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Bitte recht einfach!

Mensch-Maschine-Interface: Bei Maschinen vernachlässigt
Bitte recht einfach!

Maschinen und Anlagen sollten leicht und verständlich bedienbar sein. Denn so müssen die Anwender nur kurz daran eingelernt werden – und die Standzeiten verlängern sich. Doch in der Praxis ist dies bislang kaum umgesetzt.

Apple hat mit seinem Handy iPhone gezeigt, wie sich nur über die Oberfläche das gesamte Industrie- und Interfacedesign einer Produktkategorie verändern kann. Während die Nutzer anderer Mobiltelefone sich von einer Hierarchiestufe zur nächsten hangeln, um die unzähligen Funktionen zu finden, hat Apple sich für ein übersichtliches Oberflächendesign mit einer Gestenbedienung entschieden. Auf dem Display erkennt der Mobiltelefonierer auf Anhieb die wichtigsten Funktionen. Die weniger wichtigen findet er nicht minder schnell – ohne umständliches Klicken durch Hierarchiebäume mit einer Wischbewegung.

Auch Maschinen und Anlagen lassen sich intuitiv bedienen – auch wenn dies nur schwer vorstellbar ist. Zwar kumulieren immer mehr Funktionen und Dienstleistungen auf engstem Raum. Doch intelligente Steuerungssysteme übernehmen eine Lotsenfunktion, damit sich der Nutzer nicht im Kosmos der Möglichkeiten verirrt. Für Maschinen- und Anlagenbauer heißt dies: Sie müssen ihre immer komplexer werdenden Produkte individueller auf die Kundenbedürfnis anpassen. Ein möglichst auf Standards basierendes Bediensystem muss diese Anforderungen abbilden. Die Einzelsoftware-Entwicklung verteuert dabei nicht nur die Maschinenentwicklung, sondern auch den Schulungsaufwand für Hersteller und Kunden.
Die meisten Hersteller legen die Konzeption und Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnittstelle noch immer in die Hand von Maschinenbauern, Programmierern und Softwareingenieuren. Diese konzentrieren sich darauf, die Funktionalitäten einer Maschine effektiv auf der Oberfläche unterzubringen und dabei möglichst alles abzubilden, was die Anlage kann. Dabei fehlt ihnen die Sicht der Benutzer: Was ist ihnen bei der Bedienung der Maschine wichtig? Wie nehmen sie ihre Arbeitswelt wahr? Wie muss für sie die Oberfläche gestaltet sein? Bei einem nutzerzentrierten Interface-Design werden diese Fragen adressiert, und zwar von einem Team von Experten, das während der gesamten Entwicklung einer Maschine zusammenarbeitet: Es besteht in der Regel aus Interface Designern, Usability-Experten und Psychologen. Sie beobachten und interviewen Endanwender, um deren Arbeitsabläufe und Erwartungen zu verstehen. Die Ergebnisse werden analysiert und münden in Interaktionskonzepte, grafische Layouts und Simulationen. Noch vor der Endprogrammierung werden die wichtigsten Abläufe durch Usability Tests mit Probanden aus der Nutzergruppe überprüft.
Durch das frühzeitige Einbeziehen von Interface-Designern in den Entwicklungsprozess lassen sich zudem viele Ideen realisieren, die später nur sehr umständlich oder aber gar nicht umsetzbar wären. Denn beim Interface-Design geht es nicht nur um eine schicke Bedienoberfläche, sondern um tiefgehende Produktverbesserungen, die die Maschine für den Betreiber effizienter und für den Bediener einfacher macht. Sie müssen mit dem Gesamtsystem angelegt werden.
Denn im Gegensatz zu Apple kommt es Maschinen- und Anlagenbauern mit einem guten Interface-Design weniger darauf an, neue Designtrends zu setzen, sondern sich durch eine höhere Effizienz und schlanke Abläufe vom Wettbewerb zu differenzieren. Indes transportiert ein Hersteller über seine Mensch-Maschine-Schnittstelle durchaus Qualitätsmerkmale seines Produkts, die unbewusst in die Entscheidung mit einfließen.
