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Eisberge im Fahrwasser betrieblicher Entscheidungen

Komplexität: Scheinbar einfache Aktionen können erhebliche Folgen auslösen
Eisberge im Fahrwasser betrieblicher Entscheidungen

Vergleichbar dem Eisberg, dessen größter Teil sich unsichtbar unter Wasser befindet, birgt das Thema Komplexität Risiken. Unternehmen laden sich heute mehr denn je Probleme auf, mit denen sie nicht gerechnet hatten. Schon deshalb sollten sie sich per systemischem Denken dem Thema stellen.

Komplex ist etwas grundsätzlich anderes als das vertraute kompliziert. Kompliziertes lässt sich mit einiger Mühe schließlich durchschauen, verstehen und beherrschen. Komplexe Zusammenhänge hingegen sind dem Eisberg vergleichbar, dessen größter Teil sich unsichtbar unter der Wasseroberfläche verbirgt. Die Wahrscheinlichkeit, dass plötzlich ein ungeahnter und deshalb unbedachter Zusammenhang auftaucht, ist deshalb stets gegeben. Das unterscheidet den Unsicherheits- und Schwierigkeitsgrad heutiger Unternehmensführung erheblich von dem früherer Zeiten.

Komplexität ist ein anderes Wort für die Vielschichtigkeit und nicht automatische Durchschaubarkeit von Wirkungsgefügen. Es verweist auf deren mehr oder weniger starke gegenseitige Verbundenheit und wechselseitige Beeinflussung. Etwas vereinfacht ausgedrückt besagt es: Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Also Vorsicht vor einfachen linearen Wenn-Dann-Überlegungen. Beachten Unternehmen diese Warnung bei ihren Entscheidungen nicht, laufen Sie heute mehr denn je zuvor Gefahr, sich Probleme aufzuladen, mit denen sie nicht gerechnet hatten.
Die Konsequenz für Unternehmer wie Führungskräfte daraus heißt: Das mechanistische Ursache-Wirkungs-Denken, also das gewohnte Denken in den einfachen linearen Wenn-Dann-Beziehungen, ist für die Bewältigung der meisten Probleme heutiger Unternehmensführung nicht mehr geeignet. Es birgt immer das Risiko falscher Entscheidungen. Insbesondere bei Problemen der Anpassung an veränderte Geschäfts- oder Marktbedingungen oder in Krisen.
Praktisch bedeutet das: Die Folgen dessen was getan wird, sind nicht mehr eindeutig, sondern können sich plötzlich da zeigen, wo sie niemand vermutet oder gewollt hat und wo sie nicht selten das Gegenteil des Gewollten bewirken. Scheinbar einfache Aktionen oder Maßnahmen können erhebliche Folgen auslösen, während andererseits massive Eingriffe wirkungslos bleiben. Bei der vorausschauenden Einstellung auf die Zukunft, beim Entschärfen von Risiken und bei der entsprechenden Entscheidungsfindung ergeben sich daraus für die Unternehmensführung beachtliche Schwierigkeiten und oft auch Zielkonflikte.
Die Bereitschaft, sich dieser Komplexität und daraus folgend der Notwendigkeit eines verstärkten Denkens in größeren Zusammenhängen; sprich möglichen Wirkungsgefügen (systemisches Denken) zu stellen, entscheidet mehr und mehr über den Unternehmenserfolg. Es kommt also darauf an, das betriebliche Fähigkeitsspektrum so zu erweitern, dass es möglich wird, die Komplexität des in Aussicht genommenen Tuns und Lassens in die betrieblichen Überlegungen einzubeziehen. Nur so lässt sich die Gefahr unerwarteter Handlungsfolgen und -risiken absenken und die Sicherheit betrieblichen Handelns erhöhen. Gleichzeitig eröffnet das Denken in komplexeren Zusammenhängen eine erweiterte Möglichkeit, Chancen zu nutzen.
Ein Schritt dazu ist die Verbesserung der Prognose-Methoden. An die Stelle traditioneller Voraussage-Methoden sollten Simulationen, Modelle, Szenarien, Wild Cards oder „Schwarze Schwäne“* treten. Verfahren also, die auch tiefe Eintretenswahrscheinlichkeiten mit extremen Auswirkungen mitberücksichtigen. Ein anderer, bei anstehenden Entscheidungen den Input einer Vielfalt verschiedenartiger Ansichten, Methoden oder Annahmen zu erhöhen. Kurz: Konsequent das jeweils spezifische Wissen und die Beratung durch die Mitarbeiter in die Entscheidungsfindung einzubeziehen.
