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Gerade die deutsche Automobilindustrie hat sich in der Vergangenheit als Vorreiter im Industrie-4.0-Bereich erwiesen. Trotzdem gibt es immer noch zahlreiche Lücken in der Digitalisierung. Viele Arbeitsschritte in der Karosserie-, Lackier- und Montageindustrie sowie im Prototypenbau erfordern eine manuelle Qualitätssicherung. Durch die wachsende Variantenvielfalt wird diese aber immer komplexer und kostenintensiver. Der Trend zur Gewichtsreduzierung von Karosserien führt zu zusätzlichem Aufwand. Anstatt Stahlbleche zu verschweißen, müssen Arbeiter nun Komponenten aus verschiedenen Materialien wie Stahl, Aluminium und Kohlenstoff miteinander verbinden. Das erhöht ebenfalls die Komplexität der Produktion und Qualitätssicherung. Um Werkern unter die Arme zu greifen und eine umfassende Qualitätskontrolle sicherzustellen, braucht es also mehr Digitalisierung. So lassen sich auch manuelle Prozessschritte in automatisierte Workflows einfügen.
Vorteile der digitalen Prozesskette
Hier kommt die Augmented Reality mit dynamischer Laser- und Videoprojektion ins Spiel. Mithilfe von Daten aus direkt verbundenen Sensor-Systemen ist eine solche Lösung in der Lage, komplexe 3D-Daten, sprich digitale Daten und Modelle, auf dem Werkstück lagerichtig und exakt darzustellen. Die Projektion hilft den Werkern zu erkennen, wo und wie sie ein Bauteil anbringen müssen. Außerdem bietet diese AR-Lösung zusätzliche Funktionen, die über die bloße Visualisierung hinausgehen. Sie ermöglicht beispielsweise, einzelne Montageschritte auch digital zu dokumentieren. Dies gelingt entweder durch das sogenannte Werkzeugtracking oder mithilfe der interaktiven Detektion der Anbauteile mittels 2D/3D-Bildverarbeitung.
Beide Technologien schaffen einen Rückkanal von der realen Welt zum digitalen Modell – so entsteht eine bidirektionale Datenbrücke. Durch diese Brücke kann ein vollständiges, präzises virtuelles Modell des gesamten Produktionsprozesses erstellt werden, was vielerlei Anwendungsgebiete eröffnet. Autoherstellern werden beispielsweise immer wieder neue, nachgelagerte Optionen geboten. Mithilfe der bidirektionalen Datenbrücke können sie nun die manuellen Prozessdaten mit anderen Produktions- und Umgebungsdaten korrelieren und analysieren oder auch digitale Twin-Simulationen durchführen. Es ist zudem möglich, Ursachen für schwer erkennbare Fehler zu identifizieren, die nur dann auftreten, wenn bestimmte Elemente kombiniert werden. Ausgiebige Datenanalysen versetzen Hersteller also in die Lage, Verbesserungspotenzial zu erkennen und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen.
Zudem gelingt es Autobauern, die Effizienz und die Qualität zu steigern, indem sie manuelle Arbeiten mit AR-Projektion digital optimieren und nahtlos in die digitale Prozesskette einbinden. Mittels AR werden Mitarbeiter nicht nur schneller, sondern ihnen unterlaufen auch weniger Fehler – eine große Entlastung. Da das System leicht zu erlernen und zu bedienen ist, sind auch weniger qualifizierte Arbeitskräfte in der Lage, schnell damit umzugehen. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist das ein großer Pluspunkt. Da digitale Schablonen viel flexibler und kostengünstiger sind als herkömmliche, senken Unternehmen zudem ihre Kosten.
Die AR-Technologie ist bereits allein äußerst wirkmächtig. In Kombination mit KI ergeben sich aber noch weitere spannende Optimierungsmöglichkeiten. Wie das genau funktioniert, zeigt ein Beispiel eines deutschen Autoherstellers.
AR- und KI-gestützte Qualitätssicherung
Besagter Hersteller kombiniert ein KI-gestütztes Bilderkennungssystem mit dynamischer Laserprojektion, um sicherzustellen, dass die Fahrzeuglackierung beispielsweise keine Staubeinschlüsse aufweist. Zu diesem Zweck wird zunächst die lackierte Oberfläche automatisiert durch Sensoren und Kameras analysiert. Die Bilderkennung lokalisiert dabei etwaige zu bearbeitende Stellen. Sie übermittelt daraufhin die gesammelten Informationen an einen Anlagen-PC, der für die AR-Projektion über mehrere in der Finish-Kabine verbaute Laserprojektoren koordiniert. Die Projektion zeigt ein grünes Dreieck an der Position, wo der Werker schleifen muss. Selbst wenn die Karosserie am Band oder auf dem Hubtisch bewegt wird, dank dynamischem Bauteiltracking bleibt die Visualisierung stets akkurat. Nach Abschluss des Arbeitsschritts wird das Dreieck zum Kreis. Jetzt ist dem Mitarbeiter klar, dass er hier noch polieren muss. Die Anzeige verschwindet, wenn alles korrekt erledigt ist.
Diese sogenannte Workflow-Awareness wird in diesem Fall durch das integrierte Werkzeugtracking ermöglicht: Das System erkennt automatisch, welches Werkzeug momentan verwendet wird und wie lange es auf einer Position verweilt. Außerdem hält es Prozessparameter wie den Anpressdruck beim Polieren und Schleifen fest. Da all diese Daten über die bidirektionale Datenbrücke zurück ins digitale Modell fließen, kann der Autobauer diese weiter analysieren.
AR im Zusammenspiel mit KI
In AR-Technologien wie die der dynamischen Laser- und Videoprojektion liegt ein enormes Potenzial für die Automobilindustrie. Sie ermöglichen es, manuelle Arbeiten nahtlos in die digitale Prozesskette zu integrieren, Produktionslinien zu flexibilisieren und die wachsende Variantenvielfalt effektiv zu meistern. Dank digitalem Werkzeugtracking oder dynamischem Bauteiltracking können Daten aus der analogen Welt ins digitale Modell übertragen werden und stehen damit für zukünftige Analysen zur Verfügung. Zudem bietet dies die Möglichkeit, die gesammelten Daten auch in KI-Anwendungen zu integrieren. Erste Projekte wie das beschriebene Beispiel zeigen bereits, welch spannende neue Anwendungsmöglichkeiten in dieser Kombination für die Automobilindustrie möglich sein werden.