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Einstieg Industrie 4.0: Wie, wann und warum sich KMU am besten dem Thema nähern

Industrie-4.0-Einstiegszenarien
Digitalisierung,fertig, los!

Von Predictive Maintenance bis hin zur verbesserten Energie-Effizienz: Die Vorteile von Industrie-4.0-Konzepten werden vielerorts diskutiert. Doch wie, wann und warum nähern sich KMU am besten dem Thema?

Michael Grupp

Für Industrie-4.0-Projektstarts gibt es keinen Königsweg – aber Erfahrungen und Daten. Die aktuelle Studie „Maximizing the Return on Digital Investments“ des Economic Forum (WEF) in Zusammenarbeit mit den Beratern von Accenture legt Zahlen auf den Tisch. Befragt wurden weltweit rund 16.000 Unternehmen aus 14 Branchen. Laut der Studie steigen weltweit die Investitionen in Industrie-4.0-Konzepte jährlich um 13 %. Für 2020 werden insgesamt rund 2,3 Mrd. Dollar erwartet. Davon fließen gut 40 % ins Internet der Dinge. Die Studie kommt zum Ergebnis, dass sich in jeder Branche ein oberes Fünftel herausbildet, das den größten Mehrwert schöpft. Die Produktivität dieser Spitzengruppe ist seit 2015 durchschnittlich um 12 % pro Jahr gewachsen. In dieser Zwei-Klassen-Gesellschaft könnten insbesondere die KMU zum Verlierer werden. Das WEF empfiehlt eine Kombination von selbstlernenden IT-Systemen, verbunden mit digitaler Maschinen- und Prozess-Integration sowie den Einsatz von Robotern. Mit diesen Voraussetzungen ist nach den Ergebnissen der Studie eine dreimal höhere Rendite erreichbar als mit Insellösungen.

Allerdings ist der frühe Einstieg mit höheren Kosten verbunden. Zum einen sind Pionierleistungen teurer als markterprobte Maschinen und Services, zum anderen sind innovative Lösungen fehleranfälliger. Zudem fehlen Best Practises und Vorbilder. Wann aber der Einstieg in Industrie 4.0-Konzepte zwingend ansteht, darüber hält sich das WEF bedeckt. Die Empfehlungen bleiben allgemein und verweisen lapidar auf die Notwendigkeit eines strategischen Vorgehens sowie auf gezielte Neueinstellungen.

Allerdings belegt eine weitere Studie, diesmal von Ernst & Young: Jedes vierte Unternehmen findet in Deutschland nicht genügend Arbeitskräfte, um den digitalen Ausbau voranzutreiben. Dafür wurden deutschlandweit 2000 Unternehmen mit 30 bis 2000 Mitarbeitern sowie einem Umsatz zwischen 20 Mio. und 1 Mrd. Euro befragt. 53 % der Unternehmen halten mit der Ausbildung des eigenen Personals dagegen.

Es tat sich was

Es lohnt sich aber, diese Hindernisse zu überwinden und Industrie-4.0-Konzepte voranzutreiben. „In den vergangenen Jahren hat sich in Sachen Industrie 4.0 viel getan. Machine-to-Machine-Kommunikation ist in den Fabriken Realität. Jetzt geht es darum, den kompletten Maschinenpark aufzurüsten und ganze Geschäftsmodelle von analog auf digital zu drehen“, meint Bitkom-Präsident Achim Berg anlässlich der Präsentation einer repräsentativen Befragung von 553 Industrieunternehmen ab 100 Mitarbeitern im Auftrag seines Hauses.

Demnach nutzt bereits knapp jedes zweite Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe Industrie-4.0-Anwendungen (49 %), weitere 22 % arbeiten zumindest an konkreten Plänen und Projekten. Mehr als sieben von zehn deutschen Industrieunternehmen beschäftigen sich also mit dem Thema, 18 % warten noch ab, können sich aber vorstellen, in Zukunft in die Digitalisierung einzusteigen. Nur 9 % glauben, dass sie auf Industrie 4.0 komplett verzichten können. Berg ist da anderer Meinung: „Industrie 4.0-Lösungen kosten zwar erst einmal Geld, ermöglichen aber langfristig Effizienzverbesserungen und Kostenreduktionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Nur wer signifikant in
Industrie 4.0 investiert, kann den steigenden Kundenanforderungen gerecht werden und international konkurrenzfähig bleiben.“ Das allerdings kostet Geld.
72 % aller Betriebe gaben an, dass die hohen Investitionskosten den Einsatz von Industrie 4.0 in ihrem Unternehmen behindern. Dazu kommen die Anforderungen an den Datenschutz (58 %) und an die Datensicherheit (56 %). Die Datenschutz-Grundverordnung DSGVO tut hier ihr Übriges und beschäftigt die Unternehmen derzeit in allen strategischen und operativen Bereichen.

