Startseite » Allgemein »

Zwei Generationentüfteln Hand in Hand

Ketterer Maschinenbau erhält Innovationspreis
Zwei Generationentüfteln Hand in Hand

Für ein modulares Multi-Stationen-CNC-Bearbeitungszentrum hat die Ketterer Maschinenbau GmbH den Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg erhalten. Das Erfolgsgeheimnis: Zwei Generationen arbeiten in dem Familienbetrieb Hand in Hand.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele

Mit dem Preis haben wir wirklich nicht gerechnet“, sagt Dr. Gunter Ketterer. Und mit soviel Trubel danach ebenfalls nicht. Manager namhafter Firmen geben sich derzeit bei der Ketterer Maschinenbau GmbH die Klinke in die Hand, um die jüngste Entwicklung der Tüftler in Augenschein zu nehmen: das Flex-Center, ein modular aufgebautes Multi-Stationen-Bearbeitungszentrum.
Für diese Entwicklung hat der Familienbetrieb jetzt den Innovationspreis des Landes Baden-Württemberg erhalten. Die nach dem früheren Wirtschaftsminister Dr. Rudolf Eberle benannte Auszeichnung gilt über die Landesgrenzen hinaus als Ritterschlag für Tüftler und Unternehmer aus dem Ländle. Bewertet wird dabei nicht nur der technische Fortschritt der Neuentwicklung. Besonders achtet die Jury auf die unternehmerische Leistung und den wirtschaftlichen Erfolg: Erst wenn der Unternehmer mit der Innovation am Markt erfolgreich war, gilt die Erfindung als preiswürdig.
In den Werkhallen des Bad Dürrheimer Sondermaschinenbauers herrscht Geschäftigkeit. Zwei der preisgekrönten CNC-Alleskönner sind gerade in der Montage. Die Herzstücke: sieben sternförmig angeordneten Sechsfach-Werkzeugrevolver, ein Schaltteller in der Mitte mit vier sogenannten Planeten, die die Werkstücke aufnehmen werden. „Hier an der Seite ist dann der fünfte Planet“, erklärt Dr. Ketterer und beschreibt mit einer Handbewegung, wie ein Roboterarm das Werkstück greifen, drehen und dort plazieren wird, um die sechste und letzte Seite des Teiles bearbeiten zu können.
Das innovative Konzept ist der Erfolg einer traditionsreichen schwäbischen Tüftlerfamilie. Zwei Generationen arbeiten Hand in Hand, das Nachfolgeproblem existiert dort nicht. Die beiden Juniorchefs Dr. Gunter Ketterer, 35, und sein Cousin, der 33jährige Hans-Peter Ketterer sind beide als Diplom-Ingenieure vor gut fünf Jahren in das Unternehmen eingetreten. Sie sind mittlerweile die dritte Generation. Die ältere Generation, der 59jährige Karl Ketterer und sein Bruder Günther, 72, sind ebenfalls im Betrieb. Ihr 1997 verstorbener Bruder Hans Ketterer gilt als der Schöpfer des Flex-Center-Konzeptes. Seine Idee sei es gewesen, ein modulares System für die Komplettbearbeitung zu entwickeln.
Es sollte nach dem Baukastenprinzip verschiedene Maschinenlayouts ermöglichen, die speziell auf die Anforderungen des Kunden zugeschnitten sind. Andererseits war ein Höchstmaß an Produktivität und Wirtschaftlichkeit nötig. Ziel war es, die Lücke zwischen Sonder- und Serienmaschine zu schließen.
Im Jahr 1993, als die beiden Juniorchefs von der Hochschule in den Betrieb kamen, machten sich die Tüftler mit dem erfahrenen Praktiker Hans Ketterer daran, die Idee in die Tat umzusetzen. Die gesamte Konstruktion sei von Grund auf neu, vom Maschinenuntergestell bis zur Software, berichtet Dr. Gunter Ketterer. „Wir durften auf kein bestehendes Konzept zurückgreifen, denn darunter hätte die Flexibilität gelitten.“
Um die Bearbeitungszeiten und die sogenannten Nebenzeiten, die unproduktive Zeit der Maschine, auf ein Minimum zu reduzieren, kämpften die Entwickler um jeden Sekundenbruchteil. Auf keinen Fall durften sie ob der technischen Finessen die Wirtschaftlichkeit außen vor lassen. Denn unter dem Strich mußten deutlich geringere Stückkosten als bei einem konventionellen Fertigungsverfahren herausspringen.
