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Blick von Übermorgen zurück

Zukunftslandkarten als strategische Navigationshilfe für Firmen und Branchen
Blick von Übermorgen zurück

Blick von Übermorgen zurück
Zukunftsbilder entstehen durch Retropolation – eine weite Vorausschau mit Rückblick auf die nähere Zukunft Bild: Fenwis
Als womöglich erster Industriezweig hat die Textilbranche einen moderierten Blick in die Zukunft geworfen: Mit gut einjähriger Begleitung durch Experten wagte sie die Zeitreise „Perspektiven 2025“. Von der Methodik und den Ergebnissen könnten auch andere profitieren.

„Das Denkbare machen, statt das Machbare denken“ war das Motto, dem sich die Zukunftsexpedition im Auftrag der Textilforschung verschrieben hatte. Begleitet durch den besonders industrienah geltenden Zukunftsforscher Thomas Strobel von der Fenwis GmbH, Gauting, erbrachte sie über 250 bewertete Ideen und Lösungsvorschläge auf zehn Themenfeldern zum Einsatz technischer Textilien in Wachstumsmärkten.

Neben Mobilität, Architektur und Zukunftsstadt gehört dazu das klassische Textilthema Bekleidung – eingängig für jedermann und jedefrau und damit als Beispielthema ideal. Für diesen Kernbereich „fanden“ die Zukunftsforscher zunächst Prämissen für 2050, leiteten nachfolgend textile Ideen ab und ermittelten dafür den konkreten Forschungsbedarf für die 16 deutschen Textilinstitute.
Prämissen für die drittinnovativste Branche nach Maschinenbau und Automotive sind demnach:
  • Bekleidung gewährleistet Monitoring und Kommunikation als wesentliche zusätzliche Funktionen. Kombiniert mit telemedizinischen Anwendungen und Sicherheitssystemen beeinflusst sie die Ernährungs- und Lebensgewohnheiten.
  • Bekleidung kann elektrische Energie erzeugen. Wesentliche Beiträge zum „Energy Harvesting“ kommen aus integrierten Solarzellenfasern und der Umwandlung von Bewegung in Strom.
  • Bekleidungseigenschaften wie Luftdurchlässigkeit, Isolationsfähigkeit, Wärmeerzeugung lassen sich vom Träger steuern. Die Bekleidung unterstützt damit aktiv Leistungsfähigkeit und Körperfunktionen.
  • Bekleidung muss in Produktion und Nutzung hohe Nachhaltigkeitskriterien erfüllen – modische Akzente realisiert sie durch Applikationen und Individualisierung.
  • Effiziente Einzelfertigung von Bekleidung „on demand“ und/oder nah am point of sale ermöglichen das Umsetzen individueller Kundenwünsche nahezu in Echtzeit oder in extrem verkürzten Produktionszyklen. Dazu verhelfen 3D-Technologien für Design und Herstellung sowie integrierte Technologien zur Funktionalisierung.
Das im November mit der Herausgabe einer Dokumentation ( www.textilforschung.de/pdfcat/Techtex2025/) abgeschlossene Projekt wird als außergewöhnliche Vorarbeit eines Industrieverbandes für seine Mitglieder bewertet. Es sei eine Wissensbasis geschaffen worden, mit der die Unternehmen selbstständig oder mit Expertenbegleitung firmenspezifische Strategien für Innovationen und neue Geschäftsmodelle ableiten können, so hieß es. „Einer der Teilnehmer an den textilen Zukunftsworkshops – ebenfalls Chef eines Familienunternehmen aus dem HighTex-Bereich – hat durch die für ihn neue Denkmethodik mehrere Anstöße für neue Geschäftsideen erhalten, wie er sagte“, berichtet Thomas Strobel von Fenwis.
Das Bauchgefühl für gute Entscheidungen sei eine Stärke inhabergeführter Familienunternehmen, erklärt Strobel. „Der Inhaber ist in der Regel ein in der Branche anerkannter Fuchs. Denkbares machen gehört von jeher zu seinem Erfolgsrezept.“ Durch den Blick von Übermorgen zurück ließen sich nun aber auch Anforderungen erkennen, „die Kunden und Märkte gegebenfalls erst in einigen Jahren stellen werden“ – und die sich dem Bauchgefühl für die Gegenwart entziehen.
Besonders interessant für Manager, Forscher und Fachstudenten, die in die Zeitreise eingebunden waren: der gemeinsame Entwurf von Zukunftslandkarten in Form von Mind Maps, Daten und Fakten. Sie helfen in den nächsten Jahrzehnten, die Zahl von Überraschungen im Geschäftsumfeld zu reduzieren. Diese Zukunftslandkarten entstehen als Ergebnis der Expedition in eine fernere Zukunft, beispielsweise in die Mitte des Jahrhunderts, von der dann im zweiten Schritt auf einen deutlich näheren Zeitabschnitt zurückgeschlossen wird. So wird im Projekt der Textilbranche vom Jahr 2050 auf 2025 zurückgeblickt. Strobel: „Wer an übermorgen denkt, ist gezwungen, sich von der naheliegenden Fortschreibung bisheriger Erfahrungen zu lösen.“ Dabei wird mit Prämissen aus Studien und Szenarien gearbeitet, die Experten als wahrscheinlich annehmen.
Das Verblüffende: Diese Vorgehensweise befreit Menschen von ihren rationalen Filtern, was und warum aus heutiger Sicht nicht machbar sein wird. Strobel, der in Strategieabteilungen von Konzernen und Mittelstandsfirmen tätig war, nennt das „Gedankenfreiheit für 100 Milliarden Gehirnzellen“. Auf diese Weise können beispielsweise Firmen und sogar ganze Industriezweige ausloten, was konkret passieren muss, damit erfolgreiche Anpassungen der Geschäftsmodelle und Unternehmensstrategien in den kommenden zehn bis 15 Jahren die Geschäftsentwicklung bis 2050 sichern.
Der spezielle Nutzen der Zukunftslandkarte entsteht für die Akteure durch Eindrücke, die sie aus einer „simulierten Zukunftsreise“ mitnehmen: Erarbeitete Szenarien, vernetzte Trends, geführte Diskussionen und gemeinsame Ableitungen verändern das Denken in Zukunftsfragen. Diese erlebten Denkerfahrungen geben allen Beteiligten dauerhaft ein „Bauchgefühl für morgen“. Mit Hilfe der Retropolation genannten Methodik, die unter www.fenwis.de näher erläutert wird, lassen sich heute bereits Anforderungen erkennen, die Kunden und Märkte erst in einigen Jahren stellen werden. Antworten werden möglich auf Fragen wie: In welchen Bereichen macht es Sinn, Kompetenzen aufzubauen? Wie hängen Zukunftstrends voneinander ab? Welcher neue Wissensbedarf entsteht? Für welche Veränderungen müssen die Geschäftsmodelle frühzeitig anpasst werden?
Die in Zukunftslandkarten verdichteten Trendinformationen illustrieren die Perspektive in unterschiedlicher Entfernung von heute – etwa so, als wenn eine fremde Stadt von einem Startpunkt aus zu Fuß erkundet wird. Dieses Herangehen fand ein Familienunternehmen aus Baden-Württemberg, weltbekannter Spezialist für Fabrikautomatisierung, spannend und nutzbringend. Es beschloss, die Ergebnisse der Zukunftsforschung, an der ein Team aus Gesellschaftern der Familienholding mitgewirkt hatte, in sein Konzept der langfristigen Unternehmensplanung einzubeziehen. Für Dr. Wilfried Stoll, ehemaliger Aufsichtsratsvorsitzender der Festo AG, Esslingen, entstand daraus eine Zukunftslandkarte „von höchstem Wert“. Dazu zählte auch der gewünschte Aufbau einer Trenddatenbank mit weit über 1000 Datensätzen für 36 definierte Branchen.
Dr. Stoll zur Zusammenarbeit mit dem Zukunftsforscher Thomas Strobel: „Die Auswertungen der Trenddatenbank waren zusammen mit der Zukunftslandkarte für unsere Arbeit in der Familienholding eine wertvolle Planungsgrundlage, um daraus Entscheidungen abzuleiten und eine nachhaltige, erfolgreiche Unternehmensentwicklung zu sichern.“
Hans-Werner Oertel Journalist in Berlin

