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Beratung als Hilfe zur Selbsthilfe

Prozessmanagement: Stärken und Schwächen analysieren
Beratung als Hilfe zur Selbsthilfe

Unternehmen mit gewachsenen Strukturen funktionieren in der Regel ganz gut. In einer Prozessanalyse lässt sich erkennen, wo es dennoch Schwachstellen gibt – und wie diese zu beheben sind.

Reibungsverluste lassen sich manchmal gar nicht so einfach lokalisieren. Vor allem dann nicht, wenn sich die betrieblichen Abläufe schon über viele Jahre bewährt haben und jeder Mitarbeiter eigentlich genau weiß, was er zu tun hat.

Wie bei der Firma Bergrohr in Siegen. Das 1896 gegründete Familienunternehmen produziert mit seinen rund 140 Mitarbeitern Spezialrohre bis zu einem Durchmesser von 2,50 m und einer Wanddicke von 60 mm. Jedes dieser bis zu 12 m langen Hochleistungsbauteile wird für den Kunden speziell gefertigt. Denn ein Rohr ist nicht einfach ein Rohr. Dies gilt besonders für den Einsatz in technologischen Grenzbereichen wie beim Offshore oder Pipelinebau – ohne Zertifizierung von der Schmelze bis zum letzten Maßprotokoll ist es nicht zu verkaufen. Deshalb ist dieser Prüfaufwand kein zusätzlich angehängter Prozess, sondern ein integraler Bestandteil der gesamten Auftragsabwicklung.
Mit der Einführung des zweilagigen Rohres „Berglay“ im Jahre 2006 waren die Produktions- und Prüfabläufe umgestaltet worden. Das Produkt bietet die Möglichkeit, beliebige Werkstoffe miteinander zu kombinieren. So kann der hohen Korrosionsbeanspruchung durch heutige Öl- und Gasvorkommen gezielt entgegen gewirkt werden – gleichzeitig hatte sich das Unternehmen damit vom Lieferanten zum kompetenten Lösungsanbieter entwickelt.
Darum war es sinnvoll, den Gesamtprozess und speziell die Auftragsabwicklung auf Schwachstellen zu untersuchen. „Mit unseren über Jahrzehnte gewachsenen Strukturen funktionierten wir zwar ganz gut“, berichtet Geschäftsführer Bernd Berg, „aber wir mussten auch Strukturen schaffen, die zum Beispiel einen Personalwechsel und vor allem ein organisatorisches Wachstum verkraften konnten.“ Jedoch war weder eine Analyse der Prozesse und der Organisation noch eine Neudefinition der Aufgabenbereiche neben dem Tagesgeschäft zu bewerkstelligen. Deshalb engagierte die Geschäftsführung das Beratungsunternehmen Life Cycle Engineers aus Mainz, um mit dessen Erfahrungen und Methoden eine Hilfe zur Selbsthilfe zu erarbeiten.
„Bei einer solchen Aufgabe ist es wichtig, den lebendigen Organismus ‚Unternehmen‘ erst einmal zu verstehen“, meint Berater Ulrich Reetz. „Was sind die Stärken des Produktes? Und warum sind die Prozesse so wie sie sind?“ Zuhören ist ihm deshalb sehr wichtig und die Fähigkeit, als Mittelständler zu denken. „Es geht schließlich nicht darum, Lösungen etwa aus der Automobilindustrie zu übertragen, indem sie nur für ein kleineres Unternehmen zurechtgestutzt werden.“ Darum müsse ein Berater hier viele Funktionen übernehmen können und über ein sehr umfangreiches Beratungswissen verfügen.
Schon zu Beginn des Projektes im Frühjahr 2007 zeigte sich im Rahmen von Interviews, dass das Produkt in den einzelnen Abteilungen sehr unterschiedlich definiert wurde. Es war zwar immer das Rohr, aber stets ergänzt durch eine spezielle Dienstleistung – etwa die Blechbeschaffung, die Technische Prüfung, die Zertifizierung, die Logistik zum Zielhafen oder das Engineering für eine Kundenanforderung.
Diese vernetzten Aufgaben sind hochgradig voneinander abhängig, was eine Vielzahl an Abstimmungen erfordert. Diese beginnen schon beim Walzwerk, damit sichergestellt wird, dass es alle Spezifikationen komplett erhält. Außerdem ist es wichtig, dass die Informationen der jeweiligen Einzelprozesse möglichst früh und wirklich vollständig zusammenlaufen, damit sie schon in der Angebotsphase berücksichtigt werden können.
In diesen Abstimmungen lag auch ein Grund für die vorhandenen Reibungsverluste. „Erst durch eine exakte Beschreibung eines durchgängigen Zielprozesses konnten wir etliche dieser Unstimmigkeiten im Ablauf erkennen und beseitigen“, berichtet Ulrich Reetz. Dazu wurde die Zahl der Schnittstellen reduziert und die Übergabe vereinfacht. Außerdem hilft eine Checkliste schon bei der Angebotserstellung, jede Anfrage hinsichtlich der Risiken wie der Erfolgswahrscheinlichkeit zu bewerten. Ein weiterer wichtiger Schritt bei dieser Analyse war deshalb die Frage nach den Stärken, Schwächen und Zielen – aus der Sicht der Geschäftsführung wie der jeweiligen Mitarbeiter. Als Ergebnis dieser Interviews wurden Schwachstellen im Ablauf etwa beim Wareneingang oder bei der Konfiguration genannt, für die dann Lösungsansätze gefunden werden mussten.
Alle Defizite beziehungsweise Handlungsbedarfe hat Ulrich Reetz in einem Umsetzungsplan zusammengefasst und daraus viele kleine Pakete geschnürt. Diese halfen dem Unternehmen, möglichst viel aus eigener Kraft abzuarbeiten. Die Koordination und die Begleitung der Umsetzung dieser einzelnen Schritte übernahm dann wieder der Berater.
Mit der heutigen Transparenz – auch zwischen Lieferant, Dienstleister und Kunde – konnten dann sogar zwei konkurrierende Ziele erreicht werden: Die Reduzierung der Durchlaufzeiten und eine deutliche Verbesserung der zugesagten Liefertermine. Dazu werden jetzt durch ein optimiertes Konfigurationsmanagement schon in der Angebotsphase alle erforderlichen Dokumente wie die Stückliste, die Arbeits- und Probenpläne oder die Schweißanweisungen strukturiert zusammengestellt. Alle Abläufe wurden schließlich in einem webbasierten Qualitätshandbuch gemäß ISO 9001 mit Hilfe der im Projekt ausgewählten Software Mbase dokumentiert und den Mitarbeitern über das Intranet zur Verfügung gestellt. Die Aktualisierung der jeweiligen Abschnitte im Handbuch übernehmen die einzelnen Fachabteilungen.
Das Projekt endete im Dezember 2007. Ganz allgemein stand Bergrohr dabei immer wieder vor der Herausforderung, seine ureigene Balance zu finden – zwischen den gelebten Prozessen, wie sie im Laufe einer über hundertjährigen Firmengeschichte gewachsen sind, und den neu definierten Abläufen. „Mit diesem Projekt sind wir einerseits in schon vorhandenen Zielen bestärkt worden, andererseits haben wir viele Anregungen erhalten“, zieht Bernd Berg sein Fazit. „Und die Früchte dieser Beratung haben wir selbst ein Jahr später längst noch nicht vollständig geerntet.“
Udo Mathee Journalist in Coesfeld
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