Startseite » Management »

Firmen werden zu Burgen im Reich der Mitte

Rechtliche Maßnahmen und technische Vorkehrungen sichern China-Engagement ab
Firmen werden zu Burgen im Reich der Mitte

Wer in China Erfolg haben will, muss sich auf die besonderen Gegebenheiten des Marktes einstellen. Das heißt vor allem: schnell und wachsam sein. Unternehmen sollten alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das geistige Eigentum in ihren Niederlassungen zu schützen – rechtlich, technisch und organisatorisch.

„China ist sowohl als Absatzmarkt als auch Einkaufsquelle sehr wichtig“, sagt Qin Wang. Und er weiß, wovon er spricht. Qin Wang ist Geschäftsführer der chinesischen Niederlassung DTMT Hangzhou der Deutschen Mechatronics GmbH, die ihren Stammsitz in Mechernich hat. Somit kennt er beide Seiten – die europäische und die chinesische. Und er sieht die Möglichkeiten, die sich den deutschen Unternehmen im Reich der Mitte bieten: „Für jeden, der individuelle Produkte anbieten will, gibt es eine Chance in China.“

Gleichzeitig entwickelten sich chinesische Firmen verstärkt zu Wettbewerbern, weiß Thomas Kautzsch, Partner der Unternehmensberatung Oliver Wyman. Gerade im Maschinenbau. „Die Umstrukturierung der chinesischen Wirtschaft im Rahmen des aktuellen Fünfjahresplans übt künftig einen hohen Exportdruck auf die chinesischen Maschinenbauer aus“, so Kautzsch.
Die Volksrepublik drängt auf die Exportmärkte. Ähnlich wie japanische Firmen in den 80er- und 90er-Jahren könnten auch chinesische Unternehmen in den westlichen Märkten viele einheimische Betriebe aus dem Geschäft werfen. Diese Entwicklung werde sich in den kommenden drei bis fünf Jahren zeigen, meint Kautzsch.
Die chinesischen Unternehmen hätten längst den Schritt vom bloßen Nachahmer zum Technologieentwickler vollzogen, meint Dr. Ralph Nack, Rechtsanwalt der Wirtschaftskanzlei Noerr LLP, der selbst lange in China gelebt hat. Forschung und Entwicklung seien im Reich der Mitte ein zentrales Zukunftsthema.
Für deutsche Firmen heißt das: Sie sollten selbst in China aktiv werden und dort einen zweiten Standort aufbauen. Besonders wenn sie in einem großen Markt tätig seien, meint Kautzsch. „Wenn sie nicht in China vor Ort sind, haben sie mittelfristig in großen Teilen des Marktes keine Chance“, so der Berater.
Wer in China erfolgreich sein will, muss sich allerdings auf die besonderen Gegebenheiten einstellen. „Es gibt viele Risiken bei einem China-Engagement“, warnt Qin Wang. „Und die muss man kennen und Vorkehrungen treffen.“ Dazu zählt zunächst einmal: Man muss schnell sein. „Die Dinge passieren sehr rasant in China“, so Qin Wang. Von deutschen Unternehmen sind daher Flexibilität und die Fähigkeit gefragt, schnelle Entscheidungen zu treffen.
Vor allem spielt aber nach wie vor der Schutz des geistigen Eigentums die entscheidende Rolle. Die deutsche Industrie sei häufig sowohl rechtlich als auch organisatorisch nicht auf die Eigenheiten des chinesischen Marktes vorbereitet, meint Anwalt Nack. Die erste Regel lautet: Patente und Marken müssen konsequent und flächendeckend angemeldet werden. Nur dann sei es möglich, einen rechtlichen Schutz in China zu genießen. Wenn in China keine Schutzrechte bestehen, ist es laut Nack völlig legal, Technologien nachzuahmen. „Melden Sie an“, lautet daher sein dringender Appell an deutsche Firmen. „Melden Sie alles in China an, was Sie anzumelden haben.“
Gleichzeitig ist ein systematisches Patent-Monitoring wichtig. Will heißen: Wer in China aktiv ist, sollte ständig beobachten, was die chinesischen Konkurrenten anmelden. Der regelmäßige Blick ins Patentregister ermöglicht es, rechtzeitig reagieren zu können, falls eine Firma ihre Schutzrechte verletzt sieht.
„In Bezug auf die Anmeldezahlen wird das chinesische Patentamt das größte der Welt werden“, prognostiziert Nack. Verantwortlich seien dafür vor allem chinesische Anmeldungen. „Und die chinesischen Unternehmen werden von ihren Patenten verstärkt Gebrauch machen.“
Ein Monitoring der Patente findet auch auf der anderen Seite statt. „Der chinesische Staat wird über jede Erfindung informiert“, sagt Nack. Mit der Politik sollte man sich ohnehin gut stellen, meint der Rechtsanwalt und China-Experte. „Es ist wichtig, ein politisches Netzwerk aufzubauen und gute Beziehungen zu Funktionsträgern sowie Behörden zu pflegen.“ Solche Verbindungen könnten helfen, um zum Beispiel die Durchsetzung des eigenen Rechts voranzutreiben – besonders wenn die entsprechenden Maßnahmen möglichst schnell durchgeführt werden sollen.
