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Insolvenz: Was tun wenn der Lieferant zahlungsunfähig wird?

Lieferantenmanagement
Leitfaden zur Insolvenz von Lieferanten

Es ist der Horror jedes Einkäufers: Mitten im laufenden Betrieb kommt die Nachricht von der Insolvenz des Lieferanten und die Lieferung eines dringend benötigten Teils steht in der Schwebe. Nun heißt es Ruhe bewahren. Im Vorteil ist, wer seine Handlungsmöglichkeiten kennt, denn nicht immer bedeutet die Insolvenz des Lieferanten auch den Ausfall der Lieferung.

Dr. Christoph Bentele, LL.M.,
Rechtsanwalt bei Reith Neumahr
Rechtsanwälte, Stuttgart

Die Insolvenz eines Geschäftspartners ist ein Risiko, das jedes Unternehmen im Blick haben sollte. Zu unterscheiden sind dabei zwei Konstellationen: die Insolvenz eines Kunden und die eines Lieferanten. Dabei ist paradox, dass die Insolvenz eines Kunden in aller Regel der weniger dramatische Fall ist. Bei seriöser kaufmännischer Herangehensweise sind Zahlungsausfällen schon einkalkuliert. Im Idealfall wurden die Forderungen über Bankbürgschaften, Warenkreditversicherungen oder dingliche Sicherheiten abgesichert. Anders stellt sich die Situation bei einer Lieferanteninsolvenz dar. Man denke an folgenden Fall: Der Lieferant ist ein spezialisierter Hersteller eines dringend benötigten Teils. Der Ausfall einer Bestellung kann dann das eigene Unternehmen zum Erliegen bringen. In der Folge gerät man selbst in Lieferverzug, was zu Verärgerung auf Kundenseite führt.

In der Folge ist der Kunde verloren und macht vielleicht sogar den Verzugsschaden geltend. Auch an den Lieferanten geleistete Vorauszahlungen sind verloren. Es droht im schlimmsten Fall die Folgeinsolvenz. Die herkömmlichen Sicherungsinstrumente nutzen dabei wenig, denn eine Ausfallbürgschaft mindert im besten Fall zwar den finanziellen Schaden, das dringend benötigte Teil fehlt bis auf Weiteres aber trotzdem.

Im Vorfeld auf Krisensymptome achten

Natürlich ist es sinnvoll, materielle Risiken einer Lieferanteninsolvenz abzusichern, etwa über entsprechende Versicherungen oder Ausfallbürgschaften. Genauso wichtig ist aber, auf Krisensymptome beim Lieferanten zu achten. Unzufriedene Mitarbeiter, Qualitätsprobleme, stockende Lieferungen − das sind Umstände, die auf Probleme schließen lassen und ein offenes Gespräch erfordern. Kann keine befriedigende Erklärung gefunden werden oder nehmen die Probleme gar zu, muss unter Umständen zur rechten Zeit nach Alternativlieferanten gesucht werden.

Ansprechpartner ist der Insolvenzverwalter

Was ist zu tun, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist? Wird man von einer Lieferanteninsolvenz kalt erwischt, gilt es, Einiges erledigen: Zuerst muss der Beschluss über die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters geprüft werden. Schon jetzt ist insolvenzrechtliche Unterstützung notwendig, da es auf juristische Feinheiten ankommt. Neben der Frage nach der Person des vorläufigen Insolvenzverwalters ist es wichtig, ob man es mit einem „schwachen“ oder „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter zu tun hat. Wird dem Schuldner ein absolutes Verfügungsverbot auferlegt, ist nur noch der vorläufige Insolvenzverwalter befugt, für den Schuldner zu handeln. Deshalb ist er der wichtigste Ansprechpartner. Dies ist aber die Ausnahme. Häufiger ist in der Praxis die Bestellung als „schwacher“ vorläufiger Insolvenzverwalter. Dieser hat zunächst nur eine Überwachungsfunktion, während die Verwaltungs- und Verfügungsfunktion beim Schuldner bleibt. Der Insolvenzverwalter hat jedoch ein Zustimmungsvorbehalt. Weder der Insolvenzverwalter noch die Geschäftsführung kann eigenständig handeln. Dies führt zu Blockaden. Deshalb werden ausstehende Arbeiten nicht oder nicht im erforderlichen Maße fortgeführt, geschweige denn Entscheidungen über die noch nicht erfüllten Vertragsteile gefällt. In dem Fall ist eine intensive Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter und der amtierenden Geschäftsführung erforderlich.

