese Methode schon länger praktiziert. Und dies nicht nur mit zwei Drahtelektroden als Tandemschweißen, sondern sogar mit drei oder mehr Drähten.
Beim MAG-Schweißen begnügt man sich – noch – mit zwei in kurzem Abstand ins Schweißbad einlaufenden Drahtelektroden. Werden diese von einer einzigen Stromquelle gespeist, heißt das Verfahren Doppeldraht-Schweißen. Werden die beiden Elektroden dagegen von zwei getrennten Stromquellen und zwei elektrisch voneinander getrennten Kontaktrohren in einem gemeinsamen Brenner – und damit unter einer gemeinsamen Schutzgasglocke – abgeschmolzen, spricht man vom Tandem-Schweißen. Der Geräte-Hersteller Fronius nennt dieses Verfahren Time Twin.
In jüngster Zeit wurde immer wieder vom erfolgreichen Einsatz des MIG- oder MAG-Tandemschweißens berichtet. Beim Fügen von Aluminium per MIG-Verfahren sind es vor allem die Hersteller von Schienenfahrzeugen, die auf ihren Portal-Längsschweißstraßen die Schweißgeschwindigkeiten erhöhen wollen. Hier werden die über 20 m langen Strangpressprofile, bei denen die Profilkante bereits als Badsicherung vorbereitet ist, in mehreren Stationen gleichzeitig im Parallelbetrieb zu Böden, Dächern oder Seitenwänden verbunden. Die Schweißgeschwindigkeiten gegenüber dem Eindraht-MIG-Schweißen ließen sich in der Regel verdoppeln. Die gleiche Erfahrung machte eine deutsche Werft beim Bau schneller Fährschiffe aus Aluminium.
Für die Nahtverfolgung reichen taktile Sensoren aus
Ähnlich sind auch die Erfahrungen von Stahlverarbeitern mit dem MAG-Schweißen, beispielsweise an Pkw- und Lkw-Felgen, an Achskomponenten für Fahrzeuge oder Auslegern aus Feinkornbaustahl. Auch hier ließen sich die Schweißleistungen durch das Tandem-Verfahren wesentlich steigern, zum Teil sogar verdoppeln.
Das Tandem-Schweißen wird mittlerweile auch in Verbindung mit dem Roboter eingesetzt. Dessen Sechsachs-Kinematik lässt sich beispielsweise mit Hilfe eines gekrümmten Doppeldraht-Brenners voll nutzen. Bei dem System werden alle Medien durch die Hohlwelle in der Handachse des Roboters geführt. Eine entsprechende Software sorgt dafür, dass sich die beiden Drahtelektroden immer in der gewünschten Richtung zur Schweißnaht befinden.
Die hohen Schweißleistungen kann ein Tandem-Schweißbrenner nur erbringen, wenn Gasdüse und Stromdüsen jeweils mit einem eigenen Kühlsystem ausgestattet sind. Die Zwangskontaktierung der Drahtelektrode in der Stromdüse definiert genau den Punkt des Stromübergangs und sorgt damit für stabile Verhältnisse beim Abschmelzen.
Zwei mikroprozessorgesteuerte Stromquellen sind über eine Synchronisationseinrichtung miteinander verbunden. Da die tropfenablösenden Stromimpulse aufeinander abgestimmt werden können, ist damit auch beim Impulslichtbogenschweißen – wie es für Aluminium vorzugsweise genutzt wird – ein zeitlich abgestimmter Werkstoffübergang von beiden Drahtelektroden möglich.
Beim Tandemschweißen sollen die Längen der beiden Lichtbögen sehr kurz und jeweils unabhängig voneinander konstant zu halten sein. Fehlerfreies und präzises Zünden ist Voraussetzung für einwandfreie Schweißnähte. Eine spezielle Zündregie, die die einzelnen Parameter während des Fügeprozesses steuert, minimiert den Spritzerauswurf beim Zünden und beim Tropfenübergang. Die beiden Lichtbögen können gleichzeitig oder mit zeitlichem Versatz gezündet oder gelöscht werden. Da die Drahtförderung sicher sein muss, bieten sich bevorzugt Vierrollenantriebe an, beispielsweise solche mit tachogeregelten und wassergekühlten Scheibenläufermotoren.
Für Längsnähte eignen sich die gängigen Portale oder Auslegermaschinen. Pendeleinrichtungen sind beim Schweißen von Ecknähten hilfreich. Für die Nahtverfolgung an den zumeist dickeren Werkstücken reichen oft taktile Sensoren aus. Diese Abtasteinrichtungen berühren vor dem Schweißbrenner die Nahtflanken und geben ihre Korrekturimpulse auf den Brennersupport.
Moderne Stromquellen speichern eine große Anzahl von Programmen für bestimmte Schweißaufgaben. Allerdings sollte der Bediener der Längs- oder Rundschweißmaschine während des Schweißens und aufgrund seiner Beobachtung des Schweißbades die von der Steuerung gelieferten Parameter um einen gewissen Betrag – beispielsweise ± 5 % – korrigieren können, um Toleranzen in der Nahtvorbereitung auszugleichen.
Tandem-Schweißen: Für dickwandige Teile prädestiniert
Der britische Baumaschinenhersteller JC Bamford Ltd. (JCB), Rocester, setzt auf die mit zwei Drahtelektroden arbeitende Tandem-Schweißtechnik. Auf Grund ihrer hohen Abschmelzleistung eignet sich diese besonders zum Fügen dickwandiger Bauteile. Im Rahmen eines Großprojekts orderten die Briten bei der Cloos GmbH, Haiger, sechs Roboterschweißsysteme für die Fertigung von Fahrwerkskörpern und Unterbaugruppen. Die teils als vollautomatische Schweißstraße angeordneten Robotersysteme sind in ihren Peripherieeinheiten speziell zugeschnitten auf das flexible Bearbeiten großvolumiger Werkstücke. Ein automatisches Brennerwechselsystem ermöglicht einen schnellen Wechsel von Tandem- auf Eindrahtschweißen.
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
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