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Geschäftsmodelle: Aufbruch im Maschinenraum

Industrie 4.0
Aufbruch im Maschinenraum

Firmen im Artikel
Mit digitalen Prozessen und Geschäftsmodellen können Unternehmen auch künftig wettbewerbsfähig produzieren. Dies belegen Praxisbeispiele der TAE-Tagung „Industrie 4.0“. ❧

Dietmar Kieser

„We need an App!” Als Steve Jobs 2009 den brillanten Einfall formulierte, waren Industrie 4.0 und das Internet der Dinge, kurz IoT, noch nicht in Sicht, geschweige denn dessen industrielle Variante IIoT. Die Vorsehungen des 2011 verstorbenen Apple-Gründers samt seiner Touchscreen-Systeme haben einen Markt nach dem anderen umgewälzt. Seither steht weniger das Gerät, sondern die auf ihm installierte Software, die App, im Vordergrund.

Doch das vom Consumerprodukt gewohnte, einfache Handling industriefähig zu machen, schafft nur, wer Web- und App-Technologien aus dem Effeff beherrscht und ebenso den Maschinenraum. Wie Wolfgang Clauss. Der Geschäftsführer der Esslinger Ondics GmbH bezeichnet sich selbst als „I4.0-Gateway-Hersteller“, der sich auf „Hallenbodenlösungen für IIoT“ versteht. Um zu einem App-System für solche Lösungen zu kommen, hat sich Clauss am BMBF-Forschungsprojekt ScaleIT beteiligt. Mit Partnern wie Sick, Zeiss, Feinmetall, dem Karlsruher KIT oder dem Fraunhofer IAO. Entstanden ist eine für mittelständische Unternehmen beherrschbare Software, die auf neuen Architekturen basiert – „ein faires App-System für Industrie 4.0“, wie Clauss auf der Fachtagung „Industrie 4.0 und das Internet of Things“ der Technischen Akademie Esslingen (TAE) betonte.

Gesucht: IT-Bausteine für Fertigungsaufgaben

Sein Ansatz: „Klassische Software-Konzepte sind zu komplex.“ Auch Industrie 4.0 habe mit Software zu tun, mit vielen Schnittstellen und kommunizierenden Systemen. Gesucht waren also IT-Bausteine für Fertigungsaufgaben, „kleine Softwarestücke, die zusammenpassen und die der Benutzer per App mit einem Klick installieren und leicht bedienen kann“, zieht Clauss die Analogie zum App-Store-Angebot. Auf dieser digitalen Vertriebsplattform für Anwendungssoftware à la Apple, einer Art Software-Tankstelle, sucht sich der User für seine Produktion eine App aus, lädt sie herunter und testet sie. Und zwar so lange, bis die passende Software gefunden wurde. Ganz ohne Vertrag und ohne den Entwickler zu kennen. Und der Übergang zur produktiven Nutzung muss ebenso einfach sein – bei Bedarf mit Vertrag und mit Zugriff auf den Entwickler.

„Im industriellen Kontext ist das revolutionär“, meint Clauss und verweist auf den fairen Aspekt des Geschäftsmodells. Betreiber sei, wer den App-Store bereitstelle. Dies könne jedes Unternehmen sein, das seinen Kunden diese Software-Tanke bieten wolle. Als Edge-System schaltschrankfähig konzipiert, braucht es weder Cloud noch Internetverbindung.

Wie die Software auf dem Hallenboden per ScaleIT funktioniert, verdeutlichte Wolfgang Clauss am Beispiel einer generalüberholten Maschine. Hierfür wurde eine App für den Digitalen Zwilling und eine Dashboard-App per Klick installiert und miteinander verbunden. Nach nur eineinhalb Stunden habe das Dashboard die Produktionskennzahlen geliefert. „Diese Geschwindigkeit brauchen Unternehmen heute, um schnell Lösungen umzusetzen“, hebt der Ondics-Chef den Nutzen hervor.

Auch Mut gehört zum digitalen Wandel

Praxisnahe Beispiele, Impulse und Ansätze, wie Digitalisierung die Arbeit zum Positiven verändert, gab es während der zweitägigen Tagung am Sitz der TAE in Ostfildern reichlich. Dass bei diesen Beispielen auch ein Quantum Mut erforderlich ist, drückte der Untertitel des Kongresses aus: „Mutige Digitalisierer – wir zeigen Best Practices“. Denn mutig zu sein, dies gehört für den TAE-Vorstand Werner Schollenberger „auch zum digitalen Wandel“.

