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Der Anstand macht die Musik

Ethik im Unternehmen
Der Anstand macht die Musik

Dass Personalführung mit Respekt und Motivation zum Wettbewerbsvorteil geraten kann, beweisen vor allem Mittelständler. Wie sie Ethik im Firmenalltag praktisch umsetzen, zeigt das Beispiel zweier inhabergeführter Unternehmen.

„In kleinen und mittleren Betrieben ist Ethik meist nicht niedergeschrieben, aber sie ist im Arbeitsalltag für die Mitarbeiter durchaus erfühlbar und wird auch von den meisten Führungskräften praktiziert. Schließlich handelt es sich um ein langfristiges Denken und Handeln. Wenn man die Verluste durch unethisches Handeln schlicht bilanzieren würde und ihre Folgen kalkulierte, wäre das für manche Unternehmensführung mit Sicherheit ein echter Schock.“ Das meint Andreas Fein, Unternehmensberater, Mitbegründer und Mitinitiator der Initiative „Wirtschaftsethik im Mittelstand“. Die Ethik-Initiative hat Fein vor vier Jahren zusammen mit dem mittelständischen Unternehmer Hanns Robert Mayer und dem Pfarrer Falk Schöller in Stuttgart begründet.

Die Initiative hat Aufmerksamkeit erweckt. Mancher Unternehmer hat sich ihr angeschlossen und teilt Andreas Feins Überzeugung – vor allem darin, dass es sich dabei um einen „inneren Impetus“ handelt, der in allen Handlungen durchscheinen muss. Eine Erkenntnis, die natürlich nicht neu ist, deren Wiederauftauchen aber doch Beachtung verdient, zumal sie keineswegs allein auf Moral, sondern zielsicher auf das Geschäft setzt.
Das wird bereits aus den 70er-Jahren von den Anfängen des Davoser Weltwirtschaftsgipfels berichtet, der sich inzwischen zum Treffen der Mächtigsten auf dem Globus entwickelt hat. Als der englische Unternehmer Frederic Catherwood damals die Unternehmer der Welt aufforderte, sich immer wieder ihrer ethischen Verpflichtungen bewusst zu sein, wollte er mit seinem begeistert gefeierten „Moral Code of Management“ vor allem das Image seiner Berufskollegen verbessern.
Auch gegenwärtig sollen in Davos wieder „Global Leaders for tomorrow“ arbeiten. Aber das Echo auf deren Bemühungen ist leiser geworden. Dafür hatte schon in diesem Jahrtausend der ehemalige Hertie-Vorstand Prof. Dr. Artur Wollert für die Deutsche Gesellschaft für Personalführung (DGFP) einen neuen „Ethik-Code für Personales“ entworfen. Verhaltensregeln, die nicht allein die Gesinnung der Handelnden, sondern besonders ihre „praktizierte Verantwortung“ in den Mittelpunkt stellen – etwa bei der Einführung neuer Vergütungssysteme, dem Kampf gegen bedenkenlosen Personalabbau oder bei Restrukturierungen und Übernahmen. „Personalarbeit muss Garant betrieblicher Gerechtigkeit sein“, forderte Wollert.
Beide Vorgänge können in der Gesamtbetrachtung wie Vorläufer auch für die Bemühungen der Stuttgarter Unternehmer wirken und sie untermauern, zumal Andreas Fein die großen Worte meidet und schlicht betont: „Mir kommt es auf das Vorleben der Vorgesetzten an. Eine neue Form der Mitarbeitergespräche und die Mitarbeiter-Entwicklung gehören für mich an den Anfang.“
Carlheinz Weitmann und sein Partner Marcel Konrad, Geschäftsführer der Weitmann & Konrad GmbH & Co KG, die mit Sitz in Leinfelden-Echterdingen und weltweit 150 Mitarbeitern Befeuchtungsanlagen herstellt, bringen das mit der Praxis in seiner Firma auf den Punkt: „Ehrlichkeit und Verlässlichkeit sind für ein erfolgreiches Zusammenarbeiten unerlässlich. Unsere Mitarbeitergespräche beschränken sich nicht nur auf fachliche Punkte, sondern erfassen auch Zusammenarbeit, Führungsverhalten und persönliche Problemsituationen, wofür wir den Mitarbeitern Lösungen und Unterstützung anbieten. Dabei konnte mancher Reibungspunkt entschärft werden, und das wurde von unseren Mitarbeitern gut angenommen.“
Deshalb legen Carl Heinz Weitmann und Marcel Konrad Wert darauf, dass sich alle Aktivitäten in diesem Zusammenhang ständig in Entwicklung befinden, erneuert, verbessert und verstärkt werden können. Auch kritische Betrachtungen und Beiträge sind erwünscht, weshalb die Geschäftsleitung für ihre Belegschaftsmitglieder stets ansprechbar bleibt. Auch für sie gehört die Vorbildfunktion zu den wichtigsten Voraussetzungen für ein einwandfreies Zusammenwirken, und sie betonen in diesem Zusammenhang etwas sehr Entscheidendes: „Es ist natürlich genauso notwendig, dass in Familien schon Eltern ihren Kindern klare Werte und Vorstellungen vorleben.“ Das Verhalten mancher unserer Gegenwartspolitiker erscheint den engagierten Unternehmern dagegen als ausgesprochen kontraproduktiv für die Anerkennung ethischer Werte im Betrieb.
Auf die praktische Umsetzung von Ethik im Unternehmensalltag setzt desgleichen Ralf Nerling, Inhaber und Leiter der Nerling Systemräume GmbH, die in Renningen 50 und in Halle a. d. Saale 25 Mitarbeiter beschäftigt. Nerling hat 1985 damit begonnen, der Arbeit in seinen Firmen eine „nutzenorientierte ethische Strategie zugrunde zu legen“. Sein Prinzip lautet: Mitarbeitern nur das anzutun, was man auch für sich selbst als positiv empfindet. Das heißt in erster Linie auch, sie gut zu informieren.
Dementsprechend findet in den Nerling-Betrieben in jedem Monat regelmäßig eine Belegschaftsversammlung statt, bei der die Geschäftsleitung über die wirtschaftliche Lage der Firma berichtet und Fragen beantwortet. Besonderen Wert legt der Unternehmer auf die Beachtung von Sozialeinrichtungen und die so genannte Nachhaltigkeit unterstützenden Aspekte. Dazu zählt für ihn mit Vorrang eine verständlich formulierte Firmenphilosophie, sowie unter anderem eine fortschrittlich gestaltete Arbeitszeit, wobei im Hause Nerling die Gleitzeit eine herausragende Rolle spielt, eine persönliche Arbeitsplatzgestaltung, individuelle medizinische Betreuung und eine aktive Zusammenarbeit mit Schulen.
Dass auch die Pflege von Umgangsformen erwähnt wird, darf als Seltenheit gelten und entspricht der Grundsatzerfahrung alter Schule, die mancher Mitarbeiter auf hochrangig formulierte Ethik-Anforderungen einbringt: „Der Anstand macht die Musik.“ Ralf Nerling verkündet sogar stolz nicht nur innerbetriebliche Erfolge, sondern explizit: „Wir werden von außen nur positiv wahrgenommen.“
Dass auch große Unternehmen ähnliche Bemühungen aufweisen, darf in diesem Falle als echte Rückendeckung gelten, obwohl sie keineswegs stets den gleichen Erfolg, aber dennoch einen vergleichbaren Weg dokumentieren. Bei der Volkswagen AG etwa, wo die Leitlinien des Konzerns jedem Mitarbeiter als Faltblättchen mitgegeben wurden. Ja, selbst bei kritischen Beobachtungen, wie sie bei den Dräger-Werken zu Papier gebracht worden sind: „Bei der Inflation von Verhaltensregeln, halte ich“, heißt es da „lebendige Vorbilder für wirkungsvoller und praxisnäher.“
Eine Äußerung, die die württembergischen Unternehmer durchaus nachvollzogen haben. Selbst Personalmanagern hat die eigene weit gespannte Praxis gezeigt, dass die so wirkungsvollen Vorbilder leider immer dünner gesät sind. Als umso wichtiger und nachahmenswerter erweist sich der Einsatz von Andreas Fein und Hanns Robert Mayer, mit ihren Unternehmerkollegen positives Verhalten als Wirtschaftsfaktor zu dokumentieren. Denn: „da liegt der Hund begraben“ – und das nicht allein für ökonomische Bilanzen.
Rosemarie Fiedler-Winter Journalistin in Hamburg

