Die EU-Kommission präsentiert am 23.2.22 ihren Entwurf zum „Data Act“. Unternehmen sollen ihre Daten teilen, Hersteller von vernetzten Autos, Maschinen und Anlagen sogar dazu verpflichtet werden. Ein Interview mit Hartmut Rauen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des VDMA über die Thematik Data Act.
Das Interview führte Alexander Gölz, Chefredakteur Industrieanzeiger
Industrieanzeiger: Wie steht der VDMA zum Entwurf?
Hartmut Rauen: Grundsätzlich stellt sich der VDMA die Frage, warum die EU-Kommission überhaupt tätig geworden ist. Zumindest im Maschinen- und Anlagenbau erkennen wir, dass unsere Mitgliedsunternehmen bislang sehr gut in der Lage waren, aufgrund von Verhandlungen diese Thematik fair und für alle Seiten auch wirtschaftlich sinnvoll vertraglich zu lösen. Echte Marktverwerfungen, die nun von der EU-Kommission für die gesamte Wirtschaft unterstellt werden, können wir nicht feststellen.
Gerade KMU haben gezeigt, wie flexible und für den Einzelfall passgenaue Antworten auf die vermeintlichen Probleme in Sachen Datenaustausch aussehen können. Hier wird nun aus unserer Sicht ein funktionierendes System mit Unsicherheiten belastet, etwa im Hinblick auf den neuen Fairness-Test, der uns mit Schrecken an die AGB-Kontrolle im unternehmerischen Umfeld in Deutschland erinnert! Man unterminiert mit den nunmehr bekannt gewordenen Regelungen die unternehmerische Freiheit, die im Maschinen- und Anlagenbau zumindest bislang von allen Seiten mit Verantwortung und Weitsicht ausgeübt wurde.
Was kommt konkret auf den deutschen Mittelstand im Maschinen- und Anlagenbau zu?
Gelebte Modelle stehen nun unter dem Vorbehalt, dass zum Beispiel die einzelnen Klauseln dem sehr abstrakten Fairness-Test des Data Acts entsprechen. Gerade hier zeigt sich: Im Maschinenbau waren die gefundenen Regelungen ganz überwiegend das Ergebnis eines Interessensausgleichs, etwa zwischen Hersteller und Abnehmer. Hier wird nun völlig ohne Not ein Umstand eingebracht, der auf Rechtsunsicherheit hinausläuft. Hierauf hat der VDMA im Vorfeld immer und immer wieder hingewiesen.
Sollte wirklich im konkreten Einzelfall ein Marktversagen vorliegen, zum Beispiel weil eine Vertragspartei ihre Marktmacht missbraucht hat, wäre aus unserer Sicht vielmehr die kartellrechtliche Missbrauchskontrolle das geeignete und bewährte Eingriffsinstrument. Auch weitgehende Informationspflichten und technische Voraussetzungen zur Interoperabilität beziehungsweise Portabilität kommen auf den Maschinenbau zu. Gerade der Mittelstand, der sich im Bereich Industrie 4.0 eher Erleichterungen gewünscht hätte, kann nun auch noch diese bürokratischen Hürden vorfinden. Das erscheint uns als Bärendienst.
Die Digitalisierung beschäftigt viele Mittelständler sehr. Wirkt sich der Data Act negativ auf die stetige Vernetzung im Zuge von Industrie 4.0 und IIoT-Anwendungen aus?
Unsere innovativen Mitgliedsunternehmen – und hier gerade die KMU – werden auch weiterhin in der Lage sein, diese Schwierigkeiten zu meistern. Aber es ist ein erneuter Aufwand, den die Unternehmen lieber in die Weiterentwicklung Ihrer Leistungen gesteckt hätten. Prinzipiell wünschen wir uns ein Ökosystem, welches die Synergien gemeinsam genutzter Daten hebt. Hohe Priorität hat dabei für uns neben der auch im Data Act angesprochenen Interoperabilität die Vermeidung von Lock-In-Effekten.
So entwickeln wir im VDMA mit zahlreichen Partnern und mehr als 600 Unternehmen die Weltsprache der Produktion auf Basis der OPC UA- Technologie und bringen diese mit einheitlicher Implementierung unter der Marke und Community umati – universal machine technology interface – in die globale Umsetzung. Zudem haben wir die Gründung der Industrial Digital Twin Association mit vorangetrieben. Unsere Unternehmen wissen um die Bedeutung ihres Domainwissens und der Kundenschnittstelle, diese Position wollen sie schützen. Sie wissen aber auch, dass aus dem Teilen ein Mehr werden kann, wenn es um Daten geht. Insgesamt halten wir daher am Fazit fest, dass zumindest der Maschinenbau völlig unnötig in eine Regulierung einbezogen wurde, die mehr Schaden anrichten wird als Antworten auf verbleibende Fragen gibt, wie etwa die Problematik im Bereich des Schutzes von personenbezogenen Daten innerhalb von Maschinendaten.
Wie steht es um Geschäftsgeheimnisse und die Wettbewerbsfähigkeit?
Geschäftsgeheimnisse sind – per se – nach dem Data Act geschützt. Aber man sollte hier nicht die Praxis aus den Augen verlieren: Geschäftsgeheimnisse sind nur so gut geschützt, wie der Schutz im schwächsten Glied. Wenn Unternehmen nun Zugriff auf viele, wenn nicht alle Daten gewähren müssen, mag man sich vorstellen, dass diese Vervielfachung der Informationsempfänger auch darin münden kann, dass mehr Schwachstellen im Geheimnisschutz auszumachen sind. Da helfen dann auch Geheimhaltungsvereinbarungen und dergleichen recht wenig. Dies ist eine Sorge, die in unseren Augen zu oberflächlich im Data Act abgehandelt wurde.
Was wäre aus Ihrer Sicht der richtige Weg, um die Thematik gemeinsam zwischen Politik und Unternehmen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen?
Aus unserer Sicht eine einfache Formel: Die Politik möge sich einfach mal konkret ansehen, was im mittelständischen Maschinen- und Anlagenbau passiert, wo dort die Nöte sind und welche Stärken die Branche aufweist. Ein Grundproblem ist, dass vielfach einem „one size fits all“-Ansatz gefolgt wird und daher Fragestellungen einzelner, manchmal auch sehr prominenter Branchen dazu führen, dass ohne Not in Bereiche eingegriffen wird, die diese Fragestellungen bereits zur vollsten Zufriedenheit beantwortet haben. Eine so weitreichende Regulierung sollte dann auch auf die relevanten Sektoren beschränkt bleiben. Hier setzt sich der VDMA nach wie vor mit Nachdruck dafür ein, die Realitäten und die Praxis des mittelständischen Maschinenbaus auch der Politik nahezubringen, genau um eine solch überschießende Regulierung zu vermeiden.