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Zwischen Berg und Tal lebt der Erfindergeist

Bergisches Land: Wo der industrielle Mittelstand zu Hause ist
Zwischen Berg und Tal lebt der Erfindergeist

Die Liste der berühmten Erfinder aus dem Bergischen Land, der Wiege der deutschen Industrie, ist lang. Heute noch lebt die Region von Erfindergeist und Beharrlichkeit.

Von unserem Redaktionsmitglied Tilman Vögele-Ebering tilman.voegele@konradin.de

Wo die Wälder noch rauschen,
die Nachtigall singt,
die Berge hoch ragen,
der Amboß erklingt …(Bergisches Heimatlied)
Wo liegt Hückeswagen? Im Bergischen Land. Und schon folgen fragende Blicke. „Kaum jemand im Ausland kennt das Bergische Land“, klagt Harald Pflitsch, Unternehmer aus dem Städtchen Hückeswagen. Er hat einen Trick, um zu verdeutlichen, aus welchem bedeutenden Teil der Bundesrepublik er kommt: Er trumpft mit den berühmten Söhnen auf, die rechts und links der Wupper Industriegeschichte geschrieben haben. So kommt der X-Strahlen-Entdecker und erste Nobelpreissieger Wilhelm Conrad Röntgen aus dem Bergischen, ebenso der Aspirin-Entwickler Friedrich Bayer. Die berühmten Mannesmann-Brüder stammen aus Remscheid. Sie haben das Schrägwalzverfahren für nahtlose Stahlrohre entwickelt.
Und Pflitsch erinnert an die in der Öffentlichkeit weniger bekannten Erfinder, die in ihren Branchen hohes Ansehen genießen: beispielsweise Jean Beché jr. aus Hückeswagen, der den Luftfederhammer und die Feilenhobelmaschine erfunden hat, oder Heinrich Schicht, der für die bekannte Klingelnberg-Verzahnung verantwortlich zeichnet. (Weiter nächste Seite.)
Im Landstrich zwischen Ruhr und Sieg vor den Toren der Millionenstadt Köln liegt die Wiege der deutschen Industrie. Die Schmiedehämmer aus alten Zeiten an den Wasserläufen sind als Museumsstücke zu besichtigen. Heute noch gilt das Bergische Land als ein Zentrum der Metallbe- und -verarbeitung.
Die Werkzeugindustrie ist weltbekannt. Einmalig ist die Schneid- und Besteckwarenindustrie, die sich das Label Made in Solingen statt Made in Germany hat schützen lassen – ein Unikum. Die Automobilzuliefer-Branche ist ebenfalls stark im Städtedreieck Remscheid-Solingen-Wuppertal. Es sind hauptsächlich Mittelständler, Unternehmen, in denen die Gründer nicht aus dem Vollen Schöpfen konnten, sondern sich auf ihren Erfindungsreichtum und ihre Beharrlichkeit verlassen mussten, wie sie den Menschen aus dem Bergischen Land häufig nachgesagt wird.
Harald Pflitsch, Geschäftsführender Gesellschafter der Pflitsch GmbH & Co., gerät leicht ins Schwärmen, wenn er über die Wirtschaftsregion und sein Unternehmen spricht. „Es gibt hier so viele Tüftler, das muss bekannt gemacht werden“, sagt er. Erfinder aus seiner Heimat sind sein Steckenpferd. Gut 50 Daniel Düsentriebs hat der Firmenchef bislang auf seiner Liste, die schon den Stoff für eine Serie in der Regionalpresse und Berichte im Fernsehen lieferte. Ein kurioser Fall, über den der Vollblutunternehmer oft schmunzelt, ist, dass selbst der berühmteste deutsche Schiffskonstrukteur, Carl Alexander Elbertzhagen, aus dem (bergischen) Binnenland kommt, aus Remscheid. Die Liste der „Bergischen Erfinderköpfe“ hat Pflitsch mittlerweile auf seiner Firmenhomepage unter www.pflitsch.de veröffentlicht.
Dort findet sich auch der Vater von Harald Pflitsch: Otto Pflitsch, der Erfinder der kittlosen Universal-Kabelverschraubung. Mit seinem Patent von 1966 sorgt er dafür, dass elektrische Zuleitungen im Freien und im Industrieeinsatz durch eine geniale und zugleich simple Verschraubung abgedichtet sind. Der Monteur muss nur die Sechskant-Mutter anziehen, die zum Markenzeichen des Unternehmens geworden ist. Heute hat das Unternehmen auf der Basis des Ur-Patents einen Systembaukasten entwickelt, der mit Standardkomponenten für jede individuelle Kabelverschraubung eine Lösung finden soll.
Die Region ist mit ihren industriellen Wurzeln einem ständigen Strukturwandel unterworfen. High-Tech-Schmieden siedeln heute in ehemaligen Textilfabriken, alte Industrien und mancher Familienbetrieb schließen die Tore für immer. Eine Initiative aus Gemeinden und Institutionen zur Wirtschaftsförderung mit dem Namen „Kompetenz hoch drei“ will jetzt dem bergischen Städtedreieck mehr Schubkraft verleihen. Ein Meilenstein sei, dass besondere Projekte des Strukturwandels künftig in die Ziel-2-Förderung der EU und des Landes einbezogen werden, verkündete vor kurzem Ministerpräsident Peer Steinbrück. Es gibt also Fördermittel, um aufbauend auf dem traditionellen Know-how neuen Wirtschaftszweigen und jungen Industrien Starthilfe zu geben, damit das Bergische Land seine Wettbewerbsfähigkeit erhält.
Dass noch viel Erfindergeist in der Region steckt, zeigt sich stets aufs Neue. Das Umweltministerium hat laut der NRW-Patentverwertungs-Gesellschaft Provendis gerade einen Förderantrag für ein Patent von zwei Chemikern der Bergischen Universität Wuppertal genehmigt. Ganz neu: Mit einer elektrisch leitfähigen Membran reinigen die Forscher Färbereiabwässer – schon wieder zwei Erfinder mehr für die Liste von Harald Pflitsch.
Strukturwandel macht vor der Wiege der Industrie nicht halt

Das ist das Bergische Land
Das Bergische Land umfasst verschiedene politische Gebiete:
  • das Städtedreieck Remscheid-Solingen-Wuppertal (650 000 Einwohner)
  • den Rheinisch-Bergischen Kreis
  • den Oberbergischen Kreis
  • Teile des Kreises Mettmann
Die Größe der Region ist mit dem Saarland vergleichbar.
Das Bergische Land ist zwar ein bergiges Land, wurde aber nach den Grafen und späteren Herzögen von Berg benannt. Als politisches Territorium bestand es lediglich bis 1815. Dann kam das Gebiet an Preußen und wurde Teil der Rheinprovinz.
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