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„Ehen“ und „Parties“ stehen hoch im Kurs

Projektwirtschaft: Treiber für mehr Wertschöpfung
„Ehen“ und „Parties“ stehen hoch im Kurs

Globaler, riskanter, schneller, schlauer, spezialisierter, kreativer, oft auch eng verzahnt mit Kunden, so werden schon heute und noch mehr in Zukunft Werte geschaffen. Dazu bedarf es intensiverer Zusammenarbeit der Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft in Projekten. Die Projektwirtschaft mit viel offener Innovation greift Raum. Was bedeutet dies für den Mittelstand?

Die Dynamik des Strukturwandels in Wirtschaft und Gesellschaft hat sich in den letzten Dekaden beschleunigt. Die gegenwärtige Finanz- und Wirtschaftskrise hat den Druck in vielen Bereichen zusätzlich erhöht. Treiber des Strukturwandels sind dabei Digitalisierung, Globalisierung, die Energiefrage, Veränderungen im politisch-rechtlichen Rahmen und des gesellschaftlichen Potenzials sowie ein effizienterer Umgang mit Wissen (siehe Infochart). Diese Dynamiken werden dazu führen, dass Wertschöpfungsprozesse globaler, schneller, riskanter, schlauer und spezialisierter ablaufen:

Wissen wird immer schneller entwickelt, es gibt mehr Unternehmer und Forscher, mehr Universitäten, die in intensiverem Wettbewerb stehen. Es wird nicht nur mehr Wissen schneller produziert, es wird auch schneller in die Wertschöpfung integriert. Markt- und Produktzyklen verkürzen sich. Dem flexiblen Innovator eröffnet dies neue Möglichkeiten, macht aber gleichzeitig unternehmerisches Handeln riskanter. Diese Vor- und Nachteile treffen den Mittelstand in besonderem Maße.
Kombinationsprodukte und Systemlösungen, die neues Wissen verschiedener Gebiete vereinigen, werden eine zentrale Rolle in der zukünftigen Wertschöpfung spielen. Unternehmen müssen sich daher spezialisieren und durch eine wahre Informationsflut navigieren, um Möglichkeiten zu erkennen und zu nutzen. Dies führt dazu, dass schlauer, spezialisierter und kreativer innoviert und produziert wird: Außerhalb der bisherigen Rolle zu denken, zahlt sich aus, wenn es darum geht, mit Zulieferern, Unternehmen aus fremden Branchen, Kunden oder – immer noch eher die Ausnahme als die Regel im Mittelstand – mit Wettbewerbern in Projekten erfolgreich zusammen zu arbeiten.
Die Zusammenarbeit in strukturierten Projekten eröffnet mittelständischen Unternehmen Möglichkeiten, Größen- und Finanzierungsprobleme insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung zu überwinden und Risiken zu diversifizieren. Dazu bedarf es der Bereitschaft, bereitwilliger Projekte mit verschiedenen Partnern anzugehen, Kunden als „Innosumenten“ in Prozesse zu integrieren, Prozesse mit offenem Ausgang zu planen, zu organisieren und zu moderieren, so dass Spezialisten unterschiedlichster Fachrichtungen eng miteinander in Projekten zusammenarbeiten können. Dies führt dazu, dass die Projektwirtschaft, das heißt die Wertschöpfung in zunehmenden auch rechtlich eigenständigen Projektkonstruktionen, im Jahr 2020 einen Anteil von 15 % der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung ausmacht (siehe Grafik „Wertschöpfungsmuster in 2020“).
Die offene Innovation ist an der Tagesordnung: Partner aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur arbeiten offen, zum Teil auf Basis fortgeschrittener Informationstechnologien, mit hohem Grad an Wissensintensität zusammen, was die Komplexität des Managements erhöht. Formen der Zusammenarbeit sind nicht mehr wie heute mit einigen bestimmenden Partnern, stabil, hoch formalisiert mit klaren Verträgen geschlossen. Vielmehr sind die Formen der projektwirtschaftlichen Zusammenarbeit eher explorativ: Sie zielen darauf ab, dazuzulernen, Neuland zu betreten und zu entwickeln – und dies oft gemeinsam mit Partnern.
Durch diese Projektwirtschaft müssen sich Unternehmer umstellen: Neugier, Offenheit und auch das Bekenntnis zur offenen Innovation sollte die Losung sein. Dabei zählt vor allem der Umgang mit Wissen und mehr Weiterbildung. Da Innovationsprozesse und Wertschöpfungsketten neu strukturiert werden müssen, muss mehr und differenzierter in wiederum projektwirtschaftlich organisierte Weiterbildung investiert werden. Die synchronisierte Weiterbildung der Mitarbeiter mit Hochschulen sichert den Anschluss an die Wissens- und Technologieentwicklung.
Hoch spezialisierte Wertschöpfung mit anspruchsvollen Partnern und Kunden macht die Kooperationsfähigkeit zur Kernkompetenz: Gemeinschaften auch jenseits des Unternehmens stehen hoch im Kurs: Es gilt auch, freie Kapazitäten in Projekten im Unternehmensumfeld oder in Praktikergemeinschaften (communities of practice) einzubinden und dies zeitnah und flexibel: „Ehen“, das heißt langfristige Übereinkünfte und Bindungen an Partner, existieren parallel zu „Parties“, also eher lockeren Formen der Kooperation.
Um trotz aller Flexibilität eine dauerhafte Basis für die Zusammenarbeit zu schaffen, werden Standards noch wichtiger. Nur so kann der aktive Austausch mit Forschern aus Universitäten und anderen Branchen gelingen. Doch die technischen Infrastrukturen sind nur die halbe Miete. Neben technischen Vorkehrungen müssen Unternehmer intensiv daran arbeiten, Vertrauen und eine Kultur der Kooperation durch die Anerkennung, das Teilen von Wissen und den Austausch von Mitarbeitern zu etablieren. Dies bedeutet, dass Mitarbeiter, die nach außen gehen, Mitarbeiter, die sich aktiv weiterbilden und die aktiv Netzwerke und Querverbindungen zu anderen wichtigen Wissensträgern aufbauen, motiviert werden sollten.
Um über die Aktivitäten und die Kapazitäten der eigenen Mitarbeiter und über die Partner besser Bescheid zu wissen, sollten Unternehmer Kooperationsindikatoren im internen Controlling und neue Formen von Wissens- und Kompetenzbilanzen etablieren. Nur so können Akteure Wissen als ihren wichtigsten Wettbewerbsfaktor optimal einsetzen.
Warum sollten Ideen nicht zu Projekten werden? Warum sollten aussichtsreiche, aber nicht sofort marktfähige Ideen und Patente nicht vermarktet werden oder dazu dienen, Kapital für die Entwicklung von Gütern und Dienstleistungen zu erhalten? Unternehmen – insbesondere mittelständische –, die auf Absicherung von Rechten, das Management von Patenten und Lizenzen und entsprechende Schnittstellen bei ihren Technologien achten sowie eine aktive Kooperationskultur etablieren, werden gesuchte Projektpartner sein. Sie können aber auch selber Partner gewinnen, um ihr technologisches Potenzial zu heben und damit neue Wertschöpfungsfelder zu erschließen.
  • Stefan Schneider Chief International Economist Deutsche Bank Research, Frankfurt/M.
  • Ingo Rollwagen Deutsche Bank Research, Frankfurt/M.
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