Qualität ist für den Kunden von Investitionsgütern immer untrennbar mit Funktionalität und Effizienz verbunden. Das bedeutet für das Interface-Design: Es muss ein schnelles Aufstellen und Einrichten der Maschine unterstützen, damit der Betreiber schneller Produkte produzieren kann. Es sollte eine effiziente Interaktion zulassen, so dass Aufgaben schnell bearbeitet werden. Der Schulungsaufwand sollte sich durch die selbsterklärende Bedienführung deutlich reduzieren. Zugriffsrechte sollten sich sinnfällig vergeben und anwenden lassen, so dass die Mitarbeiter im Betrieb an verschiedenen Maschinen flexibel einsetzbar sind.
Der Bediener weiß dabei, was er regeln kann und wann er Hilfe holen muss. Um Bedienfehler mit Folgen und damit Ausfälle auf ein Minimum zu reduzieren, sollte eine intelligente Maschine den Bedienern anschaulich visualisiert Fehlerquellen schon im Vorfeld aufzeigen – möglichst mit Hinweisen darauf, was sie tun können – und auch wie. Im besten Fall ruft die Anlage selbst den Support an.
Um eine möglichst geringe Fehlertoleranz bei der Bedienung einer Maschine zu erzielen, ist es außerdem ratsam, auf der Mensch-Maschine-Schnittstelle Benutzerlevel zu realisieren, die verschiedenen Nutzern gerecht wird: eine relativ einfache Ebene für den Bediener der Maschine; eine höhere Komplexität sowie mehr Zugriffsrechte für deren Einrichter und nochmals eine Steigerung für den Hersteller. Dieses Konzept hat Phoenix Design etwa bei Öl-/Gas- und Wärmepumpen-Kompaktgeräten des Heiztechnik-Spezialisten Viessmann realisiert: Die Displays verfügen über eine mehrzeilige Grafik und Klartextanzeige. Die Navigation ist einfach gehalten und orientiert sich an dem Vier-Wege-Eingabeelement, bekannt von Handys oder TV-Fernbedienungen. Dabei gibt es drei Bedienebenen – einmal für den privaten Endanwender, der nur einfache Funktionen bedienen will. Zum zweiten für den technisch interessierten Endanwender, der Feinjustierungen an seiner Heizanlage vorfinden will. Und schließlich eine Ebene für den Heizungsbauer, der die Geräte schnell beim Kunden einrichten kann und damit Zeit spart.
Interface-Designern stehen heute viele Möglichkeiten zur Verfügung, diese Anforderungen der Kunden umzusetzen. Dazu gehören schematische Darstellungen, einfach zu entschlüsselnde Grafiken und Icons, mit denen sich Zusammenhänge erklären lassen, sowie anschauliche Animationen. Heute wird bei Maschinen und Anlagen noch zum großen Teil mit abstrakten Systemen gearbeitet. Doch zum Teil bedarf es auch der Entwicklung neuer Icons und Organisationskonzepte. Denn diese müssen sich ebenso wie die gesamte Oberfläche an die Denkschemata und die Erwartungshaltung der Nutzer anpassen – und nicht wie heute oft üblich umgekehrt. Dass diese so genannten mentalen Modelle größtenteils aus der Consumer-Computerwelt stammen, ist dabei nicht verwunderlich. Denn alle Menschen sammeln Erfahrungen mit PCs, Handys oder Bankautomaten. Die besondere Leistung des Interface Designs liegt darin, diese bei allen Anwendern vorhandenen mentalen Modelle zu erkennen und zu berücksichtigen.
Darüber hinaus entwickelt die Industrie viele Technologien zur Optimierung der Mensch-Maschine-Schnittstelle. Dazu gehören Touchpanels mit Multitouch-Funktion, so dass sich Objekte auf dem Display zum Beispiel gleichzeitig drücken und ziehen lassen. Bei Mobiltelefonen und großen Tischdisplays funktioniert dies schon heute, für mittelgroße Displays in der Industrie wird diese Technik in den nächsten zwei bis drei Jahren verbreitet sein. Noch in der Forschung befinden sich Touchpanels, deren Oberflächen sich zu drückbaren Tasten verformen oder die haptisches Feedback über Vibrationen geben. Die Sprachsteuerung funktioniert in vielen Bereichen bereits, ist für den Maschinen- und Anlagenbau derzeit aber nur eingeschränkt umsetzbar. Der Grund sind Umweltgeräusche, die zu Fehlbedienungen und Sicherheitsproblemen führen können.
Manfred Dorn Director Interface Design, Phoenix Design, Stuttgart
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