„Ein Bauchgefühl für morgen“

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Nachgefragt

Wie sollte ein Unternehmen in die Zukunft schauen?
Wer sich schneller bewegt und weiter vorausschaut als der Markt, kann rechtzeitig Anpassungen vornehmen und frühzeitig Weichen stellen. Und er kann Maßnahmen für ausgewählte Szenarien vordenken, während alle anderen nur auf eingetretene Veränderungen reagieren. Das gilt für Firmen wie für Individuen.
Würden Sie denn einen solchen Blick in die Zukunft auch einer Person empfehlen?
Ja natürlich. Persönliche Zukunftslandkarten sind gerade auch für Manager, Ärzte, Politiker oder Wissenschaftler im Altersbereich Ü 40 von Interesse, in dem viele den zweiten Teil ihres Lebens neu planen.
Trügt der Eindruck, dass Mittelständler heute kaum mehr als vier Jahre nach vorne schauen?
Nein, er trifft zu. Das Tagesgeschäft sei vordinglicher, hört man dann immer. Aus meiner Sicht ist es zunehmend wichtig, wie beim Schachspiel ein, zwei Züge vorauszudenken. Hier ergänzt unsere Methodik die bloße Fortschreibung der Erfahrungen, also die Extrapolation, durch einen hypothetischen Blick zurück aus einer noch deutlich ferneren Zukunft – wir nennen das Retropolation. Beide Blickwinkel führen wir in der Arbeit mit Mittelständlern zusammen.
Worin besteht die Methode?
Wir arbeiten mit Zukunftslandkarten und -bildern als Teammethodik. Der spezielle Nutzen entsteht für die Akteure durch Eindrücke, die sie aus einer „simulierten Zukunftsreise“ mitnehmen und ihr Denken in Zukunftsfragen verändern. Diese erlebten Denkerfahrungen geben allen Beteiligten dauerhaft ein „Bauchgefühl für morgen“.
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