Das Thema Nachhaltigkeit droht für manchen, zur Worthülse zu verkommen oder als reines Konsumthema abgetan zu werden – ein Irrtum. Sie ist vielmehr eine zentrale Geschäftsanforderung an Unternehmen, die durch Markt, Partner:innen, Investor:innen, Bewerber:innen und Gesetzgebung immer stärker eingefordert wird.
Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz sowie die korrespondierende EU-Richtlinie, die Nachhaltigkeitsanforderungen an Lieferketten verschärfen, bringen Unternehmen in Zugzwang. Ressourcenverknappungen als Krisenfolge geben einen Vorgeschmack darauf, was uns blüht, wenn wir den Planeten weiter überbewirtschaften. In vereinfachter Kosten-Nutzen-Rechnung lässt sich ableiten: Wer mit Ressourcen effektiver umgeht, kann bei geringeren Kosten mehr erreichen und ist resilienter – durch geringere Rohstoff- und Energieabhängigkeiten. Im Bereich Finanzen ist sie längst bewertungsrelevant. Wer Nachhaltigkeit also zum Trendbegriff stilisiert, ist auf dem Holzweg. Die Relevanz für Unternehmen ist klar, aber wie geht man das Thema an?
Was Nachhaltigkeit und Digitalisierung gemeinsam haben
Nachhaltigkeit obliegt den gleichen Spielregeln wie alle Veränderungsprozesse. So liegt der Vergleich zur digitalen Transformation nahe: Wir müssen dazulernen und uns neue essenzielle Fähigkeiten aneignen. Zudem wirkt sich konsequente Nachhaltigkeit tiefgreifend auf alle Prozesse und Abläufe im Unternehmen aus – und erfordert einen umfassenden Kulturwandel. Man kann getrost sagen: Nachhaltigkeit ist das neue Digital. Genau deshalb sollten wir Erkenntnisse der Digitalisierungsbemühungen der deutschen Wirtschaft nutzen, um zentrale Fallstricke zu vermeiden.
Keine Digitalisierung 2.0: Diese fünf Fehler sollten wir vermeiden
Veränderungen sind herausfordernd, ungeahnte Widerstände eröffnen sich oft erst im Prozess, Fehler bleiben nicht aus. Beim Thema Digitalisierung haben viele Unternehmen all das zu spüren bekommen. Was dort versäumt wurde, können wir bei Nachhaltigkeit von Beginn an mitdenken. So können wir uns diesmal einen Vorsprung verschaffen:
1. Dringlichkeit nicht unterschätzen
Bei der Digitalisierung wurde besonders die Zeitschiene unterschätzt – zu viel auf morgen geschoben. In der Coronapandemie zeigte sich, welche Potenziale für digitale Transformation verschlafen wurden. Ähnliches kristallisiert sich aktuell anhand steigender Energiepreise und knapper Rohstoffe ab – ein Weckruf, dem wir Gehör schenken sollten. Im Zweifel gilt: Lieber heute als morgen mit ersten Schritten starten, denn Change ist zeitintensiv. Wer wegen Lieferengpässen, die ESG-Umsetzung vertagen möchte, begibt sich auf dünnes Eis: Gesetzliche Anforderungen lassen sich schließlich nicht aufschieben.
2. Von Perfektionsdrang trennen
Das wichtigste ist: Anfangen. Etwa damit, den CO2-Fußabdruck eines Produktes oder Prozesses zu messen und zu optimieren. Sicher wäre es ideal, direkt das ganze Unternehmen nachhaltig zu transformieren – aber eben nicht realistisch. Schritt für Schritt dazulernen, Erfolge nutzen und das Engagement stetig ausbauen. Geduld ist hier die Devise.
3. Nicht zu eindimensional denken: Nachhaltigkeit geht über grüne Aspekte hinaus
Nachhaltigkeit geht thematisch über Klimaschutz hinaus – ähnlich wie Digitalisierung mehr ist als Online Marketing und E-Commerce. Die „Sustainable Development Goals“ der UN geben einen guten Überblick: Zwar gehören ökologische und ökonomische Aspekte, wie Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft, klar dazu. Hinzu kommen aber auch soziale Aspekte, die auf Prinzipien guter Unternehmensführung wie Chancengleichheit, Fairness und Mitbestimmung beruhen. Ein entsprechend weites Verständnis des Begriffs erfordert nicht nur, Produktionsprozesse umzustellen, sondern die grundsätzliche Umgestaltung des Geschäftsmodells – weg vom Silodenken zum 360-Grad-Ansatz! Dafür muss zunächst ein ganzheitliches Bewusstsein für die Vielschichtigkeit von Nachhaltigkeit im gesamten Unternehmen verankert werden.
4. Die Last auf zu wenigen Schultern vermeiden
Echte Transformation gelingt nicht mit einzelnen Fachleuten: Unternehmen müssen regeln, dass neben CSR-Expert:innen alle Angestellten das nötige Praxiswissen erhalten, um nachhaltig handeln zu können. Wie sollen ein paar Köpfe richten, was eigentlich von allen täglich gelebt werden soll? Wer echten Wandel erwirken möchte, muss alle befähigen. Ein passendes Angebot dafür bietet die XU School of Sustainability, das europaweit erste Qualifizierungsprogramm zum Thema Nachhaltigkeit.
5. Transformationskraft der Menschen nutzen
Zu oft wird bei Transformation auf Technologie gesetzt. Da Nachhaltigkeit aber vor allem ein Kultur- und kein reines Effizienzthema ist, müssen Unternehmen umdenken. Es gilt, dort ein Verständnis für die Chancen nachhaltigen Wirtschaftens und Zusammenlebens zu verankern, wo es am meisten Wirkung zeigen kann: in den Köpfen der Menschen.
Die Belegschaft ist der Schlüssel, um Nachhaltigkeit zu meistern
Wer das Zukunftsthema angehen möchte, muss ein nachhaltiges Mindset im gesamten Unternehmen etablieren und dabei alle ins Boot holen. Doch jedes Unternehmen und jede Branche steht vor sehr individuellen Herausforderungen. Durch den großen Druck, der auf dem Thema liegt, braucht es als Fundament für weitere Schritte ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten: Nachhaltigkeit kann man lernen – und das müssen wir auch.