„Die Herausforderung der Digitalisierung liegt weniger auf den technologischen Aspekten, sondern eher auf der Frage, wie man die digitale Transformation des Unternehmens gestaltet.“ Diese Aussage stellte Dr. Christoph Geier, Director Digital Transformation am Campus Heilbronn der TU München (TUM) und Geschäftsführer von BCG Platinion, einer Tochtergesellschaft der Boston Consulting Group, im Rahmen von TUM Talk und TUM Connect am TUM-Bildungscampus Heilbronn in den Raum. Wie vor allem der Mittelstand diese digitale Transformation gestalten kann, will die im September gestartete Veranstaltungsreihe mit einer Mischung aus Podiumsdiskussionen zwischen Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft sowie interaktiven Konferenzen, Roundtables und Weiterbildungsangeboten zu Fragstellungen aus der Praxis beleuchten.
TUM Connect bietet passende Weiterbildung für KMU
„Digitalisierung ist als heutige Kernherausforderung bei den Unternehmen längst angekommen. Es wurden bereits viele Projekte gestartet, auch durchaus erfolgreich. Allerdings wird Digitalisierung oft vorschnell mit digitaler Transformation gleichgesetzt“, sagt Geier. „Dabei ist Transformation ein viel weitgehender Begriff“, betont er. Hier setzt das neue Format am TUM-Campus Heilbronn an, das sich an mittlere und Familienunternehmen richtet.
TUM Connect unterscheidet sich laut des wissenschaftlich verankerten Praxisexperten insofern von bisherigen Angeboten auf dem Markt, dass die Weiterbildungsangebote konkret auf die Zielgruppe zugeschnitten werden. Ein grundlegendes Verständnis für die Thematik sei zwar bei den Unternehmen der Region Heilbronn-Franken durchaus vorhanden, aber es fehle noch an handlungsorientiertem Methodenwissen. „Worüber reden wir denn eigentlich genau?“, fragt sich nicht nur der Director Digital Transformation, sondern auch ein Großteil der Unternehmen.
Digitale Transfromation – wie vorgehen?
„Mittelstand und Familienunternehmen bilden eine Industriestruktur mit einer ganz bestimmten Prägung ab, die von entscheidender Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist.“ Geier postuliert beim Weiterbildungsangebot und der Vermittlung relevanten Wissens für diese speziellen Unternehmensstrukturen eine Lücke. Ein Standardrezept für die digitale Transformation im Unternehmen sieht er nicht, da der Prozess von der jeweiligen Branche und dem Kundenbedürfnis abhänge. Als wichtigen ersten Schritt nennt er: Transparenz über die Ausgangssituation.
Er illustriert diese initiale Phase anhand eines Praxisbeispiels aus einem TUM-Connect-Workshop. Kurtz Ersa, ein Lötmaschinenhersteller aus dem unterfränkischen Kreuzwertheim, stand vor einem Problem vieler Maschinenbauer: Das Vertriebsteam wird wie in der Branche üblich für seine Abschlüsse incentiviert. Kunden erhalten so zwar ein ideales Produkt, jedoch häufig auf Kosten der internen Produktion, da die Maschinen entsprechend individuell konfiguriert werden. Um Produktion und Vertrieb besser aufeinander abzustimmen, hat der Mittelständler ein integriertes Angebotssystem entwickelt, das einen geführten Prozess ermöglicht. So ist bereits im Vertriebsgespräch ersichtlich, ob eine Maschinenkonfiguration möglich ist und wie sie sich auf den Preis auswirkt. Es geht also nicht nur um ein verändertes Vertriebs-Front-End, sondern hat im Falle von Kurtz Ersa eine Prozessveränderung sowie Incentivierungs- und auch Kulturveränderung herbeigeführt.
Digitalisierung muss vom Top-Management getrieben werden
Ein solcher Wandel ist aber nur erfolgreich, wenn er vom Top-Management vorgelebt wird. Hier sieht Geier einen klaren Vorteil kleiner und mittelständischer Unternehmensstrukturen gegenüber Konzernen: Prozesse können unmittelbarer, also direkter und schneller umgesetzt werden. Trotzdem nicht zu vergessen: Bei digitaler Transformation geht es um einen digitalen Muskelaufbau, wie der Unternehmensberater erklärt. Es ist kein abgeschlossener Prozess, sondern er muss kontinuierlich fortgesetzt werden. Zudem müssen Ergebnisse gemessen werden, und nicht der Prozessfortschritt. Firmen sollten also immer das Gesamtkonzept im Blick behalten.
Damit Firmen Impulse erhalten, ist der Austausch im Netzwerk wichtig. Die nächste Veranstaltung am 4. und 5. März 2021 beleuchtet dann besondere Herausforderungen familiengeführter Unternehmen.
Mehr Informationen zum Format unter: www.wi.tum.de/tum-connect
Kontakt:
TUM Campus Heilbronn gGmbH
Bildungscampus 2
74076 Heilbronn
www.wi.tum.de
„Digitalisierung ist nicht gleich digitale Transformation“
Herr Dr. Geier, was sind TUM Talk und TUM Connect?
TUM Talk ist ein Gesprächsformat, bei dem Unternehmens-, Wissenschafts- und Wirtschaftsvertreter über „Digital Transformation“ oder „New Leadership“ diskutieren. Mit TUM Connect bieten wir eine Interaktionsplattform, bei dem sich der TUM-Campus Heilbronn in interaktiven Konferenzen und Roundtables mit der Unternehmenscommunity austauscht.
Es gibt zig Weiterbildungs- und Netzwerkangebote zu Digitalisierung. Warum sollten sich Firmen für den TUM-Campus Heilbronn entscheiden?
Wir haben in Deutschland eine Unternehmensstruktur mit einer bestimmten Prägung. Und diesen speziellen Strukturen wird, was die Vermittlung der relevanten Fähigkeiten für eine digitale Transformation angeht, nicht viel geboten. Wir schneiden die Formate auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zu – gemäß unserem Slogan: Unmittelbar, nahbar, wirksam. Es geht nicht nur darum, den kontextuellen, wissenschaftlichen Rahmen zu vermitteln, sondern auch die Anwendbarkeit im Blick zu haben.
Bieten Sie auch Unternehmensberatung an?
Nein. Wir haben einen klaren Fokus: Neben der Weiterbildung bieten wir wissenschaftliche Projektbegleitung. Heißt, wir schauen aus wissenschaftlicher Perspektive auf die Projekte und betten sie in einen Gesamtkontext ein.
Wie unterscheiden Sie Digitalisierung und digitale Transformation?
Digitalisierung und Automatisierung wird gerne in einen Topf geworfen. Aber: Selbst, wenn man eine digitale Transformation startet, endet es gegebenenfalls in einer Digitalisierung – also in einer verbesserten Automatisierung oder einer höheren Durchgängigkeit der IT-Unterstützung. Digitale Transformation wird häufig mit einem Produkt verbunden. Dabei ist das eher die Veränderung von Prozessen und Geschäftsmodellen. Es geht also nicht darum, ein neues Bauteil zu erfinden, sondern eventuell darum, neue Kundengruppen oder andere Geschäftsfelder zu erschließen, oder ein völlig anderes Kundenerlebnis zu erzeugen.
Was ist künftig noch geplant?
Neben jährlich zwei TUM Talk- und Connect-Events werden wir Experten-Roundtables aufsetzen, die Einzelthemen vertiefen. Zudem sind wir mit Firmen in Gesprächen: Mit Audi gibt es etwa ein gemeinsames Projekt zum Thema Factory 4.0.