Komplexitätsrisiken lassen sich weiter vermindern, indem in kleinen Schritten und mittels kontrollierbarer Schritte vorwärts geschritten wird. Das sorgt für ein fortlaufendes betriebliches Lernen und ermöglicht, Erkenntnisse unmittelbar umzusetzen. Ratsam ist, dieses Handeln auf vereinbarte Grundregeln der Entscheidungsfindung zu stützen. Sie sollten unveränderbar sein, von allen jederzeit eingehalten werden und den Beteiligten erlauben, nach Auftragstaktik eigenverantwortlich und flexibel je nach Situation optimal zu entscheiden. Eine zusätzliche Möglichkeit, nicht in die Komplexitätsfalle zu tappen, ergibt sich aus der Systemvereinfachung. Ein zu komplexes Geschäftsmodell beispielsweise ist nicht nur in schwierigen Zeiten besonders problemanfällig.
Der betriebliche Umgang mit Komplexität wird also leichter, werden zwei Punkte zuverlässig beachtet:
  • Die eigene betriebliche Komplexität im überschaubaren Rahmen zu halten. Sie beispielsweise nicht durch laufendes Hinzufügen neuer Prozesse oder Hierarchiestufen zu vergrößern.
  • Eine die Komplexität berücksichtigende und ihr angemessene Denk- und Führungskultur zu pflegen.
Wie Untersuchungen ergeben haben, gelingt die Bewältigung komplexer Problemstellungen umso besser, wenn die kooperative Zusammenarbeit im Unternehmen gefördert und die gegenseitigen Verantwortlichkeiten erhöht werden. Zudem wird die dezentrale Problemlösung dank Übertragung von Verantwortlichkeiten auf die Mitarbeiter und deren selbständige Entscheidungsbefugnis gefördert.
Je größer das innerbetriebliche Klima des Vertrauens ist, desto leichter und zuverlässiger gelingt es, das betriebliche Geschehen auf diese Grundlage zu stellen. Vertrauen ist die Voraussetzung dafür, dass die Mitarbeiter sich bemühen, die gegenseitigen Aufgaben und Abhängigkeiten zu verstehen. Und ebenso dafür, dass sie ihr Wissen teilen und die Hindernisse und Ziele der andern mit berücksichtigen. Ohne dieses Klima des Vertrauens ist es nicht möglich, in der Breite der Belegschaft das notwendige Bewusstsein für den wachsenden Einfluss der Komplexität auf das Betriebsgeschehen zu schaffen und den heutigen komplexen Herausforderungen betrieblich mit Erfolg zu begegnen.
Eine weitere diesbezügliche Erfolgsvoraussetzung ist zum einen die Durchmischung der Belegschaft nach Alter, Herkunft und Geschlecht. Und zum anderen, systematisch für die Diversität von Erfahrungen, Ausbildung, Einstellungen oder Meinungen der Belegschaftsmitglieder zu sorgen. Die zuverlässige betriebliche Bewältigung von
Komplexität braucht kompetente Mitdenker und damit zwangsläufig auch Widersprecher. Sie schaffen die Kernkompetenzen in Teams – und in größeren Betrieben in den Stäben – zur Lagebeurteilung und zum Erarbeiten kreativer Lösungsoptionen bei der Bewältigung komplexer Probleme oder Krisen. Kein Unternehmen sollte versäumen, sich solche Mitarbeiter heranzuziehen, zu würdigen und zu pflegen.
Hartmut Volk Freier Publizist, Bad Harzburg
„Der Schwarze Schwan – Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse“. Nassim Nicholas Taleb, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 5. Auflage 2013
Der Autor dankt dem Schweizer Krisen- und Strategieexperten Professor Laurent Carrel, Biel, für wertvolle Hinweise

So werden Sie der Komplexität Herr

Erfolgversprechende Handlungsstrategien im Umgang mit der Komplexität des Geschehens verlangen:
  • Ordnung machen,
  • die innerbetriebliche Komplexität verringern,
  • die vielfältigen Herausforderungen einfacher und mittels Teilproblemen übersichtlicher machen und in verständlicher Form abbilden,
  • anpassungsfähige und flexible Führungssysteme aufbauen sowie
  • Variantendenken bei der Lagebeurteilung durch Einbezug aller Führungsstufen in einem intensiven, interdisziplinären Dialog aller Betroffenen sicherstellen.
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