Er sei nicht präsidial, tönte Donald Trump oft auf Kundgebungen, deshalb würden ihn die Leute mögen. Das vom abgewählten US-Präsidenten missächtlich betrachtete Amt geht am 20. Januar 2021 mit Joe Biden auf einen sachkompetenten Politiker über, der vielen als Hoffnungsträger gilt. An ihm liegt es nun, die größten Fehler seines Vorgängers innen- wie außenpolitisch zu korrigieren.
Zwar wird auch Biden amerikanische Interessen nicht weniger vehement vertreten als Trump. Mit ihm wird man jedoch verhandeln können. Schimpftiraden, die wöchentlich per Tweet niederprasselten, wird es keine geben. Auch wird Joe Biden einen Wirtschaftskrieg, wie er zeitweise zwischen den USA und Europa respektive China tobte, nicht führen. Gleichwohl wird auch seine Regierung weiterhin versuchen, den großen Konkurrenten China in die Schranken zu weisen. Schließlich muss auch der neue Präsident zuhause Jobs sichern. Zuvorderst kommt es für ihn jedoch darauf an, sein zutiefst gespaltenes Land zu heilen, das Gesundheitswesen abzusichern, die Wirtschaft wieder aufzurichten und die schlimmsten Folgen der Corona-Pandemie zu lindern. Damit steht Biden vor schier unlösbaren Herausforderungen. Europa und Deutschland sollten deshalb keine zu großen Erwartungen hegen, dass sich mit dem Trump-Nachfolger rasch alles zum Besseren wendet. So werden der Biden-Administration Energielieferungen aus Russland über die Nord Stream 2-Pipeline ebenso ein Dorn im Auge sein wie das von Deutschland nicht erfüllte 2 %-Ziel beim Nato-Mitgliedsbeitrag. Zwar ist mit einer Normalisierung der transatlantischen Beziehungen zu rechnen. Europa entbindet das aber nicht davor, sich selbst stark zu machen und seine Interessen weltpolitisch zu verteidigen.