Betriebsfortführung häufig im Interesse des Insolvenzverwalters

In aller Regel liegt das Hauptinteresse des Einkäufers in der Vertragserfüllung. Hier ist entscheidend, ob das Interesse des vorläufigen Insolvenzverwalters in die gleiche Richtung geht. Ursprünglich diente das deutsche Insolvenzrecht hauptsächlich Gläubigerinteressen. Heute stehen auch Sanierungsinteressen im Vordergrund. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird – neben der Sicherung des Schuldnervermögens – deshalb stets prüfen, ob eine Chance zur Sanierung des Unternehmens besteht. Für den Kunden ist das ein Umstand, der gut zu nutzen ist: Sieht der Insolvenzverwalter die Möglichkeit, das Unternehmen wieder in die Spur zu bekommen, so wird er substanzielles Interesse daran haben, bestehende Kunden zu halten.

Bei Insolvenz: Vereinbarung über Restlieferung treffen

In dieser Situation sollte eine dreiseitige Vereinbarung zwischen dem eigenen Unternehmen, dem Lieferanten und dem vorläufigen Insolvenzverwalter angestrebt werden. Diese muss als Mindestinhalt die genaue Beschreibung der noch ausstehenden Lieferungen und Zahlungen sowie die Vereinbarung über die Modalitäten der Restlieferungen haben. Zur Vereinfachung kann bezüglich der Leistungspflichten der Lieferanten auf die ursprünglichen Verträge verwiesen werden. Naturgemäß wird der Einkäufer davor zurückschrecken, sich in einer solchen Vereinbarung auf Vorkasse einzulassen. Auf der anderen Seite wird der Insolvenzverwalter dies fordern, da er sich sonst nicht in der Lage sehen dürfte, das Unternehmen fortzuführen. Hier kommt es darauf an, für jeden Einzelfall einen Interessenausgleich zu erreichen. In der Praxis hat sich ein engmaschiger Zeit- und Zahlungsplan bewährt, der Vorauszahlungen an die Erfüllung vorheriger Milestones knüpft. Ein essenzieller Praxistipp: Ist das bestellte Produkt etwa ein Bauwerk oder eine maßgeschneiderte Maschine, liegt es im Interesse des bestellenden Unternehmens, den Zugriff auf das damit verbundene Know-how zu erlangen. Dafür sollte der Einkäufer einen Passus fordern, wonach für den Fall, dass die Bestellung endgültig nicht erfüllt werden kann, sämtliche Konstruktionszeichnungen, Pläne etc. an den Besteller herauszugeben sind. Gelingt dies, wird die Beschaffung eines Ersatzauftragnehmers deutlich einfacher. Aber Vorsicht: Häufig fordern die vorläufigen Insolvenzverwalter hierfür eine gesonderte Vergütung.

Den Insolvenzverwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auffordern

Wird schließlich das Insolvenzverfahren über den Lieferanten eröffnet, stellt sich die Lage wie folgt dar: Der (nun endgültige) Insolvenzverwalter hat gemäß § 103 InsO die Wahl, ob er einen noch nicht vollständig erfüllten Auftrag ausführt oder nicht. Der Gläubiger kann den Insolvenzverwalter auffordern, sich hierzu zu erklären. Der Insolvenzverwalter wird sich bei seiner Entscheidungsfindung dabei zuallererst folgende Frage stellen: Führt die Erfüllung des Vertrages zu einem positiven Cashflow? Die Beantwortung dieser Frage ist aber nur noch Zukunftsbetrachtung. Die Geldströme vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind unbeachtlich. Dies kann schlechterdings dazu führen, dass ein Auftrag, bei dem der Gläubiger in Vorleistung getreten ist, genau aus diesem Grunde nicht weiter ausgeführt werden wird, da die Restzahlungen die noch aufzubringenden Aufwendungen nicht mehr überwiegen. Lehnt der Insolvenzverwalter die Erfüllung des Vertrags ab, so bleibt dem Gläubiger nur, seine Forderung wegen der Nichterfüllung als Insolvenzschuldner zur Tabelle anzumelden und auf eine möglichst hohe Insolvenzquote zu hoffen.

Kommunikation ist entscheidend

Es gibt keine allgemeinverbindliche Handlungsempfehlung für eine Lieferanteninsolvenz. Eines haben jedoch alle Fälle gemeinsam: Entscheidend ist gute Kommunikation in allen Phasen des Verfahrens. Schnelle und befriedigende Ergebnisse sind nur zu erreichen, wenn der Insolvenzverwalter rechtzeitig mit ins Boot genommen wird und zu einer Zusammenarbeit bereit ist.

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