Vor knapp drei Wochen fand – in digitaler Version – die Hannover Messe 2021 statt. In Nicht-Pandemie-Jahren ist die Veranstaltung die alljährlich größte Zusammenballung industrieller Technik auf der Welt. Tausende Hersteller aus zahlreichen Industriebranchen präsentieren stolz ihr Produktportfolio. Den durch die Hallen drängelnden Besuchern fliegen Buzzwords wie digitale Transformation, Cloud, 5G oder IoT in beinahe jedem Gespräch entgegen. 2019 – bei der letzten physischen Industrieschau – verzeichnete die Hannover Messe 215.000 Besucher, nahezu 40 % reisten aus dem Ausland an. Die Top-Besucherländer nach Deutschland waren China, die Niederlande, Italien und die USA. Heute ein undenkbares Szenario.
In diesem Jahr wählte ich mich pünktlich um 8 Uhr morgens am 12. April, dem ersten virtuellen Messetag, online ein und trat der eröffnenden Pressekonferenz der Wirtschaftsverbände ZVEI, VDMA und BDI bei. Da saß ich nun – am heimischen Schreibtisch, für den Fall des Videobildes in schicker Bluse, ansonsten leger – und folgte meiner achten Hannover Messe. Diesmal eben anders.
Im Rahmen der Möglichkeiten fand ich die digitale Edition der Leistungsschau gut umgesetzt. Natürlich haben Unternehmen, Arbeitnehmer und Messegesellschaften im Verlauf der Pandemie viel über digitale Formate gelernt. Daher kann man das diesjährige Format nicht mit den im Vorjahr kurzfristig aufgesetzten Digital Days im Juli – als Ersatz für die ausgefallene reale Messe im April 2020 – vergleichen. Die Informationsbreite war 2021 durch die Vielfalt im Konferenzprogramm gegeben, die Formate selbst waren qualitativ unterschiedlich. Viel Verbesserungsbedarf sehe ich bei den Simultanübersetzungen: So überlagerte bei internationalen Sprechern eine deutsche Übersetzung den Ton, die Originalsprache war jedoch meist noch zu hören. Besser wäre es, dem Nutzer eine Auswahl an Audiokanälen zur Verfügung zu stellen, um das zu vermeiden. Zudem konnten sich Digital-erfahrene Branchenschwergewichte bei den Livestreams gut in Szene setzen, während kleinere Lösungsanbieter auf die aktive Recherche der Messebesucher hoffen mussten.
Wirklich interaktiv sind hiesige Onlineformate im Vergleich zum internationalen Angebot kaum. Dabei gibt es bereits Meeting-Plattformen, die ein Besuchsverhalten wie auf einer realen Messe abbilden können. So könnte der Besucher in eine viel aktivere Rolle schlüpfen.
Hinzu kommt: Bei allen Vorteilen, die der virtuelle Messeraum bietet, kostendeckend ist er für die Veranstalter nicht. Nur etwa 20 % des Umsatzes einer sonst üblichen Präsenzmesse fließen in die Kasse. Deshalb ist der Weg zum hybriden Format, der in der Industrie derzeit als Trend der nächsten Jahre beschrien wird, ein logischer.
Mein Fazit zur digitalen Hannover Messe: Gut umgesetzt, sehr gut wäre geprahlt. Ich hoffe daher auf das reale (hybride) Format im nächsten Jahr.