Hand in Hand, Schritt für Schritt

Die ersten Schritte müssen nicht allein gewagt werden. So stehen zum Beispiel bundesweit die regionalen Mittelstand 4.0-Kompetenzzentren und -agenturen bereit, um die Anfänge zu begleiten. Darüber hinaus bearbeiten die Agenturen übergreifende Digitalisierungsthemen wie Cloud-Computing, Kommunikation, Handel und Prozesse und tragen diese dann mittels Multiplikatoren in die Fläche.

Die Vorgehensweise der Unternehmen unterscheidet sich deutlich. Zwar geben nahezu alle (97 %) an, strategisch vorzugehen. Diese Strategie umfasst aber bei nur 55 % das gesamte Unternehmen, 42 % konzentrieren sich auf einzelne Bereiche. Bitkom-Präsident Berg weiter: „Unsere Studie zeigt, dass oft nur einzelne Projekte in Angriff genommen werden. Alte Geschäftsmodelle funktionieren noch gut, gerade in Hochkonjunktur-Zeiten wie jetzt. Das Geschäft von morgen ist aber ausschließlich digital und darauf müssen wir uns jetzt entschlossen vorbereiten. Um das volle Potenzial von Industrie 4.0 auszuschöpfen, müssen alle Bereiche konsequent digital aufgestellt werden. Industrie 4.0 endet nicht an den Fabriktoren. Intelligente Produkte, die während ihrer Nutzung mit dem Internet verbunden sind und Daten generieren, werden erst dann richtig wertvoll, wenn den Kunden damit neue datenbasierte Smart Services angeboten werden.“

Allerdings gibt es auch andere Meinungen. Praktiker vor Ort empfehlen oft gerade Insellösungen, um sich mit einem überschaubaren Aufwand an die spätere Gesamtlösung heranzutasten. Eine solche Lösung kann zum Beispiel in der Digitalisierung einer einzelnen Maschine, eines Fertigungszentrums oder einer einzelnen Produktionslinie bestehen. Dort werden dann gezielt Daten gesammelt, aufbereitet und in ersten Anwendungen genutzt. Volker Sieber, Leiter der Entwicklung beim Automations-Spezialisten Schnaithmann, empfiehlt zum Beispiel: „KMU sollten sofort, aber in kleinen Schritten einsteigen. Wir empfehlen, nicht endlos auf Standards, Richtlinien, Empfehlungen und Experten zu warten. Das passiert parallel. Lieber ohne Verzögerung einfach mal das Machbare Schritt für Schritt ausprobieren. Dabei den Kundennutzen, nicht die Technologie in den Vordergrund stellen. Im Endeffekt geht es um Zeitgewinn, Qualitätssteigerung und Kostensenkung. Alles andere wäre ja betriebswirtschaftlicher Unsinn. Im Grunde genommen ist die notwendige Hardware meist schon in der Produktion vorhanden: Sensoren, Aktoren, Steuerungen – alles schon da, zumindest für erste Testprojekte. Die Hauptaufgabe ist, Daten zu sammeln, auszuwerten und sinnvoll zu nutzen. Die sich daraus ergebenden Chancen sind größer als die Risiken.“

Energie, Emission und Kosten sparen

Zu den Vorteilen einer Industrie-4.0-Umgebung gehören nicht nur eine Effizienzsteigerung der Produktion und der damit verbundenen Strukturen. Sie unterstützt auch die Energiewende und senkt gleichzeitig die produktionsbedingten Emissionen. Smart Grids vernetzten als intelligente Stromnetze Stromerzeuger, Stromverbraucher und Stromspeicher. Die Studie „Smarter 2030“ der Global e-Sustainability Initiative (GeSI) rechnet vor, dass die globalen CO2-Emissionen bis 2030 gegenüber jetzigen Prognosen um 20 % gesenkt werden könnten. Die Deutsche Energie Agentur (Dena) hält im gleichen Zeitraum sogar 30 % für realistisch. So könnte trotz weiterem Wirtschaftswachstum ungefähr das Emissions-Niveau von 2015 gehalten werden. Basis für diese Effizienzsteigerung ist eine Anpassung des Verbrauchs an die Erzeugung. Forscher des Instituts FIR an der RWTH Aachen haben für den Verbrauchs-
beziehungsweise Erzeugungsausgleich ein mehrstufiges Modell entwickelt. Die erste Stufe befindet sich im
Unternehmen selbst unter Einbezug ungenutzter Flexibilitätspotenziale. Darüber liegen unternehmensübergreifende Flexibilitätscluster und in der obersten Hierarchie Erzeugungscluster auf Verteilnetzebene. Der Aufwand lohnt sich: So können die Höchstspannungsnetze entlastet, die Ausbaukosten gesenkt und Netzinstabilitäten verringert werden.


Serie Industrie 4.0

Wir begleiten Sie auf dem Weg in die Digitalisierung: Die Serie Industrie 4.0 beleuchtet Themen, Trends und Best Practises. In dieser Folge beschäftigen wir uns mit Einstiegs-szenarien für KMUs.

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