Damit Mut belohnt und die digitale Transformation Realität wird, rät Dr. Reinhold Bareiß, CEO und Gründer von Eagle Peak, die Digitalisierung mit einem Masterplan zu beginnen – und nicht mit IT. Schließlich bestehe Digitalisierung zu 5 % aus IT, zu 95 % aber aus Konzepten und Planung. Dies sei wie bauen, wozu es eines Architekten brauche, so Bareiß. Um ein Unternehmen zu digitalisieren, konzipieren und modellieren die Schwäbisch-Gmünder zuerst dessen Soll-Prozesse. Dazu nehmen sie das Unternehmen „gedanklich komplett auseinander, um es danach neu und zumeist besser aufzustellen“, skizziert Bareiß das Vorgehen.

Digitaler Zwilling eines Unternehmens

Nach eingehender Beratung erfolgt der Aufbau einer passgenauen Digitalisierungsplattform. Diese bilde das Herz einer Fima und sollte zu dessen „Betriebssystem“ werden, das alle Funktionen und Prozesse integriert. Diese webbasierte Plattform, bei Eagle Peak „Global Eagle“ genannt, ergänzt oder ersetzt nicht nur ein bestehendes ERP-oder CRM-System. Mehr noch: sie erschafft auch den digitalen Zwilling des Unternehmens. Der Nutzen dieses Digital Twins? „Eine unheimliche Ordnung“, verspricht Bareiß. Sämtliche Prozesse würden ohne Brüche verlaufen, möglichst vom Rechner komplett übernommen oder nur noch mit minimaler menschlicher Interaktion gesteuert. Auf diese Weise wird der Digitalisierungsbauplan zur Grundfeste für die Zukunftssicherung eines mittelständischen Betriebes.

Wer sich eine solche Plattform für Informationen aufbaut, ebnet sich den Weg zu einer weiteren zukunftssichernden Technologie: Die Künstliche Intelligenz (KI) wird zunehmend Bestandteil einer Digitalstrategie. Auch mittelständische Unternehmen nutzen immer öfter Algorithmen, um effizienter zu arbeiten und bessere Entscheidungen treffen zu können. Gerade in Produktionsbetrieben bestimmen immer häufiger Daten den Alltag. Erst Algorithmen, die von den Daten leben, veredeln diesen Rohstoff bis hin zu neuen Geschäftsmodellen.

Künstliche Intelligenz wird für die Strategie immer wichtiger

Warum KI für die Strategie so wichtig ist, brachte Dr. Olaf Sauer vom Fraunhofer IOSB auf der TAE-Tagung auf den Punkt: „Mit der Vergangenheit kennen wir uns aus, jetzt schauen wir, was die Zukunft bringt.“ Um künftig weiterhin Maschinen zu produzieren und verkaufen zu können, wären ergänzende Services nötig. Wer annehme, dass sich sein Geschäftsmodell in den nächsten drei Jahren nicht verändere und sich nicht in Richtung Digitalisierung bewege, der irre sich, meinte Sauer.

Dabei sei für diesen Wandel alles vorhanden: Standards, Methoden, Werkzeuge und jede Menge Forschungsergebnisse. Diese müssten nur angewandt und umgesetzt werden. Warten sei keine Option, mahnte Sauer. Jetzt gehe es darum, auf Basis gesammelter Daten Vorhersagen zu treffen, die möglichst nahe am künftigen Geschehen wären. Aussagen darüber, wie sich Anlagen verhalten werden, ermöglichen KI-Verfahren und maschinelles Lernen. Sie machen auch transparent, wie Qualitätsmessergebnisse und Prozessmesswerte korrelieren, um zu wissen, an welchen Parametern zu drehen ist, damit die Qualität wieder in Lot kommt.

KI: Weder Standardrezept noch allgemeingültige Tools

Sauers Leitsatz heißt hier: „Ran an die Daten.“ Dann könnten auch maschinelle Lernverfahren ins Spiel kommen. Der stellvertretende Institutsleiter machte aber auch deutlich, dass es hierfür weder ein Standardrezept noch allgemeingültige Tools gibt. Für jeden Anwendungsfall müsse das Spezifische ausgesucht werden. Wenn feststehe, was genau in der Produktion auszuwerten oder vorherzusagen sei, würden sich die anzuwendenden Algorithmen exakt bestimmen lassen. Der Anwendungsfall müsse jedoch vom Unternehmen kommen, weist Sauer den Weg. Institute wie das Karlsruher IOSB könnten dann die passenden Technologien und Algorithmen bereitstellen. Eine sinnvolle Anwendung lasse sich bereits mit überschaubarem Budget finanzieren.

Allerdings rät er, nicht von Projekt zu Projekt zu springen. „Suchen Sie sich einen (Forschungs-)Partner für maschinelles Lernen, mit dem man so etwas langfristig standardmäßig macht“, lautet sein Appel.

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