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Eine lösbare Aufgabe

Lieferkettengesetz
Eine lösbare Aufgabe

Eine lösbare Aufgabe
Immer mehr Konsumenten und Arbeitnehmer verlangen, dass Unternehmen Umweltverschmutzung oder Ausbeutung bei ihren Zulieferern verhindern. Transparenz in der Lieferkette tut deshalb not. Bilder: di/stock.adobe.com; N. Theiss/stock.adobe.com
Das Lieferkettengesetz gilt zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden. Kleinere sollten sich dennoch nicht entspannt zurücklehnen. Wenn sie Großunternehmen zu ihren Kunden zählen, müssen sie ebenfalls die ab 2023 geltenden Regeln einhalten. Die Aufgabe ist lösbar – allerdings sollten Betriebe jetzt anfangen, ihre Lieferketten zu analysieren.

» Dr. Gökhan Yüzgülec ist Principal bei Inverto in München

Die Einigung kam erst kurz vor dem Ende der Legislaturperiode, doch seit einigen Wochen ist klar: Deutschland bekommt das lange umstrittene Lieferkettengesetz, das Unternehmen dazu verpflichtet, die Einhaltung von Mindeststandards im Umweltschutz und bei den Menschenrechten bei ihren Lieferanten zu kontrollieren. Formal gilt das Gesetz ab 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitenden. Da diese ihre Verpflichtungen aber in der Supply Chain weiterreichen werden, sind auch kleinere Unternehmen aufgefordert, ihre Lieferketten auf etwaige Verstöße zu überprüfen.

Der Einkauf als Ansprechpartner der Lieferanten sollte hier gemeinsam mit dem Top-Management die Federführung übernehmen.

Strukturiertes Risikomanagement als Basis

Basis der Supply Chain-Überprüfung ist ein strukturiertes Risikomanagement. Viele Einkaufsabteilungen haben dieses bereits etabliert, jedoch fokussieren sie sich in erster Linie auf die Absicherung von Verfügbarkeiten, Preisen und Qualitäten wichtiger Vorprodukte. Diese Kriterien gilt es nun, um die Punkte Umweltschutz und Rechtsstandards zu erweitern.

Firmen, die noch kein systematisches Risikomanagement betreiben, müssen dieses zuerst schaffen, um Transparenz in ihre Lieferkette zu bringen. Die Vorgaben des Lieferkettengesetzes sollten direkt in die Analyse einbezogen werden. Der Aufbau erfolgt in vier Schritten:

  • Risiken identifizieren: Welche Gefahren drohen?
  • Risiken bewerten: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Risiko eintritt und wie hoch wäre in diesem Fall der Schaden?
  • Risiken steuern: Welche Maßnahmen verhindern oder verringern die Eintrittswahrscheinlichkeit oder den möglichen Schaden?
  • Risiken beobachten: Wo tritt ein Risiko ein? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden?

Zwar sollte der Einkauf in dem Prozess die Führung übernehmen, doch sollten alle beteiligten Fachbereiche mitarbeiten: Produktion, Supply Chain Management, Forschung und Entwicklung. Aufgrund der neuen Themen Umwelt und Menschenrechte sollte auch die Compliance Abteilung einbezogen werden.

Wie mit Verstößen umgehen?

Erkennen Unternehmen mit Hilfe ihrer Risikoanalyse Verdachtsfälle oder tatsächliche Verstöße gegen Menschenrechte oder Umweltstandards bei ihren Lieferanten, so ist das weitere Vorgehen einerseits von der Schwere der Rechtsverletzungen und andererseits von der Beziehung zum Lieferanten abhängig. Handelt es sich um gravierende Probleme oder ist der Lieferant leicht zu ersetzen, ist die sofortige Trennung der sinnvollste Schritt. Sofern nicht auf Anhieb ein neuer Anbieter zur Verfügung steht, können die Liefermengen auch sukzessive verringert werden, bis neue Partner vollständig qualifiziert und eingebunden sind.

Anders sieht es aus, wenn ein Lieferant ein enger Partner ist oder ein strategisch bedeutsames Produkt liefert. Hier lohnt es sich, Geld, Zeit und Kompetenzen in den Lieferanten zu investieren, um ihn beim Erreichen der neuen Standards zu unterstützen. Dies zahlt nicht nur auf die Kriterien des Lieferkettengesetzes ein, sondern kann durch die engere Kooperation mittelfristig auch Qualität und Innovationskraft der Produkte nachhaltig erhöhen. Grundsätzlich gilt: Je enger das Verhältnis zum Lieferanten ist, desto größer sind die Einflussmöglichkeiten.

Unternehmen, die von anspruchsvollen Vorprodukten abhängig sind und ihre Lieferkette besonders resilient gestalten wollen, sollten den Aufbau eigener Produktionsstandorte – oder den Zukauf bereits bestehender – in Erwägung ziehen. Durch die so genannte Rückwärtsintegration erlangen sie quasi als positiven Nebeneffekt auch die Kontrolle über Arbeitsbedingungen und Produktionsstandards und können diese gemäß der eigenen Normen gestalten.

Faire Bedingungen, gemeinsame Verantwortung

Deutschland ist nicht das einzige Land, das ein Lieferkettengesetz einführt. Ähnliche Regelungen gibt es bereits in Großbritannien, Frankreich sowie den Niederlanden. Auch die Europäische Union plant ein Gesetz. Details sind noch nicht bekannt, aber es ist gut möglich, dass dieses Gesetz strenger wird als die bisher existierenden nationalen Lösungen. Unternehmen, die bereits Transparenz in ihrer Lieferkette geschaffen haben und mit ihren Lieferanten im Gespräch sind, verfügen über die besten Voraussetzungen, um auch die Vorgaben des EU-Gesetzes zu erfüllen.

Die (Weiter)-Entwicklung eines Risikomanagementsystems unter Einbeziehung der Kriterien des Lieferkettengesetzes erfordert Zeit und Ressourcen. Doch der Einsatz lohnt sich, denn die neue Transparenz und engere Kooperation in der Lieferkette führen langfristig zu besseren Produkten und höherer Resilienz. Zudem verlangen immer mehr Konsumenten und Arbeitnehmer, dass Unternehmen Umweltverschmutzung oder Ausbeutung bei ihren Zulieferern verhindern. Unternehmen, die diese Verantwortung wahrnehmen, haben ein messbar besseres Image als solche, die das nicht tun.

Kontakt:
Inverto GmbH
Lichtstr. 43i
50825 Köln
Tel. +49 221/485 687 141
www.inverto.com


Über den Autor

Dr. Gökhan Yüzgülec ist Principal bei Inverto in München. Der promovierte Maschinenbauingenieur ist Experte für Supply Chain Risk Management und befasst sich mit der Optimierung und dem Design von „Order-to-Delivery“ Prozessen.

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