Generell sei es aber durchaus möglich, Schutzrechte auch in China effektiv und kostengünstig durchzusetzen. Wichtigste Regel ist aber in jedem Fall, ein rechtliches Verfahren bei einem erfahrenen und verlässlichen Gericht und nicht bei einem Provinzgericht anhängig zu machen. Die Qualität des Rechtssystems ist laut Nack in etwa mit der in Italien zu vergleichen. Deutsche Unternehmen können daraus nun ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen.
Neben rechtlichen Maßnahmen müssen Unternehmen in China auch technische Vorkehrungen treffen, um sich vor Produktpiraterie zu schützen. Dazu zählt in erster Linie der physische Schutz des Unternehmens. Die Sicherheitsbarrieren wie Zugangskontrollen und Berechtigungssysteme sollten sich mindestens auf dem gleichen Niveau bewegen wie in Deutschland, rät Rechtsanwalt Nack. Besser sei es aber, in China ein noch höheres Sicherheits-Level umzusetzen als hierzulande.
„Firmen sollten besonders die Forschungsabteilung wie eine mittelalterliche Burg schützen“, sagt der Jurist. Die Abteilung müsse „datenmäßig komplett abgekapselt“ sein. „Es darf keine Möglichkeit geben, E-Mails zu verschicken“, so Nack. Ein Internetzugang sollte sowieso nicht eingerichtet werden. Ebenfalls auf der schwarzen Liste stehen Mobiltelefone, Fotokameras und Speichermedien. Besonders sensible Daten sollten grundsätzlich nur in sicheren Netzen gespeichert werden.
Auch die Arbeitsabläufe müssen angepasst werden. So sollten zum Beispiel Fehl-Chargen laut Nack immer vernichtet werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sie außerhalb des Firmengeländes gebracht werden und den Mitbewerbern wertvolle Informationen liefern. Werksbesuche von externen Personen sollten gut organisiert sein, um zu verhindern, dass sensible Informationen auf diese Weise nach außen gelangen.
Doch selbst wenn die Firmenmauern so hoch wie möglich gezogen werden, verlässt Wissen auf natürlichem Weg das Unternehmen. Denn die Mitarbeiterfluktuation in China ist recht ausgeprägt. Und wenn Mitarbeiter die Firma wechseln, fließt mit ihnen auch jedes Mal Knowhow ab. Nack empfiehlt, die Wechselwilligkeit des chinesischen Personals einzudämmen – etwa durch attraktive Anreizprogramme wie Werkswohnungen, Krankenversicherung oder Bonuszahlungen.
Das Wissen im Unternehmen ist nach Meinung von Berater Kautzsch der entscheidende Faktor, um sich im chinesischen Markt zu behaupten. Patente allein könnten nicht immer den alleinigen Schutz bieten. „Das Anwendungswissen kann dagegen ein starker Kontrollpunkt sein“, so Kautzsch. Qin Wang sieht das ähnlich. „Wenn es so einfach ist, ein Produkt zu kopieren, dann lohnt es sich nicht, dieses zu schützen“, behauptet der Mechatronik-Fachmann. „Dann ist es keine Schlüsseltechnologie.“
Auch wenn das Thema Patent eine große Rolle spielt – ein Patentrezept, um in China erfolgreich zu sein, gebe es nicht, weiß Kautzsch. Für alle gelte aber: „Unternehmen müssen schon für die kommenden fünf Jahre im Voraus denken.“ Die Firmen sollten die Herausforderungen aktiv und mit einer gewissen Vorlaufzeit angehen. Dann hätten gerade die deutschen Maschinenbauer gute Chancen.
Der Aufwand lohnt sich. Was heute im Reich der Mitte passiert, könne demnächst in „Indien oder anderswo“ geschehen, stellt Qin Wang fest. „Über China kann man sich auf die anderen Märkte vorbereiten.“
Markus Strehlitz Freier Journalist in Mannheim
Unsere Webinar-Empfehlung
Industrieanzeiger
Titelbild Industrieanzeiger 6
Ausgabe
6.2024
LESEN
ABO
Newsletter

Jetzt unseren Newsletter abonnieren

Webinare & Webcasts

Technisches Wissen aus erster Hand

Whitepaper

Aktuelle Whitepaper aus der Industrie

Unsere Partner

Starke Zeitschrift – starke Partner


Industrie.de Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Industrie.de Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Verlag Robert Kohlhammer GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum Industrie.de Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des Industrie.de Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de