„Ich empfehle, sich selbst einen Wertekompass zu erarbeiten“

Nachgefragt

Wie sind Sie selbst auf das Thema Ethik gekommen?
Durch meine Herkunft aus einer mittelständischen Unternehmerfamilie. Zudem habe ich viele ambitionierte Führungskräfte, für die nur Fakten und Zahlen galten, scheitern sehen.
Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihrer Ethik-Arbeit gemacht?
Dass das Thema vielen Mittelständlern ein echtes Anliegen ist. Sie wollen sich bei unseren Veranstaltungen auch austauschen und lernen. Also nicht Besserwisserei, sondern echtes Miteinander. Deshalb empfehle ich auch, dass man für sich selbst eine Art Wertekompass erarbeitet.
Welche betrieblichen Bereiche sind nach Ihren Erfahrungen dabei besonders zu beachten?
Mitarbeitergespräche mit dem Trend, Fach und Führungspotenziale zu erkennen, Talente und Lieblingsaufgaben zu entdecken und zu fördern, um einem Fachkräftemangel rechtzeitig begegnen zu können.
Was halten Sie für die wichtigsten Voraussetzungen, um Ethik im Betrieb aufzeigen zu können?
Sich die wirtschaftlichen Verluste durch unethisches Verhalten vor Augen zu führen, als da sind: Grabenkämpfe, innere Kündigungen, ungenutzte Talente, Minderleistungen durch persönliche Verletzungen und vieles andere.
Wie sehen Sie den Unterschied zu den Großen?
In Großbetrieben ist der Einfluss des einzelnen auf die Unternehmenskultur gering. Aber vor allem zeigt sich der Unterschied im sogenannten „Zeithorizont der Unternehmensausrichtung“. Wenn Quartalsergebnisse einen großen Einfluss haben, bleiben Zahlen und Fakten die kurzfristig bestimmende Größe. Wir brauchen aber für ethische Fragen ein langfristiges Denken und Handeln. Dafür sind Familienunternehmen besser aufgestellt. rfw
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