Der erste Auftrag kam etwas überraschend, und zwar von einem US-Unternehmen. „Per Handschlag auf dem Stuttgarter Flugafen, einzig und allein aufgrund der Zeichnungen“, habe man das Geschäft abgeschlossen, erzählt der Juniorchef schmunzelnd und fügt hinzu: „Der Kunde war auf der Suche nach neuen Konzepten, und die Amerikaner sind da offenbar aufgeschlossener und mutiger.“ Dann folgten für den Familienbetrieb eineinhalb Jahre, in denen sie Tag und Nacht in kleinen Teams an den einzelnen Komponenten arbeiteten.
Erster Auftrag per Handschlag auf dem Flughafen
Die Krise in der Maschinenbaubranche zu dieser Zeit habe das Projekt in gewisser Weise begünstigt. „Wir waren gezwungen, Neuheiten zu entwickeln. Außerdem hatten wir damals auch die Kapazitäten dafür.“
Seniorchef Karl Ketterer, der in dem Familienbetrieb für den kaufmännischen Part zuständig ist, erinnert an den Zeitdruck, unter dem die gesamte Mannschaft damals stand: „Wir hatten einen extrem kurzen Liefertermin zugesagt.“ Zum Jahreswechsel 1996 schließlich funktionierte der erste Prototyp des neuen Sechsfach-CNC-Revolvers. Ein gutes halbes Jahr später lieferten die Bad Dürrheimer ihr erstes Flex-Center in die Vereinigten Staaten. Die Folgeaufträge des US-Konzerns sorgen bis heute für eine gute Auslastung.
Das Unternehmen hat neben dem preisgekrönten Konzept ein breites Programm. Gefertigt werden die Eigenentwicklungen, die unter dem Markennamen „Vollma“ bekannt sind: unter anderem CNC-Rund- und -Lineartaktautomaten, Baukomponenten, Meßgeräte, Meß- und Sortiermaschinen und der inzwischen patentierte High-Speed-CNC-Revolver. Im gleichen Gebäude residiert das 1948 gegründete Maschinenhandelshaus Seibold & Ketterer, aus dem in den Fünzigern die Ketterer GmbH als Werkzeug- und Sondermaschinenbau-Unternehmen hervorgegangen ist. Zusammen beschäftigen die beiden Gesellschaften rund 70 Mitarbeiter. Allein für das Flex-Center haben die Bad Dürrheimer inzwischen 15 neue Mitarbeiter eingestellt.
Bei vollen Auftragsbüchern spürt der Familienbetrieb zur Zeit schmerzlich, wie schwer es ist, Fachleute für dieses High-Tech-Geschäft zu finden. Die Firmenchefs suchen händeringend nach Monteuren und Ingenieuren. An der hohen Fertigungstiefe von 70 bis 80 Prozent wollen sie weiterhin festhalten. Zu groß sei die Gefahr von Know-how- und Qualitätsverlust.
Umso mehr betont Dr. Ketterer, daß sowohl der wirtschaftliche Erfolg als auch der Innovationspreis ein Verdienst der ganzen Belegschaft sei: „Da hat jeder einzelne voll mitgezogen.“ Dementsprechend stolz präsentierte sich die Ketterer-Mannschaft bei der feierlichen Preisverleihung: Fast die komplette Belegschaft war mit dem Charterbus nach Stuttgart gefahren.
Das Maschinen-Konzept
Das Flex-Center, ein modulares Multistationen-CNC-Bearbeitungszentrum, belegte den ersten Platz des Dr.-Rudolf-Eberle-Preises 1998. Laut Jury verbindet das Konzept ein Höchstmaß an Flexibilität mit Produktivität und niedrigen Stückkosten:
Grundmaschine: bis zu vier 3-Achs-CNC-Bearbeitungseinheiten, sie kann beliebig um weitere Bearbeitungsmodule erweitert werden.
modulare, frei konfigurierbare Konzeptionen als Stand-alone-, Duo-flex-, Linear- oder Rundschalttisch-Lösung
patentierte High-Speed-6-fach CNC-Revolverköpfe oder Motorspindeln mit neuentwickelten, automatischen Werkzeugwechselsystemen
5-/6-Seitenbearbeitung von Werkstücken von 250 x 250 x 250 mm
bis zu sieben 3-Achs-CNC-Bearbeitungsstationen arbeiten simultan, bis zu 34 CNC-Achsen werden digital angesteuert
Schnellwechselsysteme für Werkzeuge und Spannvorrichtungen
flexibel sowohl für Klein- als auch Großserien geeignet
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de